Ach Mensch, James ...

09.11.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Früher war alles besser ...
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Früher war alles besser ...
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Zwar haben sich die Rahmenbedingungen für James Bond mit Pierce Brosnans Amtsantritt als 007 deutlich gewandelt, aber auch Daniel Craigs Geheimagent kann eigentlich nicht aus seiner Haut heraus.

+++ Dieser Artikel enthält kleine Spoiler (nichts extrem Relevantes) zu James Bond 007 - Spectre. +++

Zwischen all den Actionszenen, den Explosionen und Stunts, den coolen Sprüchen, dem Product Placement und Daniel Craigs stets sorgenvoll zerknüllter Miene gibt es eine klitzekleine Szene in Spectre, in der die ganze Tragik der Figur Bond kulminiert. In Österreich, irgendwo am Arsch der Welt auf einem Berg, steht er, der Mann mit der Lizenz zum Töten, mit Madeleine Swann (Léa Seydoux) aka Bond-Girl, einer jungen Frau, die er gerade von Entführern befreit hat. Nun ist man als treuer Bond-Fan wie ein kleiner pawlowscher Hund darauf geeicht zu wissen, was jetzt gleich kommt. Sie wird dankbar sein. Es wird Sex geben. Er ist ihr Held und auch der Held aller Zuschauer. So war es immer, so wird es immer sein. Denn er ist Bond. James Bond.

Spectre - Trailer (Deutsch) HD
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Doch Swann ist nicht dankbar. Sie ist stinksauer. Bond ist nicht ihr Held, er ist der Vollidiot, der die Verbrecherorganisation, vor der sie sich jahrelang sehr erfolgreich versteckt hat, direkt zu ihr führte. Er ist verantwortlich, dass das Leben, das sie sich aufgebaut hat, in Trümmern liegt und dass sie entführt wurde. Da hilft es auch nicht, dass er sie aus dem Schlamassel wieder rausgeholt hat. Und da steht er nun, der James, und ist für einen Moment verdattert und sprachlos. Und seltsam aus der Zeit gefallen.

Das Schema Bond

Man kann es ihm nicht verübeln, denn wenn Bond eines ist, dann alt. 1953 wurde er das erste Mal auf Mission geschickt, damals noch in den Büchern von Ian Fleming. Bond ist seit dem ersten Tag an eine Figur, die in sich recht einfach angelegt ist. Er ist mehr Schablone als Mensch, mehr Anhäufung bestimmter Eigenschaften und Fähigkeiten: der Geheimagent, der Kämpfer, der Eigenbrötler, der Charmeur etc. Er ist eine Symbolfigur für eine klassische Art von Maskulinität , die dem Ideal westlicher Männlichkeit entspricht: weiß, heterosexuell, gebildet, aktiv, dominierend, stoisch, mutig, tough, wetteifernd. Nur dass Bond diese Idee von Männlichkeit aufs Äußerste und Aggressivste betreibt. Und ohne jemals in die Schranken gewiesen zu werden.

Er ist zwar loyal, macht aber alles auf eigene Faust und seine eigene Art. Er lebt außerhalb der gesellschaftlichen und moralischen Regeln, dafür hat er ja sogar eine Lizenz, und erledigt die Dinge auf seine Art. Und seine Art kulminiert in zwei Dingen: Gefühlskälte (Stoizismus) und Dominanz. Eine Dominanz, die im Falle Bonds vor allem aus gewalttätiger Aggression besteht. Oder anders gesagt: Auf der Hare-Checkliste für soziopathisches Verhalten  kann Bond jede Frage mit "trifft voll zu" beantworten. Bond dominiert seine Gegner, seine Chefs und "seine" Frauen durch Aggression und Gewalt, mal mit Charme als Sahnehäubchen, mal ohne. Wer im Weg ist, steht da nicht lange. Über Menschenleben wird (mit sehr wenigen und nur kurz andauernden Ausnahmen) nicht eine Träne vergossen.


Eigentlich total wahnsinnig, dass das der filmische Held ist, ja der Typ, auf dessen Seite wir sein sollen. Denn genau genommen ist Bond ein egozentrischer, berechnender, soziopathischer, menschenverachtender Mistkerl, vor dem man sofort schreiend davonlaufen sollte. Leute, die sich so benehmen, landen im Knast oder in der Anstalt. Selbst Filmfiguren mit solchem Persönlichkeitsprofil sind eigentlich die Anti-Helden, die am Ende die Quittung kriegen. Was macht ihn also zum Helden?

Es sind seine Gegner. Diese manchmal bis zur Absurdität überzeichneten Figuren sind es, die Bond trotzdem als positiv, als Held positionieren. Er kämpft gegen sie und damit irgendwie für "uns" oder für "das Gute". Er, im Auftrag der Regierung, ist das Bollwerk zwischen dem Publikum und den Psychopathen, Sadisten, Verrückten, den grundsätzlich Bösen, die ohne Reue "unseren" Tod in Kauf nehmen würden, um ihre Interessen durchzusetzen. Dagegen sieht Bond doch fast wieder nett aus.

Vor allem der Post-1995-Bond. Ab Pierce Brosnan und vor allem jetzt mit Daniel Craig ist er nämlich nicht mehr so aalglatt und kommt mit allem durch. Bond hat Gegenwind bekommen, der sein dominantes, zweidimensionales Verhalten in Frage stellt. Der kontemporäre Bond ist nicht mehr der smoothe Doppel-Null-Agent. Und Schuld daran ist M.

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