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ALLES STEHT KOPF - Kritik & Analyse

28.09.2015 - 00:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Die Filmanalyse zu Alles steht Kopfmoviepilot
Ein problematisches Menschenbild: Wolfgang M. Schmitt jun. warnt in seiner neuen Filmanalyse ausdrücklich vor dem neuen Pixar-Film Alles steht Kopf.

Das Süßliche und Putzige ist oft besonders gefährlich, wie der neue Pixar-Film Alles steht Kopf von Pete Docter wieder einmal verdeutlicht. Das Phänomen Pixar ist ohnehin eigenartig: Als ich Alles steht Kopf in der Sneak-Preview sah, waren nur Erwachsene (also dem Alter nach) im Saal. Als der Film begann, jubelten alle, waren begeistert, klatschten in die Hände und freuten sich wie kleine Kinder. Pixar richtet sich an Kinder, aber auch an Erwachsene, heißt es immer. Doch mehr und mehr scheint es, als richte sich Pixar zuvörderst an Erwachsene und dann erst an Kinder. Nicht weil die Filme so unendlich anspruchsvoll sind, sondern weil Pixar in erster Linie eine Infantilisierung der Erwachsenen betreibt. Diese Tendenz ist im Kino nicht allein und schon gar nicht nur bei Pixar anzutreffen: Die Kinder- und Jugendliteratur adressiert immer häufiger erfolgreich Erwachsene.

Nun ist es ja zu begrüßen, wenn Erwachsene das Kind in sich wiederentdecken, doch problematisch wird es, wenn dies auf Kosten des Denkens geschieht. Genau das ist bei Alles steht Kopf der Fall. Wir sehen die filmische Umsetzung gewisser deterministischer Positionen der Neurowissenschaften, damit gibt der Film sich einen besonders vernünftigen Anstrich. Doch der Schein trügt. Der Zuschauer soll überhaupt nicht denken, sondern nur fühlen. Die Idee, einen Film überwiegend im Kopf einer Figur, der elfjährigen Riley, spielen zu lassen, ist innovativ, doch das Menschenbild dahinter ist fürchterlich einfältig. An keiner Stelle kann Riley im philosophischen Sinne so etwas wie eine selbstbewusste Entscheidung treffen und an die Möglichkeit eines freien Willens wird überhaupt nicht gedacht. Riley wird zum Spielball der kleinen Männlein in ihrem Kopf, die sie vollkommen beherrschen. Die stärkste Emotion ist die Freude, die enervierend einen Optimismus einfordert, wie man ihn von Manager-Seminaren kennt.

Der Film behauptet, man könne mit einer Einzelwissenschaft, der Neuro-Psychologie, das Ich des Menschen erklären – das aber ist reduktionistisch. Und schließlich bleibt der Film in seinem Positivismus inkonsequent, denn zugleich wird weiter der (un)gute alte Disney-Familienkitsch produziert.

Mehr dazu im Video!

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Kino anders gedacht. Wolfgang M. Schmitt jun. beleuchtet für seinen YouTube-Kanal “Die Filmanalyse” aktuelle Großproduktionen aus einer etwas anderen Perspektive. Er will mit seinen provokanten Kritiken die Ideologie Hollywoods offen legen, die sich mal offensichtlich, mal im Verborgenen, aber in aller Regel unfreiwillig in den Blockbustern des Kinos auftut. Schmitt jun. schreckt bei seinen oft polarisierenden Analysen auch vor den großen Theorien und Denkern aus Vergangenheit und Gegenwart nicht zurück und sorgt damit immer für kontroverse Diskussionen.

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