Besser als Der Schwarm und kostenlos in der ZDF-Mediathek: Katastrophenserie vermeidet Fehler der Schätzing-Verfilmung

06.03.2023 - 12:00 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
Sløborn vermeidet die Fehler von Der SchwarmZDF
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Die neue ZDF-Serie Der Schwarm wurde von der Kritik eher schlecht aufgenommen. Wer eine richtig gute Katastrophenserie in der ZDF-Mediathek streamen will, wird hier fündig.

Die Erwartungen an die Verfilmung von Frank Schätzings Roman Der Schwarm waren hoch. Seit 20 Jahren gibt es Bemühungen um eine Adaption. Die Serie Der Schwarm, die in der ZDF-Mediathek streamt und nächste Woche im TV läuft, sorgte jedoch vielerorts für Enttäuschung. Sogar der Autor beschwerte sich öffentlich darüber.

Der Schwarm leidet unter gleich mehreren Problemen:

  • Die Figuren bleiben blass.
  • Erzählt wird freud- und leblos, mit einem Ernst, der sich in der Tiefe der Geschichte nicht widerspiegelt.
  • Der Serie fehlt ein wiedererkennbarer Stil und eine dichte Atmosphäre.

All diese Probleme hat dieser Streaming-Tipp nicht. Im Gegenteil, die deutsch-dänische Produktion Sløborn zeigt, wie man eine Katastrophenserie mit zahlreichen Handlungssträngen erzählen kann, ohne in dieselben Fallen zu treten wie die Schätzing-Adaption.

Was Sløborn mit Der Schwarm gemeinsam hat

Beide Serien streamen derzeit in der ZDF-Mediathek, aber da hören die Parallelen nicht auf. Sowohl Der Schwarm als auch Sløborn erzählen von einer weltweiten Katastrophe, welche die Handlungsstränge unterschiedlichster Menschen zusammenführt, die sich damit auseinandersetzen müssen. Beide sind außerdem etwas für Menschen, die in ihrer Freizeit gern aufs Meer hinausblicken und sich vorstellen, welch tödliche Gefahr darin lauert.

Sløborn spielt nämlich auf der gleichnamigen fiktiven Nordsee-Insel. An deren Küste strandet eines Tages ein Boot mit den Leichen zweier Touristen. Bei den Ermittlungen macht die Polizei die schreckliche Entdeckung, dass ein tödliches Virus mit den Toten auf die Insel gelangt ist. Für die Bewohner der Insel ist es bereits zu spät, denn sie alle sind mehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, als die Zeichen einer nahenden Epidemie zu deuten.

Warum die Serie nicht dieselben Fehler macht

In Sløborn wird zunächst ein großes Ensemble vorgestellt, ähnlich wie in Der Schwarm. Der fundamentale Unterschied zum neuen ZDF-Blockbuster, ist aber, dass die Figuren in dieser Serie ein glaubwürdiges Eigenleben jenseits der Katastrophe besitzen.

In Der Schwarm werden gefühlt dutzende Wissenschaftler:innen vorgestellt, die angespannt auf Bildschirme starren. Damit das Publikum sie einordnen kann, rattern sie in bemüht wirkenden Dialogen ihre privaten Probleme herunter. Der Schwarm ist so eine Serie, in der man klar unterscheiden kann, wenn die Erzählung von "Story" auf "Charakterisierung" umschaltet, statt beides stimmig zu verbinden.

Sløborn

Das Autorenteam von Sløborn geht diese Herausforderung umgekehrt an. In der Serie schwelt die kommende Katastrophe lange im Hintergrund. Erstmal verbringen wir Zeit mit der Schülerin Evelin (Emily Kusche), deren Affäre mit einem Lehrer ungewollte Folgen hat, ihrem Vater Richard (Wotan Wilke Möhring) und ihrer Mutter Helena (Annika Kuhl), deren Ehe zerbricht, dem Sozialarbeiter Magnus (Roland Møller), der Jugendstraftäter:innen auf den richtigen Weg zurückführen will, oder Polizistensohn Herm (Adrian Grünewald), der in der Schule gemobbt wird. Ihr Leben ist weder ernster noch leichter als das der Figuren in Der Schwarm, aber es fühlt sich fülliger an. Was sicherlich daran liegt, dass sie über mehr reden als Eiswürmer und Krankheitserreger.

Der Schwarm leidet jedoch auch unter einer virusartigen Tristheit der Figuren. Es gibt zumindest in den bisher veröffentlichten Episoden kaum charakterliche Querschläger, die Szenen in ungewohnte Richtungen treiben, an denen man sich reiben oder über die man lächeln kann. Wie so eine Figur aussieht, zeigt der Schriftsteller im Karrieretief, den der wunderbare Alexander Scheer in Sløborn spielt.

Die Figur des Nikolai Wagner kommt als Außenseiter für eine Lesereise auf die Insel, interessiert sich aber nur dafür, wo er Koks bekommt. Er ist ein seltsamer, exzentrischer und irgendwie bemitleidenswerter Kauz aus der großen Stadt, der damit automatisch in einem Gegensatz zu den Menschen auf Sløborn steht. Dadurch entsteht eine Reibungsenergie, die in Der Schwarm fehlt. In der Schätzing-Adaption wirken die Figuren so gleichförmig, als wäre eine Dampfwalze über sie hinweggerauscht.

Genauso einförmig wie die Figuren wirkt leider auch die Atmosphäre von Der Schwarm. Schwankend zwischen Wissenschafts-Thriller und Katastrophen-Blockbuster, sieht die Serie größtenteils nichtssagend aus. Als hätte jemand Angst gehabt, sich ins Genre hineinzuknien und dem Publikum wirklich Angst zu machen. Die Pandemie-Serie Sløborn arbeitet offensiver und lustvoller mit dem Grauen der Ausgangsidee. Hier gibt es keine Angst, jemanden vor den Kopf zu stoßen, sondern eine Vision, die selbstbewusst entfaltet wird.

Die Serie von Christian Alvart lebt von einer düsteren Atmosphäre, schon bevor der Virus auf der Insel ankommt. Hier pfeift der kühle Nordwind durch jedes Bild, isoliert Eltern, Kinder, Freunde. Jede:r scheint erstmal auf sich allein gestellt. Und dann kommt die Krankheit auf die Insel.

Sløborn besteht bislang auf zwei Staffeln, die in der ZDF-Mediathek streamen. Die dritte Staffel soll dieses Jahr gedreht werden.

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