Blow Out mit John Travolta erstmals auf Blu-ray

09.06.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Trügerische Wahrheitsfindung: John Travolta in Blow OutKoch Media
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John Travolta war nie besser als in Brian De Palmas meisterlichem Psychothriller Blow Out, der auch ein definitives Statement zum Kino selbst ist. Anlässlich der HD-Erstveröffentlichung des Films verlosen wir drei Mediabooks mit Blu-ray und DVD.

Am Anfang steht die Suche nach einem perfekten Schrei. Jack Terry (John Travolta) ist Sounddesigner für Exploitation-Filme und soll das hilflose Krächzen einer Darstellerin durch akustisch glaubhafte Todesangst ersetzen. In der vermeintlichen Exposition nimmt Blow Out die Subjektive eines mörderischen Stalkers ein, der vornehmlich weiblichen Opfern auflauert. Die Bilder freigelegter Brüste und einer im Kameraschwenk masturbierenden Studentin rufen jedoch weniger Halloween als eher dessen zahllose Rip-offs auf, in denen Gewalt und Sex zu Beginn der 1980er-Jahre ungleich vordergründiger verhandelt wurden – und die zunächst selbst ein dem Sleaze zugeneigter Regisseur wie Brian De Palma nur als Film im Film enttarnen kann. Blow Out führt diese Ästhetik im Sinne einer schäbigen Fiktion vor, bleibt ihr aber inhaltlich verbunden: De Palma erzählt von einer jungen Frau, die der Held aus den Fängen des maniac on the loose befreien muss.

Die junge Frau heißt Sally (Nancy Allen) und wird von Jack aus einem Autowrack vor dem Ertrinken gerettet. Weil ihr Beifahrer, der sich als aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat entpuppt, das Unglück nicht überlebt, droht ein politischer Skandal, den Polizei und Behörden verhindern wollen. An der Untersuchung des Unfalls signalisieren sie daher wenig Interesse, obwohl Jack überzeugt ist, dass seine am Tatort aufgenommenen Tonbänder einen Mord dokumentieren, für dessen Aufklärung er sich vergeblich um Unterstützung bemüht. Am Wahrheitsgehalt der Theorie seines Protagonisten lässt der Film - anders als Blow Up von Michelangelo Antonioni - allerdings keinen Zweifel. Er bringt den Attentäter zügig in die Handlung und interessiert sich für eine etwaige Verschwörung nur am Rande: Burke (John Lithgow) ist kein einfacher Auftragskiller der politischen Gegenseite, sondern ein eigenmächtig handelnder Psychopath, dem Töten offenbar grundsätzlich Freude bereitet.

Suche nach dem perfekten Schrei: Jack Terry (John Travolta).

Der Film kommentiert, ergänzt und paraphrasiert den oft als dessen Vorbild genannten Antonioni-Klassiker dahingehend, als er dessen Frage nach einer objektiven Wahrheit mit eigenen filmischen Mitteln, vor allem aber einer Wahrheitssuche im Kino selbst zu beantworten versucht. Wie Thomas Groh lesenswert anmerkte , vollzieht sich in den kleinteiligen Mordrekonstruktionsversuchen der Travolta-Figur dabei eine Geschichte der Kinematographie: Aus Tatortbildern bastelt Jack erst ein Daumenkino und lässt es als Stummfilm entwickeln, später fügt er dem Material Ton hinzu und gelangt schließlich an die Originalaufnahmen, die den fertigen Farbfilm ergeben. Wo David Hemmings in Blow Up eine Pistole zu sehen glaubte, meint John Travolta in Blow Out einen Schuss zu hören. Beide werden zu Regisseuren eines Verbrechens, das zunächst nur in ihrer Wahrnehmung geschah - und sich im Material konkretisieren soll.

Blow Out aber geht einige Schritte weiter. Der Held des Films erforscht die Wirklichkeit durch einen Versuch ihrer Nachstellung, deren akribisch zusammengefügte Details eine subjektive Wirklichkeit zu formen drohen. Das wahnhafte Interesse an der Wahrheitsfindung gerinnt zum trügerischen Narrativ, bei dem sich die Figur von sekundären Quellen (in der Zeitung abgedruckte Photographien) zum vermeintlichen Ursprungstext (einem Attentat) vorarbeitet. De Palma scheint dabei seinerseits bemüht, Antonionis bewusst uneindeutige Anhaltspunkte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, und reflektiert zugleich den eigenen künstlerischen Anspruch: Im Kern ist Blow Out ein Film, der den seit jeher an De Palmas Kino gerichteten Style-Over-Substance-Vorwurf amüsiert zurückweist, indem Stil (die Qualität der Bild- und Tonaufnahmen, also eine visuell und akustisch überzeugende Rekonstruktion des Tatgeschehens) überhaupt erst Substanz (nämlich die Durchführung eines Mordes) offenbart.

Split-Diopter-Einstellungen: Brian De Palmas charakteristischstes Merkmal.

Der Film weiß, dass wir uns auf seine Hauptfigur verlassen können, und legt diese im Unterschied zu Blow Up auch deutlich sympathischer an. David Hemmings spielte einen hedonistischen Photographen, den besonders die Persönlichkeitsrechte von Frauen wenig scherten, John Travolta hingegen ist ein Romantiker, der in der Wahrheit auch die Liebe zu finden hofft. Umso tragischer ist es, dass De Palma diesem Jack Terry nur deshalb entscheidende Vorsprünge erlaubt, um sein berühmtestes Zitat ("Die Kamera lügt 24 mal pro Sekunde") bestätigt zu sehen. Die These, dass Kino Wahrheit nicht ab-, sondern überhaupt erst bildet, und dass sich diese Wahrheit dennoch als so nutz- wie folgenlos erweisen kann, ist noch immer eines der definitiven Statements zum amerikanischen Film. Wenn Travolta endlich seinen perfekten Schrei findet, bleibt zwar das Kino intakt - doch könnten die dafür notwendigen Bedingungen kaum niederschmetternder sein.

Blow Out erscheint am 23. Juni 2016 im Mediabook auf Blu-ray und DVD.

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