Der 21.10.2015 - Marty McFly landet in sauerstoffarmen Kinosälen

01.11.2017 - 12:35 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Zurück in die Zukunft IIUniversal/moviepilot
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Am 21.10.2015 landete Marty McFly in der Gegenwart. Sebastian und Hendrik erlebten den Tag im Kino mit allen drei Zurück in die Zukunft-Teilen und viel geteilter Kinoleidenschaft.

Im Rahmen der Aktion Deutschlands Lieblingskino 2017 veranstalten wir einen Schreibwettbewerb, bei dem wir euren liebsten Kinomoment suchen. Wie ihr dabei mitmachen könnt und was es zu gewinnen gibt, lest ihr hier.

Dabei werden nicht nur die Community, sondern auch Teile des moviepilot-Teams ihren liebsten Kinomoment beschreiben.

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Wir schrieben den 21.10.2015, die Tagesschau machte sich mal locker  und inszenierte ein erfrischendes Schelmenstück, Fake-News war uns noch kein Begriff. Wir überprüften die Online-Klamottenhändler auf selbststrocknende Jacken, warteten auf Nachrichten aus dem Silicon Valley und hofften, dass irgendein Start-up nun doch noch das Hoverboard erfunden hätte. Die Welt war für ein paar Stunden eins in der Erwartungen eines über drei Jahrzehnte ersehnten Ereignisses. Pop- und Kinokultur transzendierten: Es war der Tag, an dem Marty McFly (Michael J. Fox) mit seinem DeLorean aus dem Jahr 1985 dreißig Jahre in die Zukunft reisen, im Hill Valley des Jahres 2015 landen und endlich die außerfilmische Zeitlinie einholen sollte.

Am Abend dieses herbstlichen Donnerstages zeigten tausende Kinos weltweit Triple-Features der Zurück in die Zukunft-Trilogie. Sebastian und ich saßen etwa zur gleichen Zeit an entgegengesetzten Enden Deutschlands im Kino und schauten uns alle drei Zurück in die Zukunft-Teile nacheinander an und erstickten (an Spaß).

Hendrik: 19:55 Uhr, Hannover - Linden

Die Inschriften auf Filmpostern sind die Duschgelrücken des Wohnzimmers: Ich lese sie, wenn ich mich unter mühsamer Konzentration nach Ablenkung sehne. Auf dem öligen Filmposter von Zurück in die Zukunft, das ich seit Jahren von Wohnung zu Wohnung mitschleife, steht: "Er war nie rechtzeitig in der Schule … er war nie rechtzeitig beim Abendessen … Und dann, eines Tages, war er nicht einmal mehr in seiner Zeit". Zum Triple-Screening der drei Zurück in die Zukunft-Teile hetzte ich wie der Teufel, dabei Bilder von nerdigen Typen im Kopf, die wütend an die Schutzwand zwischen Kassierer und Kunde hämmern und sich um die letzten Restkarten prügeln. Wäre ich leer ausgegangen, wäre ich selbst Schuld gewesen und hätte mich schwarzgeärgert. Ich hatte mich zwar wie auf den Weihnachtsmann auf diesen Tag gefreut, ihn aber nicht unbedingt mit Kino in Verbindung gebracht. Zurück in die Zukunft war eine DVD- und VHS-Angelegenheit, zerrupft und unterbrochen von alter Maggi-Werbung, Anfang und Ende grob amputiert von schlecht getimten Aufnahmegeräten. Erst am einzigen Zurück in die Zukunft-Feiertag für immer und alle Zeiten morphte ich meinen Lieblingsfilm zu einem Lieblingskinomoment.

Zurück in die Zukunft

Sebastian: 17:30, München Schwabing

Schon seit meiner Kindheit war ich großer Zurück in die Zukunft-Fan. Denn was mein Vater mochte, war automatisch cool. Besonders der DeLorean hatte es mir damals angetan. In den Monaten vor dem Film merkte ich, wie die Welt sich langsam auf Marty McFlys Ankunft einstimmte. Hin und wieder sah ich einen DeLorean in der Münchner Innenstadt, jedoch ohne Marty oder Emmet an Bord. Zusammen mit Michael J. Fox veröffentlichte Nike die Air Mag-Schuhe, die Schuhe, die Marty 2015 bekommt, um nicht aufzufallen. In Wirklichkeit waren die aber so limitiert und teuer, dass man darin erst recht auffallen würde. Ohne DeLorean und ohne Nike Air Mags lag es nun also an uns, die letzten Vorkehrungen zu treffen, um 7 Stunden lang im dunklen Kinosaal zu überleben. Die Tickets waren bereits gekauft, also ging es nur noch um den Treffpunkt und darum, ob wir davor noch etwas essen gehen sollten. Ein Freund hatte die glorreiche Idee, unter seiner dicken Jacke eine große Pizza in den Saal zu schmuggeln. Wir lachten ihn daraufhin nur aus. Natürlich kam es, wie es kommen musste: Wir diskutierten zu lange über etwaige Verpflegung und mussten deshalb direkt zum Kino und uns mit Nachos und Popcorn zufriedengeben.

Hendrik: 20:10 Uhr, Hannover - Linden:

Die Karten erhielt ich auch nur, weil andere auf ihre Reservierungen verzichteten. Jeder, der hier ist, könnte die Filme leicht auch zu Hause schauen, hat sich aber entschieden, ins Kino zu gehen. Das Apollo in Hannover Linden war eines von drei Kinos in der Stadt, die ein Triple-Screening veranstalteten. Es ist ein altes Kino, versteckt in einem gründerzeitlichen Hinterhof inmitten eines während des Zweiten Weltkrieges fast vollständig zerbombten Stadtteils. Bei der Kartenvergabe geht es ruhig zu, ich kriege drei Tickets in die Hand gedrückt, für jeden Film eine. Erst auf meinem Platz am Rand sitzend (wie immer, wenn ich alleine im Kino bin), höre ich erste beschwichtigende Zurückweisungen und darauf das murrende Abziehen Enttäuschter. Als es losgeht, ist der Saal bis auf den letzten Platz besetzt.

Kinokarten

Sebastian: 18:00 Uhr, München Altstadt

Im Kino angekommen, gab es erstmal eine ordentliche Portion Nachos mit Käse- und Salsa-Sauce. An so einem besonderen Tag wollte ich nicht ausgerechnet an der Wahl meines Dips geizen. Da ich ein schlauer Fuchs bin und in den Pausen lange Schlangen an den Toiletten erwartete, ging ich mich noch eben frisch machen und gab mich mit einem kleinen Getränk zufrieden. Ich fand mich inmitten zahlreicher Emmet Browns und Marty McFlys wieder. Dutzende orangene Westen, fluoreszierende Kappen, weiße Perücken und sogar ein originaler Nike Air Mag tummelten sich vor dem Kinosaal. Als wir dann endlich auf unseren Plätzen saßen, konnte ich vor Vorfreude kaum stillsitzen. Ein Moderator im Marty McFly-Kostüm betrat unter tosendem Applaus die Bühne und kündigte einige Gewinnspiele für die Pausen zwischen den Filmen an. Allgemein war die Stimmung super, besonders bei Martys Johnny B. Goode-Performance, und als Marty in Teil 2 endlich im Jahr 2015 ankam. Auch die Pausen wurden mit einem Trailer zu Jaws 19, einer Hoverboard-Werbung und einem Trivia-Quiz gut genutzt, und alle waren zufrieden.

Hendrik: 21:35 Uhr, Hannover - Linden:

Das Apollokino  war mal ein Tanzsaal, Menschen sitzen, wo vorher getanzt wurde, die Bewegung hat sich auf die Leinwand gelegt. Der Blick dorthin ist gesäumt von Säulen, die Decke konvex wie ein Himmelszelt. Der Saal kocht die Menge zusammen zu einem fiebrigen Klumpen. Filmfans zitieren Doc Brown und trinken Bier. Eine einander unbekannte Zuschauergruppe hat sich hier verschworen, einen Feiertag zu erfinden. Man ist unter Leuten, die Popkultur ernst nehmen wie sonst nichts, die hier unter sich Zurück in die Zukunft feiern und auch das Kino als einende Kulturstätte.

Erster Jubel erfasst den Saal, als zum ersten Mal das magische Datum auf dem DeLorean-Display aufleuchtet. Wir freuen uns über die mit dem Film gemeine Zeit wie über die Nennung des Heimatortes in einer Fernsehshow. Als Marty McFly dann im Jahr 2015 landet, tut sich ein Wurmloch auf, das den Kinosaal und die Zuschauer mit ihrem Lieblingsfilm verbindet. Diese Ergriffenheit habe ich zuletzt erlebt, als bei Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht das Hauptthema zur gelben Schriftwand durch den Saal trompetete. Der zweite Film endet mit dem tollsten Cliffhanger aller Zeiten. Marty McFly bekommt von einer Trenchcoat-Figur einen Brief überreicht. Er war lange vorterminiert, hat die Zeit überdauert und die Gegenwart irgendwann eingeholt. Zurück in die Zukunft ist an diesem Abend ein Brief der Vergangenheit an den Kinosaal.

21.10.2015

Sebastian: 00:47 Uhr, München Altstadt

Etwa zur Mitte des 3. Teils hin war ich nur noch müde und wollte ins Bett. Doch ich wusste, dass das keine Option sein würde. Der ausverkaufte Kinosaal enthielt mittlerweile noch höchstens 8 % Sauerstoff, ich bereute meine Entscheidung, so wenig zu trinken, und zahlreiche Besucher hatten den Raum bereits fluchtartig verlassen. Schließlich ist Teil 3 der unbeliebteste Teil der Reihe. Ich für meinen Teil kann das nachvollziehen, aber dachte mir: ganz oder gar nicht! Irgendwann gegen kurz vor 2 Uhr früh war es dann so weit und wir machten uns auf den Heimweg. Natürlich war es um die Zeit ein Alptraum, heimzukommen. Die Tram fährt höchstens ein Mal die Stunde, und zum Laufen war ich zu schlapp. Deshalb gönnte ich mir ein Taxi, um schnell ins Bett zu kommen, schließlich musste ich am nächsten Morgen wieder in die Uni. Auch wenn es gegen Ende ziemlich anstrengend wurde, bin ich heute noch froh, dass ich mir diese einmalige Chance nicht entgehen lassen habe. Wenn ich meine Kinder eines Tages zwinge, sich Zurück in die Zukunft anzusehen, werde ich ihnen ganz sicher von meinen Erlebnissen vom 21.10.2015 erzählen.

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