Die prüden 1960er Jahre

15.11.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Das Schweigen von Ingmar Bergman
Atlas Film
Das Schweigen von Ingmar Bergman
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Filme, die vor Jahrzehnten noch als anstößig und frivol galten, locken heute niemanden hinter dem Ofen vor. Wir nehmen euch mit auf eine Zeitreise durch die Sexskandalfilme der letzten Jahrzehnte und beginnen die Reihe mit den moralisch festgefahrenen 1960er Jahren.

PornApps, im Netz kursierende Sexvideos von Stars und eine deutsche Jugendzeitschrift, die sich neuerdings scheinbar nur noch mit Schlagzeilen zu kopulierenden und sich ausziehenden Jungschauspielern und Musikern am Markt halten kann – es braucht schon einiges, um uns heute noch zu schockieren. „Sex sells“ gilt zwar nach wie vor im Rahmen der Medienöffentlichkeit, doch der Nachfrage steht stets ein gigantisches Überangebot gegenüber. Ficken als Lebensgefühl, Pornografie als Alltagskultur. Unzensiert, enttabuisiert und deshalb nur noch bedingt öffentlichkeitswirksam.

Das war nicht immer so. Vor einem halben Jahrhundert, kurz vor der sexuellen Revolution der späten 1960er Jahre, galt Prüderie noch als Inbegriff einer moralisch funktionierenden Gesellschaft. Abtreibung und Homosexualität waren schon per Gesetz strafbar. Wer Sex vor der Ehe hatte, musste mit Ächtung und Ausschluss rechnen. Verhütungsmittel waren für unverheiratete Paare kaum bis gar nicht zugänglich. Doch inmitten dieser verklemmten Zeit ließ das Kino immer wieder skandalträchtige Bomben platzen, die mit Tabubrüchen, pornografischen Szenen und damals noch undenkbaren Themen ihre Zuschauer provozierten.

Pädophilie und explizite Sexszenen
1962 kam als einer der ersten Aufreger der 1960er Jahre Stanley Kubricks Lolita in die Kinos: Der Literaturprofessor Humbert Humbert (James Mason) verliebt sich in die 12-jährige Lolita (Sue Lyon) und beginnt mit ihr ein Verhältnis, nachdem ihre Mutter, die Humbert vorher zum Schein geheiratet hatte, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Stanley Kubrick war sich bei der Verfilmung von Vladimir Nabokovs gleichnamigem Roman jedoch den moralischen Beschränkungen der damaligen Zeit bewusst, weshalb er auf anstößige und erotische Szenen bei der Umsetzung verzichtete und sich um einen komödiantischen Unterton bei der Inszenierung bemühte. Die explizite erotische Darstellung von Pädophilie und jugendlicher Frühreife erfolgte erst drei Jahrzehnte später, als Regisseur Adrian Lyne 1997 seine eigene Version von Lolita drehte, dieses Mal mit Jeremy Irons und Dominique Swain in den Hauptrollen.

Konkretere sexuelle Bilder folgten jedoch damals schon auf Kubricks Lolita-Version, als Ingmar Bergmans Das Schweigen (1963) ein lautstarkes und geteiltes Medienecho verursachte. „Kunstwerk oder Pornografie?“ titelte Die Welt, „Wer hat Angst vor Ingmar Bergman?“, schrieb die Süddeutsche. Als Reaktion auf den Film trat plötzlich eine Gruppierung von verklemmten Saubermännern namens „Aktion Saubere Leinwand“ auf den Plan, die eine moralische Reinwaschung von Kinofilmen forderte. Ob es sich bei den Sex- und Masturbationsszenen in Das Schweigen nun um Kunst oder anstandslose Ferkeleien handelte, fragte sich auch die FSK, befand den Film dann jedoch als künstlerisch wertvoll und gab ihn ungeschnitten ab 18 frei.

Kontroverse Frauenbilder
Weniger skandalös, dafür aber als verzerrtes Abbild einer ach so sündenfreien Gesellschaft bot sich 1965 Roman Polanskis Ekel dar. Die junge Carole Ledoux (Catherine Deneuve) leidet unter einem Hygienezwang und empfindet regelrechte Abscheu gegenüber Männern und Sexualität. Allein in ihrem Apartment entfalten sich ihre Angstzustände und ihre psychotischen Wahnvorstellungen, die schließlich im Mord kulminieren. Indem Roman Polanski das biedere Moralkorsett bis zum Anschlag zusammenzog, machte er deutlich, dass jedes Extrem – auch ein zu streng gesetzter Sittenkodex – uns irgendwann krank macht.

Während Ekel sich also die Unterdrückung der weiblichen Lust zum Thema machte, ging es in dem ein Jahr später veröffentlichten Faster, Pussycat! Kill! Kill! (dt. Titel: Die Satansweiber von Tittfield) von Russ Meyer genau um das Gegenteil: Meyer zelebrierte mit dem Film nicht nur seine offenkundige Vorliebe für große Möpse, sondern skizzierte mit den drei Stripperinnen Varla, Rosie und Billie ein wollüstiges und gewaltbereites Frauenbild, das selbst beim männlichen Publikum vermehrt auf Irritation stieß. Erst zwei Jahrzehnte später avancierte das Stripper-Roadmovie schließlich zum Kultfilm.

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