Einfach die Wahrheit – Ostern mit Kindesmissbrauch

28.03.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Einfach die Wahrheit
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Kurz vor dem Osterwochenende strahlt die ARD einen bereits vor zwei Jahren fertig gestellten Spielfilm über Kindesmissbrauch aus. Zwischen spekulativ und banal nähert dieser sich dem Thema vor allem von Seiten der absoluten Belanglosigkeit.

Neues aus der Gebührenhölle, Neues aus dem Hause der ARD Degeto. Obgleich neu die Sache hier nicht ganz trifft, denn das Scheidungs-, Kindesmissbrauchs-, Gerichts- und irgendwie auch Psychodrama Einfach die Wahrheit wurde bereits 2010/2011 gedreht und lag zwei Jahre lang auf Halde. Am Thema wird es kaum gelegen haben, die Geschichte einer den mutmaßlichen Missbrauch eines Mädchens ermittelnden Staatsanwältin ist so heikel wie Oma Ursels sonntäglicher Blick in die Wochenzeitung. Die unterirdische Qualität des Films kann als Grund für die Verzögerung ebenfalls ausgeschlossen werden, so die ARD ihre Prime Time ja vorzugsweise ausschließlich mit Kopfkiller-Produktionen wie Die Wüstenärztin zelebriert. Ob Martin J. Krug, Produzent und geistiger Vater des Films, vielleicht etwas damit zu tun hat? Immerhin ist das Projekt unverkennbar Bewegtbild-Lieferant einer selbstredend guten Sache: Einfach die Wahrheit basiert auf der „Idee“ von Bunte-Dauerbrenner Krug, dem Gründer des Power-Child e.V. – und Heiner Lauterbach, Botschafter und einer der prominenten Unterstützer des Vereins zur „Prävention von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen“, spielt darin gleich die männliche Hauptrolle.

Ohne erforderliche Ernsthaftigkeit
Verfilmtes Sponsoring also, immerhin für den guten Zweck. Umso mehr Backpfeifen hingegen verdienen die fürs (mal wieder) Themenrelevante Einstehenden, so ihr entsprechend funktionalisiertes Fernsehdrama das komplizierte Sujet denkbar einfach in 90 kompakte und freilich Problem lösende Minuten ohne erforderliche Ernsthaftigkeit quetscht. Im Mittelpunkt des Banalitätsstückes steht die entsetzlich engagierte Staatsanwältin Charlotte Reinke (Katja Flint). Die ist gerade von der Wirtschaftsabteilung zur Sitte gewechselt und so professionell, dass sie auf dem Weg zur Arbeit ihre Gedanken im Stechschritt aufzeichnet, mit dem Smartphone in der einen und dem Latte macchiato in der anderen Hand. Charlotte möchte nachweisen, dass Roman (Heiner Lauterbach) seine achtjährige Tochter Laura (Paula Hartmann) sexuell missbraucht hat, doch das mutmaßliche Opfer macht gegenüber einer Psychologin widersprüchliche Aussagen. Das treibt nicht nur Brigitte (Ursina Lardi), die Mutter des Mädchens, in den Wahnsinn (sie agiert im Film als hysterische Kreischkuh, die ihren Ex-Mann hinter Gittern sehen will), sondern auch die Staatsanwältin, die außerdem privat einiges um die Ohren hat.

Zunächst scheinbar ambivalent
Denn mit Boyfriend Rainer (again and again: Hannes Jaenicke) läuft es gar nicht gut, weshalb sich Charlotte auch regelmäßig klein machen muss: „Du hast eine Frau verdient, die dich glücklich macht.“, gibt sie selbstkritisch zu verstehen, aber „es ist schwer eine finden, die so riecht und schmeckt wie du.“, entgegnet ihr der Rainer. Weil ihr Fall zunächst überaus ambivalent erscheint, sucht die Staatsanwältin erst einmal bei einem inhaftierten Kinderschänder nach Erleuchtung. „Hatten sie als Kind schon kleine Brüstchen?“, fragt der sie lüstern dreinschauend im abgedunkelten JVA-Vernehmungszimmer, für das der Ausstattung offenbar Basic Instinct als Referenz verordnet wurde, doch das Gespräch wird Charlotte in der Analyse des mutmaßlichen Täters später noch hilfreich sein. Bis dahin bleibt Lauterbachs Figur ungreifbar, Angst zeigt seine Tochter ihm gegenüber nicht. Eher noch verhärtet sich die Annahme, seine Ex-Frau habe ihn lediglich aus Eifersucht gegenüber dessen neuer Lebensgefährtin bei der Polizei angezeigt.

Wende nach zwei Dritteln
Auf Intelligenz in der Welt des deutschen Fernsehens hoffende Zuschauer ahnen aber bereits: Die verdichteten Klischees aus Populismus und Kastrationsangst („In Deutschland kann ja jeder von jedem angezeigt werden.“) können nur zu einer Wende der Ereignisse führen, andernfalls würde die Darstellung des Sachverhalts allzu sehr der reaktionären (und im Zuge der Sexismus-Debatte erneut aufgekochten) Annahme zuspielen, Männer würden (von Frauen) oft zu Unrecht als Sexualstraftäter beschuldigt. Solchem Schwachsinn wird natürlich glücklicherweise auch in der ARD-Degeto-Hölle kein Raum geboten, weshalb sich das Handlungsblatt nach etwa zwei Dritteln (zu Ungunsten einer ernsthaften Problematisierung des Themas allerdings) wendet. So enttarnt das fahrplanmäßig auf Aktion und Reaktion abzielende Drehbuch den Angeklagten wohlmöglich doch noch als Wolf im Schafspelz und die Hysterie der Mutterfigur als berechtigte Sorge.

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