Festgefahrene Fantasy: Der Herr der Ringe-Film über Gollum hat ein Problem – und zwar den Star

19.05.2024 - 09:00 Uhr
Gollum in Der Hobbit
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Gollum in Der Hobbit
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Fantasy-Legende Andy Serkis ging als genialer Gollum in die Geschichte ein. Ihm und Peter Jackson 20 Jahre später den neuen Herr der Ringe-Film über den ringgeilen Racker zu überlassen, ist trotzdem eine miese Idee.

Letzte Woche ereilte uns die Nachricht über ein neues Herr der Ringe-Projekt. Einen Film über die bemitleidenswerte Kreatur Gollum wird es 2026 geben, was nicht gerade die tosendsten Begeisterungsstürme auslöste. Lediglich die Inklusion von Andy Serkis als Regisseur und wiederkehrender Gollum-Darsteller und Peter Jackson als Produzent sorgten für etwas freudige Erregung unter Ring-Nerds. Aber so ist es genau falsch herum.

Man kann über jedes erdenkliche Thema einen interessanten Film machen, denn nicht das Was ist das Wichtigste, sondern das Wie. Waren die Hobbit-Filme wegen der Vorlage fürchterlich? Nein – sie funktionierten nicht, weil man zu sehr an Form und Ästhetik der epischen Ringkrieg-Trilogie hing, deren Magie sich nicht auf dieselbe Weise wiederholen lässt. Nicht einmal von Regie-Valar Jackson höchstpersönlich. Der verworfene Film von Guillermo del Toro hätte dem Stoff viel besser getan.

Der Fantasy-Stoff, aus dem die immergleichen Träume sind

The Hunt for Gollum, so der Titel des neuen Herr der Ringe-Films, löst vielleicht auch Zweifel aus, weil einige Fans noch den faden Nachgeschmack des verhassten Gollum-Videospiels im Mund haben. Nur plant man sicherlich kein kleines Fantasy-Filmchen, in dem Sméagol durch die Berge kreucht. Action-König Aragorn oder ähnliche Gefährten werden erneut mit von der Partie sein und vermutlich muss es wieder monumentaler vor sich gehen, als es der Geschichte geziemt. Dabei fehlen gerade die kleinen, entschieden unepischen Geschichten aus J.R.R. Tolkiens Mittelerde in Film- und Serienform.

Gollum und die Hobbits in Die Zwei

Die Amazon-Serie Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht brillierte in Staffel 1 immer dann, wenn sie nicht versuchte, sich ästhetisch und erzählerisch an die Jackson-Filme heranzukuscheln. Wenn sie ihr eigenes Fantasy-Süppchen kochte und man in zärtlichen Märchenmomenten schwelgen durfte, in denen Funken einer eigenen Vision durchschimmern. Viel zu oft hallte aber das Echo der ach so heiligen Trilogie nach, als müsse sich die Serie doch irgendwann passgenau an die Filme schmiegen können, und der Trailer zu Staffel 2 verstärkt diesen Eindruck nur noch.

Ein Franchise, sie zu knechten: Ist Herr der Ringe noch zu retten?

Das Schlimmste, was dem Herr der Ringe-Kosmos passieren könnte, wäre eine fatale Gleichschaltung bis hin zu Content-Maschinerien à la Star Wars. Ein Franchise sie zu knechten sozusagen. Mit einem festgefahrenen Design, einem unumstößlichen Kanon, einer stets wiederkehrenden Star-Menagerie, einer Gesamtvision. Nur ist es vielleicht schon zu spät.

Der vor zwei Jahren spürbare Widerstand gegen so etwas banales wie kurzhaarige Elben in Die Ringe der Macht zeigte deutlich, dass die Jackson-Trilogie zum Teil eine allumfassende Ästhetik über die Filme aus dem Hause Warner hinaus in den Köpfen diktiert. Traut man sich da überhaupt noch an abweichende oder gar experimentelle Formen von Tolkien-Adaptionen? Oder ist die Strahlkraft der einen Filmreihe, inklusive haariger Hobbit-Füße, Mittelscheitel-Elben und dem Balrog-Design, einfach zu stark?

Eine andere Tolkien-Vision aus den 70ern: Der Balrog im Film von Ralph Bakshi

Ein Heilmittel könnte darin liegen, zur Abwechslung jemand anderen als Tolkien-Illustrator John Howe als Concept Designer heranziehen, dessen Kunst seit 20 Jahren den Ton angibt. Auch Howard Shore muss nicht als Erstes gefragt werden, ob er wieder den Soundtrack beisteuern kann. Und mit Sicherheit täte es Mittelerde mittlerweile gut, einen anderen Gollum als immer nur die von Serkis perfektionierte Interpretation zu sehen.

Ja, die Herr der Ringe-Trilogie war und ist super. Serkis war fantastisch, er hätte einen (bisher nicht existierenden) Motion-Capture-Oscar dafür bekommen müssen. Es ist 20 Jahre her – der Nächste, bitte!

Narrenhoffnung kommt aus dem Osten angaloppiert

Vor der Schlacht von Helms Klamm meinte Gandalf zu seinen Verbündeten, man solle am dritten Tag Hilfe suchend gen Osten blicken. Wie passend, denn das mit Abstand spannendste Herr der Ringe-Projekt, mit dem die Chance diverser Stimmen und Design-Entscheidungen am wahrscheinlichsten wahrgenommen wird, soll noch dieses Jahr kommen – und zwar aus dem fernöstlichen Japan.

Dort arbeitet Regisseur Kenji Kamiyama mit seinem Team an The Lord of the Rings: The War of the Rohirrim, einem Anime-Film über die Pferdeherren von Rohan zur Zeit von König Helm Hammerhand, mit Fokus auf dessen Tochter.

Der Film soll schon am 12. Dezember 2024 in die deutschen Kinos kommen und könnte der kreative Hoffnungsschimmer sein, den Mittelerde auf der Leinwand nötig hat. Vielleicht ist es aber auch nur eine "eines Narren Hoffnung", wie Gandalf sagen würde.

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