Grabt den Klappstuhl wieder ein: 3 Gründe, warum Der Schuh des Manitu noch nie lustig war

20.04.2024 - 09:00 UhrVor 10 Tagen aktualisiert
Der Schuh des Manitu
Constantin Film
Der Schuh des Manitu
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Mit Das Kanu des Manitu will Michael Bully Herbig seinen Kino-Hit von 2001 nach über 20 Jahren fortsetzen. Dabei war Der Schuh des Manitu schon damals nicht lustig.

Über Humor lässt sich bekanntlich streiten. Seine Grenzen erreicht er aber immer dann, wenn andere Menschen davon Schaden nehmen. Mit Der Schuh des Manitu hat Michael "Bully" Herbig nicht nur den erfolgreichsten deutschen Film seit dem Mauerfall ins Kino gebracht, sondern auch sehr viel Schmerz in Menschen verursacht. Denn Der Schuh des Manitu hat dazu beigetragen, dass Stereotype bestimmter Menschengruppen aufrechterhalten oder gar bestärkt werden. Auch wenn die Welt vor 23 Jahren anders aussah als heute, war dieser Humor damals schon nicht lustig.

Wie man auf die Idee kommt, diesen Film Jahrzehnte später fortzusetzen, hinterlässt eine Reihe von Fragezeichen. Dass das Aufwärmen von Karl Mays Winnetou-Geschichten heutzutage in Kontroversen endet, hat vor drei Jahren der Kinderfilm Der junge Häuptling Winnetou bewiesen. Nun kann Bully natürlich nichts unterstellt werden, was noch nicht geschehen ist, denn womöglich wird Das Kanu des Manitu ganz anders und zeitgemäßer als sein Vorgänger – zumal Bully schon selbst gelobt hat, dass man den Film dem Zeitgeist anpassen müsse. Deshalb haben wir den Klappstuhl von 2001 nochmal ausgegraben und diesen etwas genauer unter die Lupe genommen.

Kritikpunkt Nr. 1: In Der Schuh des Manitu sind indigene Menschen nicht nur weiß, sondern auch rückständig

Die Debatte, welche Schauspieler:innen welche Rollen spielen dürfen, hat in den letzten Jahren erst richtig an Fahrt aufgenommen. Anfang der 2000er war sie noch nicht im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Jetzt scheiden sich die Geister: Auf der einen Seite vertreten manche Menschen die Auffassung, dass es in der Natur des Schauspiels liegt, wandelbar in jede Rolle zu schlüpfen. Auf der anderen Seite herrscht die Meinung, dass Kultur als Kostüm diskriminierende Stereotype stärkt und marginalisierten Gruppen der Möglichkeit beraubt, selbst authentisch in Film und Fernsehen stattzufinden.

So schreibt die indigene Autorin Crystal Echo Hawk in einem Gastbeitrag für Variety  über authentische Darstellung im Hollywood-Kino:

Negative und nicht akkurate Stereotypen und Themen und systematische Auslöschung haben falsche Wahrnehmung, Haltungen und Verhaltensweisen gegenüber indigenen Menschen gefördert. [...] Die Geschichten, die Hollywood auswählt zu erzählen, spielen eine große Rolle darin, wie Menschen wichtige soziale Probleme und diverse Communities verstehen und wahrnehmen. Deshalb müssen wir authentische Repräsentation von indigenen Menschen und die Inklusion von diversem Storytelling fördern.

Während Filme wie Martin Scorseses Killers of the Flower Moon zuletzt gezeigt haben, wie eine authentische Besetzung vor der Kamera aussehen kann, gehen gefeierte Serien wie Reservation Dogs sogar einen Schritt weiter und bringen diese Authentizität hinter die Kulissen zum Vorschein. Indigene Menschen produzieren die Serie, nehmen auf dem Regiestuhl Platz und sind am Drehbuch beteiligt. Dadurch haben sie einen großen Einfluss auf die Darstellung der Figuren und darauf, wie welche Geschichten erzählt werden.

Der Schuh des Manitu

Dass Bully als weißer Mann in Der Schuh des Manitu gleich zwei indigene Menschen verkörpert, ist nur der Anfang. Noch problematischer gestaltet sich, wie er seine Figuren inszeniert. Winnetou-Ersatz Abahachi wird im Vergleich zu Ranger (Christian Tramitz), der den Cowboy Old Shatterhand aus Karl Mays Geschichten vertritt, als tollpatschig und dumm gelesen. Abahachi ist in den Wegen seines Volkes verhaftet. Spurenlesen und auf der Lauer liegen: Ranger sieht das als rückständig an. Er vertritt in diesem Gefälle die Identifikationsfigur der Zuschauenden, die über Abahachi und seiner Kultur steht. Dass sich Uschi (in sich ein anderes Problem – dazu später mehr) am Ende für Ranger entscheidet, setzt diesem Gefälle schließlich die Krone auf.

Genau wie mit Abahachi und Ranger verhält es sich mit dem Stamm der Schoschonen, der gegen die Cowboys um Santa Maria (Sky du Mont) ausgespielt wird. Bully zieht zwar über beide Gruppen her und verkauft auch Santa Marias Crew weitgehend für dumm. Dennoch wird diese fortschrittlicher, gesitteter und klüger in Szene gesetzt als die Schoschonen, die auf ihrem eingelaufenen Pony mit Kriegsgeschrei absolut keine Gefahr darstellen. Auch auf einem Trittwagen machen sie keine bessere Figur. Anstatt diese Klischees um weiße Siedler:innen und indigene Völker als Parodie aufzubrechen und umzukehren, werden die Stereotype in Der Schuh des Manitu nur gefestigt.

Kritikpunkt Nr. 2: In Der Schuh des Manitu wird die einzige weibliche Figur extrem sexualisiert

Zugegeben, auch Peter Jacksons Der Herr der Ringe-Trilogie kann den Bechdel-Test nicht bestehen. Dieser besagt, dass mindestens zwei Frauen in einem Film mit Namen vorkommen und sich miteinander über etwas anderes als Männer unterhalten müssen. Das schaffen Arwen, Éowyn und Rosie nicht. Dass sich in Der Schuh des Manitu im Jahre 2001 nur eine zentrale Frauenfigur befindet (eine weitere ist mit Anke Engleke nur circa 5 Sekunden lang zu sehen) könnte man irgendwie verzeihen und auf die damalige Zeit schieben – oder auf die nicht weniger frauenlosen Winnetou-Filme, die dieser Spaß parodiert.

Der Schuh des Manitu

Wenn diese eine Frau dann aber allein schon durch ihren Namen, Uschi (Marie Bäumer), dermaßen sexualisiert wird und der Witz darin besteht, ihre Kleider im Mondschein zu verstecken und ihren nackten Oberkörper ohne Gesicht auf einem Foto abzulichten, dann ist das auch für 2001 nicht verzeihbar. Außerdem ist Uschi als reines Love Interest – zuerst von Abahachi, später von Ranger – ohne eigene Agenda in Schuh des Manitu zu sehen. Frauen einen Charakter und adäquate Kleidung zu geben und trotzdem lustig zu sein, haben zu der Zeit tatsächlich schon andere Filme geschafft.

Kritikpunkt Nr. 3: In Der Schuh des Manitu sind queere Menschen Witzfiguren

In Winnetouch werden alle Klischees vereint, die Anfang der 2000er Jahre über schwule Männer im Umlauf waren: pinke Kleidung, geknicktes Handgelenk, hohe Stimme, Interesse an Kunst und Mode, laszive Blicke in Richtung anderer Männer. Einen Mann mit eher weiblich konnotierten Zügen zu zeigen, ist an sich nicht das Problem. Nur wird Winnetouch gezielt als Humorträger eingesetzt, über den sich Ranger und die Zuschauenden lustig machen können. Wie Ranger Winnetouch bei ihrem ersten Treffen über Minuten hinweg geschockt und ungläubig anstarrt, spiegelt erneut die Sicht, die auch im Publikum vorherrschen soll.

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Was bleibt, ist der Eindruck, dass homosexuelle Menschen Witzfiguren sind, die nicht ernst genommen werden können. Die Figur löst bis heute bei zahlreichen queeren Menschen Unbehagen und schmerzhafte Erinnerungen aus. Bei der Ankündigung zu Das Kanu des Manitu teilten einige ihre Erfahrungsberichte, wie sie damals unter dieser öffentlichen Darstellung von Queerness litten.

Im Podcast Galerie Arschgeweih  sprechen queere Personen über Der Schuh des Manitu. Darin fallen Sätze wie "Ich habe das erste Mal so etwas wie Scham für mich selbst empfunden" und "Ich habe damals schon gespürt, dass diese Witze auf mich abzielen könnten, wenn ich mich auf eine Weise verhalte, die als weiblich gelesen wird."

Ein User auf Instagram  kommentierte dagegen unter dem Ankündigungspost von Bully:

Der Schuh des Manitu war damals, zusammen mit Traumschiff Surpirse, der Grund, wieso sich über mich als queeres Kind lustig gemacht wurde, ich wurde nachgeäfft und Winnitouch genannt – da war 'Bullying' auf jeden Fall Programm. Die Glorifizierung dieses Films bis heute kann ich mit der ganzen Queerfeindlichkeit und rassistischen Darstellung überhaupt nicht nachvollziehen.

Vielleicht sollte Bully den Klappstuhl besser einfach wieder vergraben und sich etwas Neues ausdenken, anstatt diese veraltete Parodie aufzuwärmen. Humor hat schließlich mehr zu bieten, als Minderheiten durch den Kakao zu ziehen. Aber wer weiß, vielleicht überrascht uns Das Kanu des Manitu, wenn der Film am 14. August 2025 in die deutschen Kinos kommt. Eine Parodie kann auch lustig sein, ohne Menschen zu verletzen.

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