Hauptdarsteller Jamel Debbouze im Interview

28.07.2009 - 09:00 Uhr
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Jamel Debbouze spricht über die Dreharbeiten zu Erzähl mir was vom Regen, seinen Balanceakt zwischen Comedy und ernsthaftem Schauspiel und dem alltäglichen, unterschwelligen Rassismus im Alltag.

In Agnès Jaoui Komödie Erzähl mir was vom Regen spielt der in Frankreich sehr beliebte Comedian und Schauspieler Jamel Debbouze die Rolle des Karim, eines jungen Hotelangestellten, der mit einem Film über die emanzipierte Politikerin Agathe auf Heimatbesuch seine große Filmkarriere starten will.

Hier einer der Teaser zum Erzähl mir was vom Regen:

Wie verlief die Begegnung mit Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri?

Als ich im Fernsehen die Zeremonie der César-Verleihung verfolgte und Jean-Pierre Bacri seine Trophäe entgegennahm, verlor er ein paar sehr nette Worte über eine Sendung von mir, die kurz zuvor ausgestrahlt worden war. Das hat mich sehr berührt. Wenig später habe ich mich bei ihm gemeldet, weil ich sein Kompliment unbedingt von ihm persönlich hören wollte. Folglich habe ich unser Treffen ein wenig provoziert, man muss jedoch sagen: Er hat es ja schließlich so gewollt! Und wenn du erst einmal Jean-Pierre triffst und nicht allzu ungeduldig bist, dann begegnest du früher oder später auch Agnès: Die beiden verbringen nämlich viel Zeit miteinander!

Wie war Ihre Reaktion, nachdem Sie das Drehbuch zu Erzähl mir was vom Regen gelesen hatten?

Ich habe mir gesagt: “Das ist ja phantastisch! Ich kann Mitglied ihrer Familie werden!” Davon hatte ich immer geträumt, und nun boten sie mir eine solche Gelegenheit gleichsam auf dem Silbertablett an – und das mit einer Rolle, die mir genau auf den Leib geschrieben war! Die Figur des Karim ist mir nämlich sehr ähnlich, er steht mir durchaus nahe.

Die Rolle des Karim mag zwar wie maßgeschneidert sein, jedoch hat man Sie noch nie so anrührend erlebt…

Vor allem hatte ich noch nie zuvor eine so erwachsende Figur gespielt. Aber gerade deshalb sage ich, dass mir die Rolle auf den Leib geschrieben war: Agnès und Jean-Pierre kannten mich gut, und sie wussten, dass ich die Rolle meistern würde. Sie begegneten mir mit großer Fürsorge und viel Wohlwollen. Sie mögen mich wirklich und wissen, was mich bewegt. Wir sind Freunde fürs Leben mit allem, was das bedeutet. Sie haben bei mir das gesucht, was ihnen gefällt: Ich habe mir etwas Kindliches bewahrt, und ich hoffe, ich werde es mein Leben lang behalten.

Bei diesem Film hatte ich jedoch das Gefühl erwachsen geworden zu sein, mit all den Infragestellungen, all dem Unbehagen, das damit einhergeht und das ich bislang lieber verdrängt hatte. Richtig ist aber auch, dass man mir nie zuvor die Gelegenheit gegeben hat, das auch zu spielen.

Wie haben Sie diesen “Übergang zum Erwachsensein” erlebt?

Am schwierigsten fand ich es, mich soweit in den Griff zu bekommen, auf alle übertriebenen Gesten zu verzichten, auf diese natürlichen Reflexe, die wir wohl alle haben. Wenn ich vor mir eine Kamera sehe, dann neige ich sofort dazu, einen Schönling oder einen Mafiatypen zu mimen: Ich runzle die Stirn, setze einen todernsten Blick auf und dergleichen mehr… Agnès hingegen hat versucht, mich weicher, ja weiblicher zu machen. Sie hat eine Sensibilität, die mir sehr gefällt, und sie weiß, wie sie für eine bestimmte Szene das Beste aus dir herausholt. Sie ist von großer Sanftmut, stets aufnahmebereit und sie versteht es, dir Sicherheit zu geben. Sie findet auf Anhieb die richtigen Worte, die notwendig sind, um aus einer verfahrenen Situation wieder herauszukommen oder um ein Hindernis zu überwinden. Da sie selbst Schauspielerin ist, hat sie ein Gespür für das Wesentliche.

Und dann hat sie ja auch noch Jean-Pierre an ihrer Seite. Zwischen den beiden herrscht eine unglaubliche Verbundenheit. Sie weiß immer, was sie will, und ihm fällt stets noch irgendetwas dazu ein. Man selbst bekommt nur das Ergebnis ihrer Überlegungen mit und fühlt sich wie auf einem Königsthron: Zwei großartige Schauspieler haben sich verständigt, dir die Anweisungen für das Spiel zu geben… Agnès und Jean-Pierre sind wie zwei Dirigenten mit ihrer Partitur: Sie haben das Drehbuch geschrieben, gehen darin auf und haben es vor Augen. Das ist wie Musik!

Karim spricht an einer Stelle von der “ganz gewöhnlichen Demütigung”. In dieser Formel scheint ein wesentliches Element des Films zusammengefasst zu sein…

Es gab da einen kleinen Vorfall, der mich sofort für Agnès und Jean-Pierre eingenommen hat: Eines Tages bin ich zu spät zu einer Verabredung im Restaurant erschienen, weil ich von der Polizei kontrolliert worden bin, wie mir das schon tausendmal passiert ist. Ich habe ihnen das erzählt, um so meine Verspätung zu erklären. Wir haben viel über die unterschwelligen Demütigungen gegenüber Ausländern gesprochen, zum Beispiel in Bezug auf den Rassismus der Brotverkäuferin, die der weißen Dame den Vortritt vor der schwarzen lässt… Diese Art der Herablassung gehört zu den übelsten Erscheinungen unserer Zeit, und man kann sie nicht genug anprangern.

Was Karims Mutter im Film widerfährt, das hat meine Mutter ihr Leben lang erdulden müssen: Sich von der Apothekerin duzen zu lassen, das ist vielleicht an sich nicht sonderlich schlimm. Wenn man aber Sätze wie “Liebt Frankreich oder verlasst es!” zu hören bekommt, dann ist das etwas anderes. Ich bin hier zuhause. Trotzdem verlangt man von mir immer wieder, mich zu rechtfertigen. Ich bin zwar noch relativ gut dran, dennoch erlebe ich von Zeit zu Zeit diese Erniedrigungen. Können Sie sich vorstellen, wie das für die anderen sein muss?

So jedenfalls sieht unsere tägliche Erfahrung aus, und die ist gefährlich, schädlich und tut weh. Ich finde es gut, wie Agnès und Jean-Pierre dieses Übel des 21. Jahrhunderts behandeln: Sie werfen den Blick auf Details, denn der Teufel steckt im Detail. Sie haben keine vorgefertigten Meinungen und haben den Menschen als solchen im Auge.

Karim wird am offensichtlichsten mit dieser unterschwelligen Demütigung
konfrontiert, doch auch die anderen Figuren im Film erleben sie in ihrem Umfeld…

Natürlich. Das ist es ja gerade, was mir an den Texten von Agnès und Jean-Pierre, an ihrer Sichtweise auf die Dinge des Lebens so gut gefällt: Sie haben begriffen, dass der Mensch wie ein Tier im Dschungel ist und dass es gewisser Anstrengungen bedarf, um sich zivilisiert zu verhalten. Das Thema des Films ist die Fürsorge, also die Anstrengung, sich Gedanken darüber zu machen, warum es dem anderen vielleicht nicht so gut geht, und seine Lebensumstände zu verstehen.

Glauben Sie, dass Karim Aurélie wieder treffen wird?

Natürlich wird er sie wieder sehen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche! Karim hat sich in einem Alltag eingerichtet, der ihm nicht wirklich gefällt. Er lebt so, wie die meisten Leute es eben tun: mit Scheuklappen und ohne sich allzu viele Fragen zu stellen. Und da begegnet ihm auf einmal dieses Mädchen, das er umwerfend findet und ihn dazu bringt, seine Deckung aufzugeben und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Mit einem Schlag ist alles nicht mehr so schlimm, selbst eine Kirche kann er betreten. Denn hier spricht das Herz, das sich über alle Dogmen und Prinzipien hinwegsetzt: Jetzt zählen nur noch seine Gefühle, seine innere Wärme. Er lässt sich von diesem Mädchen leicht verführen, und damit letztlich auch von sich selbst.

Das Gespann Jaoui/Bacri/Debbouze könnte einem befremdlich vorkommen, so auf den
ersten Blick …

So etwas nennt man eben ein Vorurteil!

Mit Material der Alamode Film.

Erzähl mir was vom Regen startet am 30. Juli 2009 in den deutschen Kinos.

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