Ich, Mephisto & die Gleichschaltung der Kunst

02.08.2016 - 09:20 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Mein Herz für Klassiker geht heute an Mephisto, ein ungarisch-deutsches Meisterwerk über die nationalsozialistische Gleichschaltung des deutschen Theaters, das 1982 den Oscar als bester ausländischer Film nach Ungarn brachte.

"Welche Schauspiel! Aber ach! Ein Schauspiel nur!"
Hendrik Höfgen fristet sein Dasein als Provinzschauspieler auf einer Theaterbühne in Hamburg. Wenn auch unzufrieden mit der begrenzten Reichweite seiner Darbietungen, gibt er dennoch alles, und arbeitet mit seinen Kollegen an einer revolutionären Form des Theaters, die den Zuschauer mehr einbauen und so voll in seinen Bann ziehen soll. Der verhoffte Karrieresprung kommt mit einer Einladung des Berliner Staatstheaters, das Hendrik eine Stelle anbietet. Er nimmt begeistert an und geht nach Berlin, seine Ambitionen für das revolutionäre Theater lässt er zurück.

In einer Montage wird Hendrik uns in verschiedensten Rollen präsentiert, mit denen er sich aus der Obskurität zu einem der meist respektierten Schauspieler Deutschlands mausert. Seine Paraderolle kommt durch eine Aufführung von Goethes Faust, in der er Fausts Mentor und Diener mit bösartigen Hintergedanken spielt, der Klaus Mann und István Szabó den Titel für Buchvorlage und Verfilmung gab: Mephisto. In einem der besten Momente des Films lässt Klaus Maria Brandauer als Höfgen nach der Darbietung eines von Mephistopheles' Monologen kurz die Fassade fallen, und zwinkert seinem Mitdarsteller mit dem Publikum zugedrehten Rücken zu. Offenbar ist er ebenso von seiner Darstellung überzeugt wie die Zuschauer.

"Alle Nationalsozialisten sind Lumpen."
Mephisto ist Hendriks Lieblingsrolle, doch sein Leben gleicht eher dem des Doktor Faustus, der für eine Bildung jenseits dessen, was sonst für ihn erreichbar gewesen wäre, einen Pakt mit dunklen Mächten eingeht. Diese werden hier vom Deutschen Reich verkörpert, denn Mephisto spielt während der Machtergreifung der Nationalsozialisten in den frühen 1930er-Jahren, und beschäftigt sich in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg vorwiegend mit der Gleichschaltung, die essenziell für ihren Machterhalt war.

Seien es Bücherverbrennungen, die Beseitigung 'entarteter Kunst', das Verbot bestimmter Musikrichtungen oder die Übernahme der Studios in Babelsberg: Kunst musste "deutsch" sein und den Geist des Nationalsozialismus vertreten. So auch das Theater, das die ständig wachsende Liste an verbotenen Stücken aus seinem Programm nehmen musste, um dem "Kulturbolschewismus" ein Ende zu setzen. Wenigstens Shakespeare wurde zum völkischen Autor ernannt, um sich unter diesem Vorwand doch noch an nicht-deutschen Autoren bedienen zu können.

Um seine Karriere nicht zu gefährden, muss Hendrik sich mit den Nazis gut stellen. Seine Abneigung gegenüber ihrer Politik macht er vor ihrer Herrschaft deutlich, und auch währenddessen bleibt er im Privaten ihrer Verunstaltung der deutschen Kultur gegenüber kritisch. Doch als bedeutender Schauspieler bekommt er vom preußischen Minister Nachsehen für seine links angehauchte Vergangenheit, und hat einen Platz in der Theaterlandschaft sicher, solange er sich nur benimmt.

"Blut ist ein ganz besond'rer Saft."
Diese Sicherheit bleibt vielen seiner Bekannten verwehrt. So wie die meisten Intellektuellen fliehen sie ins Ausland und gehen dort ihrer Arbeit nach oder leisten Widerstand. Selbst Hendriks Gattin flüchtet, ebenso wie seine Geliebte Juliette, eine in Deutschland geborene Frau mit einem schwarzen Vater, die trotz der Umstände auf ihre Identität als "Deutsche Negerin" besteht. Durch seinen Status kann Hendrik ihr eine sichere Flucht ermöglichen. Einen ähnlichen Schutz will er für einen seiner Kollegen erreichen, dieser hält aber nicht lange, und Hendrik merkt schnell die Einschränkungen seiner Position.

Hendrik versucht, die Geschehnisse zu relativieren, und weigert sich, anzuerkennen, was genau vor seinen Augen passiert. Ein ihm eigentlich verhasster Kollege, Niklas, geht währenddessen seinen Weg in die entgegengesetzte Richtung. Seine Stellung als überzeugter Nationalsozialist kostet ihn vor der Machtübernahme auf Hendriks Drängen hin seinen Job als Schauspieler. Unter der Herrschaft der Nazis betreut er eine eigene Fraktion der Hitler-Jugend und wird wieder auf die Bühne gelassen. Doch Niklas ändert seine Einstellung zum Regime, und will Hendrik für den Widerstand gewinnen. Dafür wird er abgeführt, erschossen und sein Tod plump als Autounfall verkauft, eine Farce, die selbst Hendrik vorgibt, zu glauben.

"Alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt..."
Seine Bereitschaft zum Verrat der eigenen Werte scheint sich auszuzahlen, als Hendrik zum Staatsintendanten ernannt wird und den Weg des Deutschen Theaters als Organisator mitbestimmen darf. Ihm wird die Aufgabe zuteil, Zuschauer mit einem immer stärker begrenzten Programm anzulocken, und in einer zweiten Montage wird klar, wie elend es ihm abseits der Bühne geht. Das Schauspiel war einst seine große Leidenschaft, jetzt dient es ihm nur noch als Ablenkung von seinem tristen Alltag.

Mephisto endet schließlich mit Hendrik in der Mitte des Olympiastadions, umgeben von Rampenlichtern, die seine Einsamkeit und Isolation nur noch weiter hervorheben. Eigentlich steht er kurz vor der Erfüllung seiner Träume, doch überwältigt von dem Eigenverrat und den Opfern, die er zuließ, taumelt er verwirrt über die Bühne, auf der ihn bald Millionen beobachten sollen.

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