Marriage Story bei Netflix: Ein Ritt durch die Hölle, der sich lohnt

08.12.2019 - 09:14 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Marriage Story mit Adam Driver und Scarlett Johansson
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Marriage Story mit Adam Driver und Scarlett Johansson
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Marriage Story mit Adam Driver und Scarlett Johansson könnt ihr jetzt bei Netflix streamen - und ja, das Drama ist genauso gut, wie sein schillernder Cast vermuten lässt.

Adam Driver und Scarlett Johansson nehmen in Hollywood eine Ausnahmestellung ein, denn beide Darsteller schaffen es offenbar mühelos, sich sowohl in Mega-Blockbustern als auch in realistischen Dramen zu behaupten. Womöglich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Stars einmal vor der Kamera zusammentreffen und genau das passiert nun in Noah Baumbachs fantastischer Marriage Story.

Dabei entpuppt sich der Titel des Dramas bald als Mogelpackung: Im Zentrum der Geschichte steht weniger eine Ehe als vielmehr ein hässlicher Scheidungsprozess, den Superkräfte und Lichtschwerter kaum verkürzen könnten. Das mit anzusehen ist bitter, denn hier lernen die Beteiligten einander erst hassen, nachdem der Entschluss zur Trennung bereits gefallen ist.

Marriage Story auf Netflix: Szenen einer Scheidung

Johansson verkörpert die Schauspielerin Nicole, die in ihrer Ehe mit Theater-Regisseur Charlie (Driver) eigene Bedürfnisse oft hinten angestellt hat - zu oft. Dies betrifft ihre beruflichen Ambitionen wie auch den Wohnort des Paares: Mittelfristig wollte Nicole zurück in ihre Heimat Los Angeles, die florierende Karriere ihres Mannes hielt sie aber im nicht ganz so geliebten New York.

Marriage Story: Laura Dern und Scarlett Johansson

Jetzt stehen Charlie und Nicole vor den Trümmern ihrer Beziehung, das Ungleichgewicht ist nicht länger stemmbar. Unter anderem gilt es, sich über das Sorgerecht für Sohn Henry (Azhy Robertson) zu verständigen und zunächst scheint eine gerechte Lösung sogar greifbar nah, denn das Paar will im Guten auseinandergehen. Dann kommen die Scheidungsanwälte ins Spiel und beschmutzen jeden Versuch eines sauberen Kompromisses.

Die schillerndste Figur in dem Drama, das jetzt folgt, ist ohne Zweifel Laura Dern als Nicoles Rechtsbeistand Nora Fanshaw. Sie kämpft mit harten Bandagen und führt die innerlich eben doch stark aufgeladene Nicole behutsam in eine Schlammschlacht. Irgendwann hat Charlie keine Wahl mehr und legt sich mit Jay (Ray Liotta) einen genauso skrupellosen Anwalt zu, bevor er nicht nur seinen Sohn, sondern auch noch den Rest seines Vermögens verliert.

Marriage Story: The winner takes it all

Durch Nora zeigt uns Noah Baumbach: Scheidung ist ein Geschäft, das nur Gewinner und Verlierer kennt. Das Prozedere wird dominiert von der Annahme, jeder sei ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedacht, womit es Charlie und Nicole aber gerade nicht entgegenkommt. Dennoch müssen die Protagonisten das formale Verfahren durchlaufen, um miteinander abschließen zu können.

Nora ist einerseits eine ziemlich abstoßende Figur, verlangt uns durch die Unbeirrtheit, mit der sie Nicole eine Zukunft ebnet, unweigerlich aber auch Bewunderung ab. Sie weiß: Wenn Frauen nicht den Ellenbogen ausfahren, bleiben sie in diesem Geschäft auf der Strecke. Mit Laura Dern, deren Spielfreude den Film noch mal auf ein höheres Level hebt, will sich in Marriage Story jedenfalls niemand anlegen. Zu Recht.

Scarlett Johansson und Adam Driver auf Netflix: Erinnerungen an die Liebe

Trotz allen Grabenkämpfen, die Marriage Story zeigt, ist der Film insgesamt keineswegs zynisch oder nihilistisch. Am Anfang und Ende der Geschichte steht die Frage, was Nicole und Charlie ursprünglich zusammengeführt hat und was davon vielleicht sogar noch immer übrig ist. Anders gesagt: Der Ritt durch die Hölle wird belohnt.

Marriage Story bei Netflix: ein Symbolbild.

Achtung, Spoiler zu Marriage Story: Als entscheidender Baustein des Dramas erweist sich nun eine Maßnahme aus der Paartherapie, die beide zu Beginn des Films absolvieren. Charlie und Nicole sollen die positiven Eigenschaften des jeweils anderen notieren, Charlie jedoch bricht den Versuch ab. In einer der letzten Szenen des Films liest er schließlich, was Nicole über ihn schrieb und seine Ergriffenheit über ihre ehrlichen Worte ist unvermeidlich auch die des Zuschauers.

Mit der Szene macht sich Marriage Story geschickt einen ikonischen Moment aus dem Klassiker Die Nacht zu eigen, in dem sich Marcello Mastroianni nach vielen Jahren Ehe nicht mehr an einen Liebesbrief an seine Frau erinnert, welchen er einst selbst schrieb. Wo Michelangelo Antonioni aber die Entfremdung eines Ehepaars statuiert, zelebriert Baumbach ein Band der Zuneigung zwischen Nicole und Charlie, das noch immer nicht ganz gerissen ist.

Überhaupt steht Marriage Story in der Tradition großer Autorenfilme der 1960er und 1970er Jahre - der Vergleich zu Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe drängt sich beispielsweise in dem einen oder anderen schonungslosen Dialog auf. Ein ehrlicheres und auch zeitgemäßeres Beziehungsdrama über den Horror einer Trennung war in diesem Jahr nirgends zu finden.

Habt ihr Marriage Story auf Netflix schon gesehen?

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