Ring vs. Grudge - Viel Spaß, ein bissel Horror in Sadako vs. Kayako

15.10.2016 - 14:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Selbstbildnis der Autorin nach dem Midnight-ScreeningKadokawa
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Ring trifft auf Grudge im spaßigen Horror-Mashup Sadako vs. Kayako und Faust auf Schädel in Headshot mit The Raid-Star Iko Uwais.

Diesmal dauert es nur zwei Tage, bis der rachsüchtige VHS-Geist Sadako sein Versprechen wahrmacht, und damit ist die Stimmung des Mashups Sadako vs. Kayako schon vorgegeben. Das Treffen der beiden schwarzhaarigen J-Horror-Giganten bringt keine Geduld für sieben Tage Ungewissheit und Todesangst mit. Ergebnisse müssen her, Opfer in den Selbstmord getrieben oder von Hausgeistern verschlungen werden. So bleibt wenig Zeit, die Mythologien rund um Ring - Das Original und Ju-on: The Curse weiterzuentwickeln, aber das hat seine Vorteile. Das schleichende, psychologische Grauen wird in dem Film von Kôji Shiraishi (Grotesque) durch slapstickhaften Körperhorror ersetzt. Denn warum ein Geheimnis um Geister spinnen, die sowieso jeder kennt. Sadako vs. Kayako ist halb spaßiger Aprilscherz, halb feuchter Traum eines Produzenten und ein bissel Horror drängt sich manchmal auch ins Bild.

Sadako vs. Kayako trägt gleichzeitig ein 98 Minuten langes Plädoyer vor, die durch Bücher, Filme, TV-Serien und US-Remakes schlurfenden und krabbelnden großen Damen des modernen japanischen Horrorfilms endlich zu verrenten. Lasst sie ihren Lebensabend im Tägermedium bzw. Häuschen ihrer Wahl verbringen, ungestört von charakterbefreiten japanischen Twentysomethings! Zwei davon besuchen in dem Mashup eine Vorlesung über urbane Legenden, bevor sie durch einen Zufall an einen Videorekorder mit Tape gelangen (wie praktisch!) und nacheinander den Fluch von Sadako auf sich ziehen. Hilfe versprechen sie sich bei ihrem Professor, einem echten Fanboy von Sadako, der das Video erstmal selbst ausprobiert ("In zwei Tagen zu sterben ist okay."). Erst wird ein Medium zu Rate gezogen, das seine Methoden zur Beruhigung verängstigter Klienten bei Leslie Nielsens Doktor in Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug abgeschaut hat. Dann betritt Masanobu Ando als Geisterjäger Keizo zusammen mit seiner kleinen blinden Begleiterin Tamao (Mai Kikuchi) die Szenerie und Sadako vs. Kayako legt allen Anschein seriösen Horrors ab. Zum Glück, denn Keizo und Tamao entwerfen nicht nur den genialischen Plan, Sadako durch die Begegnung mit einem ebenbürtigen Geist auszuschalten. Sie bringen auch eine gebührende Portion Unlust mit, sich überhaupt mit den willfährigen Opfern zu beschäftigen. Als hätte er gerade alle Ring- und Ju-On-Filme hintereinander gesehen, bannt Keizo Geister mit überdrüssig geschwungenen, ja hingerotzten Handzeichen. Wer kann es ihm nach zwei Jahrzehnten der Franchise-Ausbeutung verübeln?

Wäre Sadako vs. Kayako der letzte Film beider Reihen, gäbe er wohl keinen würdigen Abschluss ab. Andererseits hat es Vorzüge, Origin Stories auszuklammern und Sadako und Kayako das sein zu lassen, was sie sind: entmenschlichte, mordlustige Rachegeister. Ebenfalls lobenswert: Sadakos Digitalisierung spielt nur eine Nebenrolle, das Internet wird für den besten One-Liner des Films verbraten und entsorgt. Ein Sadako vs. Kayako 2 braucht es - Sadako, Kayako, wir Zuschauer - aber wirklich nicht.

Headshot

Was ist gruseliger als Sadako vs. Kayako zu schauen? Gegen vier in der früh vom Midnight-Screening beim Filmfestival in Sitges zum Hotel schlendern, ins Bett fallen und eine halbe Stunde später aufschrecken, weil du in deinem zappendusteren Hotelzimmer jemanden atmen hörst. Ein totes japanisches Mädchen fand ich in meinem Zimmer leider nicht [Bitte diesen Satz nur mit Kontext zitieren, Anm. d. Verf.]. Dafür war ich zum ersten Mal dem penetranten Regen dankbar, der die Stadt in der letzten Woche in Beschlag genommen und die röchelnde Geräuschkulisse aus der Nachbarschaft übertönt hatte.

Sadako vs. Kayako genießt der tolerante J-Horror-Liebhaber wohl am besten in so einem Midnight Screening samt Jubel und Applaus bei jeder Tötungsszene. Beim indonesischen Actioner Headshot (nicht zu verwechseln mit dem thailändischen Headshot von 2011) kam das Publikum gar nicht mehr aus dem Klatschen heraus. Iko Uwais aus The Raid wird in dem Film der "Mo Brothers", Timo Tjahjanto und Kimo Stamboel (Macabre), mit Kopfschuss an einen Strand gespült, ohne Erinnerung und mit einem von Narben durchfurchten Körper. Die Freundschaft mit seiner Ärztin lässt den nun Ishmael getauften Patienten verschnaufen, bevor seine alten Kollegen vorbeischauen, die ihn tot sehen wollen. Dann zieht Iko Uwais das durch, was er am besten kann: Mobiliar als Waffe einsetzen, die Beine um die des Gegners schlingen und dessen Knochen brechen, bis er aussieht wie die zuckende Skulptur eines chiropraktisch veranlagten Künstlers. Flink unter, zwischen und über Tische robben, blitzschnell Ellbogen in Kiefer rammen, Knie gegen berstende Brustkörbe. Und das sind nur die Aufwärmübungen.

Headshot bietet all das und mehr in einem je nach Sichtweise konventionellen oder klassischen Actionplot mitsamt einer angenehm simplen Liebes- und Charaktergeschichte. Die Mo Brothers fürchten weder Sentimentalität noch Gehirnmasse, eine ideale Mischung für die Regisseure eines Actionfilms, in dessen Universum Ironie oder sonstige Selbstreflexion nur den Bösen zugesprochen wird. Mit Iko Uwais steht ihnen der seltene Typus des Martial Arts-Stars zur Verfügung, der einen Schädel in Rage zu Brei schlagen und schüchtern flirten kann (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge). Sein Ishmael will ein besser Mensch sein. Einen weiteren Charakterausbau benötigt es nicht, um der Lust an den extrem brutalen und abwechslungsreichen Fights die Absolution zu erteilen. Headshot bietet 100 Prozent Actionbefriedigung.

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