Robin Williams - Die Inspiration auf zwei Beinen

13.08.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Robin Williams in Insomnia
Warner
Robin Williams in Insomnia
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Er spielte Kindermädchen, spinatsüchtige Seemänner und leidenschaftliche Lehrer. Am Montag ist Robin Williams im Alter von 63 Jahren gestorben. Wir verbeugen uns vor dem vielseitigen Entertainer.

An Würdigungen fehlte es der Karriere von Robin Williams nicht. Vergleichsweise früh stellte der ausgebildete Schauspieler, der als Standup-Komiker und Sitcomstar berühmt wurde, seine dramatischen Fähigkeiten unter Beweis. Er wurde mehrfach für den Oscar nominiert und nahm ihn 1998 entgegen. Engagierte Lehrer und Doktoren lagen ihm. Leidenschaftliche, zuweilen introvertierte Mentorfiguren, die ihren eigenen unbändigen Antrieb auf ihre Umgebung übertragen. In seinen berühmtesten Rollen spielte Robin Williams die Inspiration auf zwei Beinen. Obschon sich im vergangenen Jahrzehnt ein merklicher Schatten über seine Figuren legte, bleibt Robin Williams durch diese Energie in Erinnerung. In seinen komödiantischen Auftritten und Interviews jagte sie ihn förmlich auf einer Welle der Improvisation und Assoziation durch den Saal. Akzente, Referenzen, Intonationen schossen aus seinem Mund und gipfelten in Pointe – Pointe – Pointe. Im filmischen Korsett wirkte das manchmal aufreibend, gezwungen, auf der Bühne oder beim richtigen Talk Show-Host entführte Williams den Zuschauer in eine Parallelwelt irgendwo zwischen Live-Action-Cartoon und Vaudeville. Wie Wile E. Coyote, der über dem Abgrund einfach weiter rennt, weil er es nicht besser weiß. Bauchschmerzen vor Lachattacken waren nicht selten die gern in Kauf genommene Folge.

Zum Beispiel bei Craig Ferguson, wo Robin Williams im vergangenen Oktober seine neue Sitcom The Crazy Ones bewerben sollte. Die Serie führte ihn zurück zu den Anfängen seiner Karriere als Mork vom Ork (Na-Nu Na-Nu!). Das Alien aus einer Happy Days-Episode war derart beliebt, dass Williams einen Spin-off bekam. Vier Jahre, vier Staffeln, als einzelne Episoden noch von bis zu 30 Millionen Amerikanern verfolgt wurden. Drehbücher, die der Legende nach vor allem darin punkteten, Williams sein Ding machen zu lassen: zu improvisieren. Improvisieren, das bedeutet, im großartigen Interview mit Craig Ferguson Schottisch vom Leder ziehen, über Amsterdamer Prostituierte, Celebrity-Cunnilingus und französische Therapeuten zu sinnieren. Alles, nur nicht über The Crazy Ones zu reden. Die Serie, weitaus seriöser als Mork, wurde nach einer Staffel abgesetzt.

Oder 2002 bei den Critics Choice Awards, wo Daniel Day-Lewis und Jack Nicholson einen Gleichstand der Stimmen erzielten. Trotzdem ging der dritte im Bunde, der Verlierer Robin Williams, als Sieger von der Bühne, weil er den unangenehmen Moment so brillant überspielte, dass aus einer trockenen Zahlenschieberei große Unterhaltung wurde. Nominiert war Williams damals für seine Darstellung des psychopathischen Einzelgängers in One Hour Photo. Es war eine der gelungenen Abweichungen von seinem Image, die sich nach den finanziellen und künstlerischen Flops Der 200 Jahre Mann, Jakob der Lügner und Patch Adams häuften. Aus den ausdrucksvollen Augen, die in Good Will Hunting, Der Club der toten Dichter und Zeit des Erwachens so viel Mitgefühl, aber auch Schmerz transportierten, wich in diesen Rollen jede Wärme.

Vielleicht war der todernste Schauspieler Robin Williams für Zuschauer und Kritiker deswegen so schwer zu akzeptieren, zu wertschätzen. Ein Stück “Robin Williams” konnten wir in König der Fischer genauso sehen wie in Popeye – Der Seemann mit dem harten Schlag oder Mrs. Doubtfire – Das stachelige Kindermädchen. In Insomnia – Schlaflos ist es ausgemerzt. Eine tiefsitzende Güte gehörte zu dieser Figur “Robin Williams”, die sich in den schlechteren Projekten dem hoffnungslos Sentimentalen öffnete. Dabei übertönten die nichtssagenden Flops der letzten Jahre, welche auf Williams’ etablierten Figurentypus setzten, dessen ambitioniertere Projekte. Seine Karriere hat sich, anders als beispielsweise nach Toys, Being Human oder Jack, von den Rückschlägen um die Jahrtausendwende nicht erholt. Davon zeugen Titel wie Die Chaoscamper, Man of the Year und Lizenz zum Heiraten. Bei Erscheinen verbuchten wir sie irgendwo im Hinterkopf als eine weitere dieser mediokren Robin Williams-Komödien, weil ein dauerelektrisierter Entertainer wie Williams ab einem bestimmten Punkt als selbstverständlich hingenommen wird. Dann geht eine bittere Satire mit einem generischen Titel wie World’s Greatest Dad unter, von seinem berührenden Auftritt in der hierzulande zu selten gesehenen Serie Louie gar nicht zu reden.

In diesen von beruflichen Enttäuschungen gepflasterten, letzten Jahren war Robin Williams aktiv wie eh und je. Er unterhielt die amerikanischen Truppen, ging 2008 mit Weapons of Self-Destruction wieder auf Tour und feierte 2011 sein Broadway-Debüt in Bengal Tiger at the Baghdad Zoo. Im Podcast von Marc Maron sprach er offen über seine privaten Krisen und langjährigen Krankheiten. Dem ungehörigen Kind im Körper eines Mannes, das er als Mork, Popeye und in seinen temporeichen Standups auf Freigang ließ, schien er auf der Leinwand in den letzten Jahren müde geworden. Die unbändige Energie aber blieb. Eine der “idealen” Robin Williams-Figuren ist deswegen jene des Peter Banning in Hook, ein Erwachsener, der wieder Kind werden muss, um erwachsen zu werden. Nur eben nicht zu erwachsen.

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