Schulz & Böhmermann - Das hätten Joko und Klaas auch noch hingekriegt

23.01.2016 - 09:05 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Schulz und Böhmermann in Schulz & BöhmermannZDFneo
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Zwei Ausgaben Schulz & Böhmermann sind gesendet, die dritte steht uns morgen bevor. Die Vorzeichen für die Talkshow waren großartig. Die Moderatoren sind eingespielt, die Gäste einigermaßen unverbraucht. Ein erstes Fazit: Es ist einfach nicht dasselbe. Ich hänge immer noch an Roche ... & Böhmermann.

In der ersten Ausgabe von Schulz & Böhmermann trat Olli Schulz‘ Stirnvene zuweilen hervor wie ein sterbender Wurm. In der zweiten ist ihm die Nervosität kaum noch anzusehen. Links neben ihm sitzt dort eine kraus frisierte, streng denkende und zwinkernde Nora Tschirner, rechts eine Frau, die sich mit dem trockenen Orgasmus auskennt. Wenn Schulz ein Gedanke besonders wichtig ist oder er etwas wirklich Witziges sagen möchte, nuschelt er kultiviert oder wird sehr laut. Schulz: "Manchmal sitz' ich zwei Stunden mit Jan Böhmermann in einer Radiosendung, die wir seit drei Jahren machen, und denke mir: Jetzt ein kleiner Orgasmus ..."Jan Böhmermann, mit buntem Geburtstagshütchen, lacht mit seinem ganzen Körper, die anderen Gäste auch.

Was Olli Schulz und Jan Böhmermann in ihrer nach ihnen benannten Sendung machen, ist natürlich überhaupt nicht wichtig. „Ich bin Olli Schulz und ich trage einen cremefarbenen Pulli; Ich bin Jan Böhmermann und ich habe einen Schlüsselbund in der Hosentasche“, stellen sie sich bemüht unelegant vor, mit dem präventiv um Verzeihung bittenden Dadaismus der Internetkultur, wo sehr ernst gemeinte Plädoyers mit einem Sack Kartoffeln geendet werden und erwachsene Menschen Einhorn-Serien für vierjährige Mädchen abfeiern dürfen. Nehmt das doch alles nicht so ernst, ist doch nur Fernsehen, und nicht mal das, sondern Spartenkanalfernsehen, guckt sich doch sowieso keiner an und deswegen können wir auch machen, was wir wollen.

Die Gäste in Ausgabe No. 2

Jan Böhmermann und Olli Schulz wollen immer noch so gerne dieses Gefühl der Freiheit genießen, das es in den Nischen des Fernsehens weiterhin gibt und im Internet auch, wo es aber entfacht wird von der Illusion des Nicht-gesehen-Werdens, also auch einer Intimität zwischen Zuschauer und Show-Moderator(en), die Jan Böhmermann wie kein Zweiter aufrechtzuerhalten weiß. Aber im Internet und im Spartenfernsehen wird eben nur ausprobiert – Menschen sich oder Formate. Schulz & Böhmermann hingegen gab es schon mal. Die Show ist ein Reboot und an jedes Reboot sind Erwartungen geknüpft und damit auch Zwänge, vor allem, wenn noch ursprüngliche DNA (& Böhmermann) in ihm steckt.

Die Gäste werden plötzlich ernst genommen

Roche & Böhmermann war so gut, dass sie nach ihrem Scheitern einen zweiten Versuch verdient hat, vor allem, wenn der erste Versuch eigentlich nur an denkbar unnötigen Eitelkeiten verendete. Dennoch liegt auf Schulz & Böhmermann der graue Schleier des Redundanten, des Falschen und des Feigen. Die Show muss großartig werden, um ihre Wiederaufnahme zu rechtfertigen und die eigentlich peinliche kreative Hängematte, in die sich Böhmermann bei ihrem Revival bettete.

Die Who cares-Haltung existiert nun auch nur als Rahmung. Für eine ironische Fun-Talkshow ist Schulz & Böhmermann fast schon wieder zu ernst. Katrin Göring-Eckardt etwa darf in Ausgabe zwei über ihre Flüchtlings-Erfahrungen sprechen wie bei Lanz. Verlockt wird die Grünen-Politikerin durch ein keckes Mix-Gerät, das mit Wasser gefüllt ist, in welchem ein Goldfisch schwimmt. Parliert wurde auch in der Premieren-Ausgabe mit bemerkenswert unbehelligter Sittsamkeit, obschon unterbrochen durch Kachelmanns Werbespots für seine Wetter-Seite. (Warum ist der eigentlich nicht im Dschungelcamp?)

Die Gäste haben keine Angst

Schulz & Böhmermann fehlt bislang noch der Letterman-Effekt, der Roche & Böhmermann zu dem gemacht hatte, was es war: Ein Impro-Theaterstück mit den Moderatoren als Regie-Paar im weitesten Sinne, eine doppelbödige für Gast und Gastgeber gefährliche und ziemlich fiese Talkshow im engeren Sinne. Bei David Letterman, einer, der Ironie als Kunst begriff, wusste der Gast nie, was sein Interviewer eigentlich mit ihm vorhat. Es heißt, Letterman wollte in seinen Konversationen mit bekannten und aufregenden Gästen zeigen, dass alle Menschen schlecht sind, also den Menschen hinter der Maske entblößen und deshalb hätten viele Stars, die von ihren mühsam errichteten Masken leben, geraderecht Angst gehabt, in seine Late Show zu kommen. Den Gästen in Roche und Böhmermann war diese Angst vor der Entlarvung ebenfalls oft anzusehen. Die wussten auch nicht, worauf sie sich einlassen, und wenn die Ausgabe gut war, wussten es die Gäste nach der Show immer noch nicht. Bei Schulz & Böhmermann ist davon nichts zu spüren.

Bei Schulz und Böhmermann fühlen sich die Gäste plötzlich ernst genommen. Paul Ronzheimer, ein Bild-Journalist, erfährt freundlichen Respekt und kann mehr oder weniger ungestört seine Afghanistan-Horror-Storys auftischen. Anschließend wird der thematisch naheliegenste Gast, die Politikerin Göring, um ihre Meinung gebeten. Das ist fast schon gut moderiert. Mit Roche hätte Böhmermann zu verhindern gewusst, das aus der Fake-Talkshow zeitweise eine echte, normale Talkshow wird. Ein Meta-Gimmick sollte das in der ersten Ausgabe verhindern. Es wurden Karten verteilt, mit denen die Gäste Einfluss auf den Schnitt der Sendung nehmen konnten. Rein theoretisch hätte jeder Gast in der Sendung einmal Satan huldigen oder einen Hitlergruß von sich schleudern können. Die Karten waren nach fünf Minuten aber schon wieder vergessen.

Ausgabe No. 1

Einen nackten, bis auf sein beschämt lachendes Ego entblößten Gast kriegen wir nur noch während der gemeinen Vorstellungseinspieler von Sibylle Berg zu sehen, die den Gästen Wahrheiten und Unverschämten in die mechanisch lachenden Gesichter knallt. Die Kamera hält drauf, wir sehen die Reaktionen auf diese Unverschämtheiten und die Gäste wissen das und reagieren mit einer unbehaglichen Mischung aus Eitelkeit und Verlegenheit.

Die Show ist lustig, aber sonst?

Der Dadaismus ist der Show erhalten geblieben, mehr aber auch nicht, denn das ist, was die beiden am besten können. Für gewöhnlich sprühen Schulz und Böhmermann nur so vor subversiven Albernheiten. Ihren wöchentlichen Radioshows geben sie stets nicht ganz ernst gemeinte Titel. Joko und Klaas mit Olli und Jan  hieß vor ein paar Jahren die erste Sendung– unverhohlener Quoten-Bait, genauso wie Sex mit Ina Müller , wie die Sendung hieß, in der Ina Müller zu Gast war. Toller Blödsinn ist das. In den Radioshows schwadronieren die beiden sich in einen Rausch und provozieren sich dabei zu mitunter wunderschönen Wahrheiten. Schulz & Böhmermann sollte genauso werden, versprach Jan Böhmermann in einem langen Galore-Interview: „Olli und ich, wir sind extrem gute Arbeitskollegen. Wir respektieren unsere jeweiligen Jobs, kennen uns ganz gut aus und unterhalten uns einmal in der Woche sehr ausführlich – wobei wir uns wundern, dass aus diesen Telefonaten eine Radiosendung geworden ist. Und so wird’s jetzt im Fernsehen weitergeführt.“

Genau. Schulz & Böhmermann ist bislang lediglich eine Gesellschafts-Talkshow mit gelegentlichen, wenngleich genialen Albernheiten. Die Diskrepanz zwischen Ernsthaftigkeit und Slapstick wird nicht wie im Vorgänger durch ein vielschichtiges Ironie-Vakuum geschlichtet. Klar, das ist immer noch besser als nichts. Jan Böhmermann und Olli Schulz zusammen auf dem Bildschirm sind höchst unterhaltsam. Ich werde aber das Gefühl nicht los, das hätten Joko und Klaas auch noch hingekriegt.

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