Second Chance - Unser erster Eindruck im Pilot-Check

15.01.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Second ChanceFOX
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Zwei Wissenschaftler geben einem alternden Polizisten einen jungen knackigen Körper, mit übermenschlichen Kräften. Kann das gut gehen? Erfahrt es in unserem Pilot-Check zu Second Chance.

Aus dem Hause FOX kommt mit Second Chance eine Serie, die einem altbekannten Gedankenexperiment neues Leben einhauchen möchte. Was wäre, wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, meine Erfahrungen, Gedanken und Persönlichkeit aber behalten dürfte? Würde ich alles besser machen, verpasste Chancen diesmal nutzen? Im Falle von Second Chance passiert diese "Wiederbelebung" als wissenschaftliches Experiment zweier moderner Frankensteins. Aus dem alten korrupten Polizisten im Ruhestand wird ein junger, viriler Mann mit übermenschlichen Kräften.

Goodwins Monster

Jimmy Pritchard (Philip Baker Hall) ist an seinem Lebensabend angekommen. Der Ex-Sheriff fristet einsam, rauchend und trinkend seine Tage, seitdem er wegen Korruption vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde. Sein Sohn Duval (Tim DeKay) ist FBI-Agent und eigentlich viel zu beschäftigt, um sich um ihn zu kümmern. Als er eines Nachts von zwei Einbrechern überrascht wird, die in seinem Schreibtisch nach Unterlagen suchen, kommt es zum Äußersten. Die Männer schleppen den 75-Jährigen zur nächsten Brücke und werfen ihn in den Tod. Das Verbrechen wird in der Gerichtsmedizin als Selbstmord ad acta gelegt.

Währenddessen bei Lookinglass, einem Tech-Unternehmen, das an ein Konglomerat aus Facebook, Google und Apple erinnert. Die Gründer und Zwillinge Otto (Adhir Kalyan) und Mary Goodwin (Dilshad Vadsaria) stehen kurz vor dem Beginn ihres ersten Menschenversuchs. Sie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Zellen wieder verjüngen lassen können. Bei Fischen würde es schon funktionieren, jetzt ist Jimmy Pritchard dran, der darüber hinaus als Spender weißer Blutkörperchen in Frage kommt. Denn Mary hat Krebs und die Chemotherapien schlagen nicht an. Moralischen und religiösen Bedenken gibt sich die Pilotfolge nur kurz hin, denn Jimmy ist Marys einzige Chance aufs Überleben und Mary wiederum Ottos einzige Bezugsperson. Der Preis, einen brillanten Kopf zu besitzen, ist wie häufig im Fernsehen wieder einmal eine unterentwickelte Sozialkompetenz. Zu einem der wahrscheinlich überbeanspruchten Scores in Trailern und Serien (Sunshine Adagio in D Minor von John Murphy) leiten sie den Prozess ein.

Als Jimmy in verjüngter Form (Robert Kazinsky) wieder erwacht, erinnert er sich nicht sofort daran, was mit ihm passiert ist. Robert Kazinsky trifft den Tonfall eines alten Mannes überraschend gut, sodass es zunächst glaubhaft ist, dass in seinem Körper ein 75-Jähriger steckt. Er entdeckt seine übermenschlichen Kräfte, schlägt Holztüren ein und auch Metalltüren sind vor seiner Faust nicht sicher. Als er von seinem "Selbstmord" erfährt, springt er aus dem Fenster (ja, durch die Scheibe), landet ohne einen Kratzer auf dem Boden und rennt zu seinem Sohn, den er in Gefahr wähnt, nachdem er seine Mörder identifiziert hat.

Von einem Klischee ins nächste

Die Pilotfolge ist wieder einmal nur dazu da, die Regeln des Universums von Second Chance zu erklären und die Konflikte anzudeuten, die daraus noch erwachsen könnten. So muss Jimmy alle 12 Stunden zurück in den Wassertank, damit er seinen neuen Körper nicht wie ein schlechtes Transplantat abstößt. Außerdem erweisen sich die Einbrecher als Partner von Jimmys Sohn. Und Mary braucht regelmäßige Infusionen von seinen Blutkörperchen, um zu überleben. Verkompliziert wird das noch durch Jimmys neu gewonnene Freiheit und seinen Hang zu Frauen und Alkohol. Wirklich spannend ist die Folge aber leider an keiner Stelle, Charaktere sind weitestgehend nur Stereotype, die wir aus anderen Serien schon mehrfach kennen. Dazu kommt, dass sich Second Chance erschreckend ernst nimmt. Humorvolle Einschübe gibt es kaum und wenn, wirken sie seltsam deplatziert.

Die Produktionsgeschichte der Serie spricht an dieser Stelle vielleicht schon Bände über die Zukunft von Second Chance. So durchlief sie schon mehrere Namensänderungen (Frankenstein > The Frankenstein Code > Lookinglass > Second Chance) und wurde von 13 auf 11 Episoden verkürzt. Vielleicht ist auch die Ähnlichkeit zu anderen Krimiserien mit einem übernatürlichen Twist wie Minority Report, Limitless, Sleepy Hollow oder die kommenden Dead Man Walking und Lucifer ein Grund dafür, dass Second Chance ziemlich generisch wirkt. Die Verschwörung, die hinter Jimmys Mord steckt, und die Ereignisse, die zu seiner unehrenhaften Entlassung führten, können mir auch nicht mehr abringen als ein müdes Nicken. Schlimmer noch, Second Chance ist im Grunde ein stinknormales Fall-der Woche-Polizei-Procedural. Dass der Ermittler übernatürliche Kräfte hat und seine Sidekicks Tech-Millionäre sind, macht die Sache nicht gerade spannender. Ich hoffe es wird sich in den kommenden Folgen wenigstens eine Figur fragen, welche Berechtigung Jimmy eigentlich hat, Verbrecher zu jagen.

Auch kleinere Ungereimtheiten wie der plötzliche Wechsel von kahlen Winterbäumen zu blühender Frühlingsvegetation von einer Szene auf die andere; Robert Kaziskys bisweilen durchschimmernder britischer Akzent; Marys offensichtliche Fitness, obwohl sie eigentlich sterbenskrank ist, irritieren einfach nur. Als Mary dann noch mit einem undefinierbaren Blick auf den im Tank treibenden Jimmy blickt und Lookinglass' KI die Emotion als "Verlangen" erkennt, möchte ich, ob dieser unmotivierten Andeutung einer Liebesgeschichte, eigentlich sofort abschalten. Ein Rat an FOX, vielleicht solltet ihr Tote doch manchmal lieber ruhen lassen.

Gebt ihr Second Chance noch eine zweite Chance?

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