Switch Reloaded - Hoher Unterhaltungsfaktor

20.09.2010 - 08:50 Uhr
Switch Reloaded
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Die deutsche TV-Landschaft ist seit einiger Zeit das reinste Trauerspiel. Die einzigen Lichtblicke im Programm sind solche Sendungen, die genau diesen Zustand zum Thema machen. Einer davon heißt Switch Reloaded. Die Rettung des deutschen Fernsehens?

Pseudo-Reality-Dokus werden am Fließband produziert und selbst der letzte D-Promi darf sein Gesicht in die Kamera halten. Hauptsache kostengünstig, damit vom Restgeld ab und an mal ein Nachrichtenstudio im prunkvollen CGI-Glanz erstrahlen kann. Das können wir nicht unkommentiert lassen – wissen so manche Komiker schon längst. Jeder kennt das, was so unerträglich ist, aber niemand schaut es. Switch reloaded bringt es auf den Punkt – mit Qualität, viel Liebe zum Detail und hohem Unterhaltungsfaktor: Das muss dem Switch-Team erst mal einer nachmachen.

Schon von 1997 bis 2000 gab es mit Switch eine herrlich freche Sketch-Show, die mit Vorliebe Fernsehsendungen durch den Kakao zog. Seit dem Comeback 2006 unter dem neuen Namen Switch reloaded hat sich die Show zur wohl schärfsten satirischen Beobachtung der mehr als fragwürdigen deutschen TV-Landschaft gemausert. Es ist wohl eines der wichtigsten Formate, die das deutsche Fernsehen zu bieten hat, und, nicht zu vergessen, irre lustig. Natürlich vermischt sich die humoristische Kritik oft mit einfach nur albernen Parodien und zotigen Gags, aber durch diesen Spagat erreicht Switch reloaded eben Zuschauer aus allen Lagern. Durch den Erfolg stehen dem Switch-Team auch immer bessere Mittel zur Verfügung, um den Fernsehschrott so detailgetreu wie möglich zu parodieren – das sehen wir gern. Neben der liebevollen Ausstattung ist das eigentliche Herz der Sendung jedoch das hervorragende Ensemble.

Acht bis zehn Darstellerinnen und Darsteller geben in den gnadenlosen Parodien von Switch reloaded ihr Bestes, mit unterschiedlich großem Talent. Da wäre zunächst Bernhard Hoëcker, der mit dem wohl markantesten Erscheinungsbild. Er ist sehr klein und hat schon in jungen Jahren Haarausfall – er musste einfach Komiker werden. Im Gegensatz zu seinen Kollegen ist er nicht besonders wandlungsfähig, aber, wenn sein Typ gefragt ist, voll dabei. Einfach ein Original. Dann ist da Petra Nadolny, die älteste Frau im Bunde, unschlagbar, wenn es um reifere Frauen wie Elke Heidenreich und Nina Hagen geht. Mona Scharma, seit Staffel 4 leider nicht mehr dabei, ist dagegen die junge Hübsche, das Küken, verblüffend authentisch in der Rolle des kleinen Mädchens. Peter Nottmeier und Susanne Pätzold, die ihre Stimmen nicht verstellen können, haben sich mit der Zeit die ein- oder andere Paraderolle erarbeitet und sind die erste Wahl, wenn es um Nebenfiguren geht. Switch-Urgestein Michael Müller ist immer mal wieder für eine Überraschung gut.

Die mit Abstand imposantesten Leistungen bringen jedoch die beiden Neuzugänge und ausgebildeten Schauspieler Max Giermann und Martina Hill. Max Giermann kam aus dem Nichts – den Allerwenigsten war er vor 2007 ein Begriff – und spielte sich sofort an die Spitze des Ensembles. Er zieht sich seine Charaktere an wie Andere ihre Klamotten, und das mit grundverschiedenen Modellen. Ob Stefan Raab, Johann Lafer oder Reinhold Beckmann, er beherrscht sie alle bis ins kleinste Detail. An seiner Seite: Martina Hill. Sie kann richtig sexy, aber auch komplett wahnsinnig sein. Ihre stärkste Waffe ist ihre Stimme, die sie nach Lust und Laune verformen und mit den krudesten Eigenarten versehen kann. Schauspielerisch liegt sie auf beachtlich hohem Niveau, und ihre Parodie von Sonja Kraus ist mit dem Original praktisch identisch.

Einen Sonderstatus erhält zu guter Letzt Michael Kessler. Als Comedian war er schon lange bekannt, doch erst als er verstärkt Prominente imitierte, blühte sein komödiantisches Talent so richtig auf. Ihm gehören die legendärsten Momente der Switch reloaded Folgen, wie z.B. als Peter Klöppel in RTL Aktuell oder als Adolf Hitler persönlich, vermischt mit Christoph Maria Herbst – wer hätte je an sowas gedacht?

Diese talentierten Menschen wären natürlich aufgeschmissen, gäbe es nicht die genialen Einfälle der Drehbuchautoren. Das Trash-TV vom RTL-Mittagsprogramm u.ä. ist nicht allzu schwer zu veräppeln, doch zu Höchstleistungen laufen die Autoren dann auf, wenn sie sich fragen: „Wie parodiert man etwas, das eigentlich schon gut ist?“, wie zum Beispiel Stromberg. Die Antwort hat Fernsehgeschichte geschrieben. Natürlich schwankt das Niveau in Switch reloaded von Zeit zu Zeit. Auch neigen die Sketche in den neueren Staffeln mehr und mehr zu maßlosen Übertreibungen. Aber witziger als so gut wie jede andere Sketch-Show im Fernsehen bleibt Switch reloaded trotz allem. Brillante Satire und aberwitziger Klamauk in einem. Das Deutsche Fernsehen ist noch nicht verloren, denn Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Was diese Serie leistet, hat wahrlich eine Auszeichnung verdient.

Wie beurteilt ihr Switch Reloaded und die Entwicklung seit der ersten Staffel? Was haltet ihr von den zwei ganz neuen Mitgliedern – Constanze Behrens (Xena, Frauke Ludowig) und Martin Klempnow (der Hundeprofi, Menowin)? Wer sind eure Lieblinge im Ensemble und wer ist für euch eine Fehlbesetzung?


Dieser Text stammt von unserem User flibbo Philipp Stroh)
Wer ebenfalls Text-Ideen oder bereits was aufgeschrieben hat, wende sich an ines[@]moviepilot.de.

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