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Sympathiepunkte für Bösewichte mit Doktortiteln

29.08.2015 - 09:00 Uhr
Dr. Horrible's Sing Along Blog
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Dr. Horrible's Sing Along Blog
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Aktion Lieblingsfilm 2015

Was einen Lieblingsfilm zu dem macht, weshalb wir ihn so nennen, warum wir eben genau diesen immer wieder gucken würden, ist mir größtenteils noch ein Rätsel. Es ergibt sich für mich keine Geheimformel, die sagt, wann und warum mir eben XYZ gefällt, wer Drehbuchautor, Regisseur oder Darsteller sein muss, damit ich ihn mir immer angucke, oder welches Genre ich bevorzuge und letztendlich maßgeblich an dem Erklimmen meines Siegertreppchens beteiligt ist. Nichtsdestotrotz weiß ich, wann einer dieser Filme zu einem meiner Lieblinge zählt. Es sind eben diese, die man sich tausendmal anguckt, obwohl man das ganze Drehbuch auswendig kann, und es trotzdem niemals langweilig wird, die, die ich jedem empfehlen würde und kein Problem damit habe, stundenlang über sie zu reden - ganz so, als wären sie schon immer da gewesen und gehörten einfach zu mir mit dazu. Dr. Horrible’s Sing-Along Blog ist einer davon.

Wie der Anfang auch gleichzeitig das Ende sein kann

Ich weiß noch, dass es ein Freitag war, als ich Dr. Horrible's Sing-Along Blog das erste Mal gesehen habe, denn ich hatte kurz danach Klavierunterricht und bin dementsprechend zu spät gekommen, weil ich mich nicht dazu durchringen konnte, einfach mittendrin auf den Pausenknopf zu drücken. Für mich nicht gerade ungewöhnlich, möge man denken, wenn man mich genug kennt oder eben meine Klavierlehrerin ist (Tschuldigung!), aber zu diesem Zeitpunkt war dies doch irgendwie der Beginn einer neuen Ära, die man getrost meine Liebe zu diesem Film betiteln könnte (und zum Untergang aller jemals sinnvollen Filmempfehlungen meinerseits).

Innerhalb der darauffolgenden Woche, konnte ich alle Lieder auswendig. Stundenlang liefen sie in Dauerschleife auf meinem mp3-Player und das einzige Problem, was relativ schnell aufkam, war die Tatsache, dass ich nicht mehrstimmig mitsingen konnte. Das eigentliche besondere an diesem gerade einmal 43- minütigen (Kurz-)Film ist jedoch nicht mal unbedingt die hervorragende Musik, die durch die klasse Stimmen der Darsteller getragen wird, oder gar die Handlung, die nicht nach Schema F abzulaufen scheint, sondern die wunderbare Charakterzeichnung, die geradezu typisch für Joss Whedon ist, der hier mit seinen Brüdern die Zügel in der Hand hatte.

Böse ist gut und gut ist böse?

Schon vor Tom Hiddleston als Loki oder sowohl Heath Ledger als auch Jack Nicholson als den Joker mochte ich Bösewichte in vielen Cartoons, Serien oder Filmen häufig lieber als die eigentlichen Hauptpersonen, da sie in vielerlei Hinsicht interessanter waren: Ihr komplexer Charakter, die vielseitigen Ziele, die Zwiespältigkeit, die Lebensweise und häufig auch der Kampf mit sich selbst und den Vorstellungen der Mitmenschen formen den Antagonisten zu einer „vielschichtigeren“ Person als es der glatt geleckte Protagonist ist, der nur Weltfrieden und die hübsche Brünette von nebenan anstrebt. Sie üben die Faszination des Unerlaubten aus, die des unmoralischen Handelns und verkörpern teilweise sogar innige Wünsche, die Aufkommen, wenn man das Gesicht des beliebten Prinz Charming erblickt.

Dr. Horrible's Sing-Along Blog wirkt in diesem Hinblick fast wie eine Hommage an alle, die Sympathie mit diesen Außenseitern, den Antagonisten, empfinden. Der titelgebende Dr. Horrible (oder einfach nur Billy) verkörpert als Hauptperson ganz entgegen des typischen Superheldenklischees nicht den „Good Guy“, sondern eben den Antihelden, der heimlich auf das Mädchen aus dem Wäschesalon steht. Doch er wurde nicht als Bösewicht geboren. Vielmehr ist es die Umwelt und seine zynische Sicht darauf, die ihn formt.

Any dolt with half a brain
Can see that humankind has gone insane
To the point where I don’t know
If I’ll upset the status quo
If I throw poison in the water main

Nichtsdestotrotz versucht er natürlich auch in seiner Rolle, in die er mehr oder weniger immer mehr hineinwächst, aufzusteigen, der Evil League of Evil beizutreten und seine Ziele zu verwirklichen, aber letztendlich sind des eher seine Mitmenschen, die ihn unabsichtlich zu dem machten, was er ist und wird.

Auch Penny, das einfache Mädchen aus dem Wäschesalon, übt diese Gesellschaftskritik aus, doch im Gegensatz zu Billy geht sie mit Optimismus an die ganze Sache, versucht die Probleme der Welt nicht mit Gewalt oder Macht zu lösen.

There’s good in everybody’s heart
Keep it safe and sound
With hope, you can do your part
To turn a life around

Doch dann gibt es da noch Captain Hammer und seine etlichen Anhänger. Er verkörpert den unverkennbaren Helden, der „Prinz Charming“ des ganzen Films und letztendlich auch der größte Feind Dr. Horribles. Doch durch die Sichtweise Billys (und um ehrlich zu sein auch rein objektiv) kehrt sich die Verteilung des „Guten“ und „Bösen“ um und damit brechen auch alle bisherigen typischen Grenzen der Schwarzmalerei zwischen eben diesen beiden Seiten. Denn wer sagt, wann man gut ist und wer, wenn man zu den bösen zählt? Seit wann muss man als Bösewicht oder Held hundertprozentig einer Seite zugehören und wer verteilt die Rollen?

Mehr als nur ein Film

Vielleicht interpretiere ich auch nur ein wenig zu viel in dieses kleine Meisterwerk, dieses Musical, diesen verkehrten Superheldenfilm oder was Dr. Horrible's Sing-Along Blog auch immer sein mag, denn wichtige Aspekte, die den Film auch größtenteils ausmachen, sind seine Komik und die brillante Darstellung Neil Patrick Harris', Nathan Fillions und Felicia Days, die jedem fanatischen Seriengucker schon einmal über den Weg gelaufen sein müssen. Diese vier Elemente sind der hauptsächliche Grund, warum mir der Film (trotz mehrmaligen Guckens innerhalb eines Monats) immer noch ein Lächeln auf die Lippen zaubert, warum der Großteil meiner Freunde schon zur einer Sichtung gezwungen wurde, warum sämtliche Pseudonyme von mir "Dr. Horrible“ lauten und gerade in diesem Moment eine Comicausgabe aus Amerika importiert wird.

Es gibt ihn also doch, den perfekten Film, den man über alles liebt.

~

Dieser Community-Blog ist im Rahmen der Aktion Lieblingsfilm 2015 entstanden. Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Medienpartnern und Sponsoren für diese Preise:



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