Tatort - Was ist das eigentlich?

04.02.2016 - 11:10 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Tatort
ARD
Tatort
10
9
Fast 30 Jahre nach Horst Schimanski kommt mit Til Schweigers Nick Tschiller wieder ein Tatort-Kommissar ins Kino. Wir forschen nach, was es mit dem Tatort eigentlich auf sich hat.

In dieser Woche läuft mit Tschiller: Off Duty zum dritten Mal ein extra fürs Kino produzierter Tatort an, ein Sprung, der vor Til Schweiger nur Götz George als Horst Schimanski vergönnt war. Nick Tschillers Sondereinsatz nehmen wir zum Anlass, um für alle Uneingeweihten die Frage zu beantworten: Tatort - Was ist das eigentlich?

Tatort-Wurzeln

Seit 1970 schickt der Tatort seine Kommissare regelmäßig und ununterbrochen in Einsätze. Gäbe es den geteilten Titel und Vorspann - mit Augen, Beinen, Fadenkreuz und Fingerabdruck - allerdings nicht, bräuchte es oftmals eine Fan-Theorie, um all die Ermittler in einem gemeinsamen Serien-Universum zu verorten. Schließlich lösten fast 100 Kommissare bisher beinahe 1000 Fälle, meistens in quer durch die Republik verteilten Großstädten. Diese Vielfalt hat vor allem mit der Entstehungsgeschichte des Tatort zu tun, denn nach anfänglicher Skepsis konnte es der ARD 1970 plötzlich nicht schnell genug gehen, eine Krimiserie auf die Beine zu stellen, die es mit Erik Ode als Der Kommissar aufnehmen sollte, der seit einiger Zeit erfolgreich im ZDF ermittelte.

Wie Tatort-Erfinder Gunther Witte im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung  erzählt, machte er aus der (Zeit-)Not eine Tugend und stellte nicht wie die ZDF-Konkurrenz einen einzigen Kommissar in den Mittelpunkt, sondern viele verschiedene Ermittler. Die wurden von den einzelnen Landesrundfunkanstalten der ARD abwechselnd ins Rennen geschickt, um Sonntagabends zunächst Monat für Monat, heute oft Woche für Woche, Mordfälle aufzuklären. So mangelte es der neuen Reihe zwar an Einheitlichkeit, sie erhielt jedoch im Gegenzug viel Lokalkolorit und verteilte die Kosten auf zahlreiche Schultern.

Tatort-Verbindungen

Dabei war die erste Folge, Taxi nach Leipzig, noch nicht mal ein "echter" Tatort, da der grenzüberschreitende Kriminalfall für den Hamburger Hauptkommissar Paul Trimmel (Walter Richter) schon längst produziert war, bevor der Tatort ins Leben gerufen wurde. Trimmel hatte sogar schon vorher einen Fall im TV gelöst, der bei seiner Wiederholung schlicht ebenso zu einem Tatort gemacht wurde.

Doch auch die dann tatsächlich als Tatorte produzierten Fälle der verschiedensten Ermittler hatten eigentlich keine Verbindung. So kamen Gunther Witte und Co. zunächst auf die Idee, stets einen Gast-Kommissar aus einer anderen Stadt und somit einer anderen Tatort-Reihe auftreten zu lassen, der dem eigentlichen Haupt-Ermittler unter die Arme griff. Dieses Konzept wurde aber nach einigen Jahren aufgegeben, da die Begründung für die Besuche oft allzu konstruiert wirkte.

Was alle Tatort-Folgen miteinander verband, war dann auch vor allem die inhaltliche Ausrichtung: Neben der Konzentration auf die Kommissare, die bei ihren Fällen in freier Wildbahn mit den jeweiligen lokalen Eigenheiten konfrontiert wurden, statt überwiegend im Studio zu ermitteln, sollte das Geschehen zudem möglichst realistisch sein. Als Tatort-Inspiration hatte Gunther Witte nämlich die RIAS-Radioserie Es geschah in Berlin gedient, die sich ab 1951 dokumentarisch echten Fällen widmete.

Tatort-Ermittler

Trotz dieses Realismus-Ansatzes waren die Tatort-Ermittler aber zunächst jahrelang Menschen fast ohne Privatleben. Dies sollte sich erst Anfang der 80er Jahre vor allem durch die Ankunft eines Kommissars dauerhaft ändern, der auch in anderer Hinsicht mit vielen Traditionen brach: Horst Schimanski. Der schlug in Gestalt von Götz George sowohl im Dienst als auch außerhalb davon über die Stränge, ernährte sich ungesund, sagte "Scheiße" und entsprach allgemein so gar nicht dem Bild, das Fernseh-Deutschland bis dahin von TV-Kommissaren hatte.

Es folgten andere Ermittler, die nicht nach Schema F vorgingen, wie die singenden Paul Stoever (Manfred Krug) und Peter Brockmöller (Charles Brauer), die handfeste Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und die ironischen Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl). Schon zuvor ermittelten mit Klaus Schwarzkopf, Gustl Bayrhammer oder Hansjörg Felmy zwar oft gestandene Schauspieler, deren Charaktere sich allerdings weniger Extratouren erlaubten. Einen hervorragenden Überblick über die Eigenheiten vieler älterer und jüngerer Kommissare bietet das Fernsehlexikon .

Hinter der Kamera standen wiederum schon früh auch bekannte Regisseure wie Jürgen Roland und Wolfgang Staudte, Samuel Fuller inszenierte einen Tatort, Wolfgang Petersen lieferte einige seiner ersten Regie-Arbeiten ab, Dominik Graf schaute mehrmals vorbei.

Tatort-Gegenwart

Im Laufe der Jahrzehnte sorgte aber nicht nur der gerne als "Ruhrpott-Rambo" betitelte Schimanski für Unmut unter den Zuschauern. Mal seien die Fälle zu schlafmützig, dann zu krawallig oder absurd, den einen gibt es zu viele Kommissare, die anderen stören sich an den immer gleichen Gesichtern. Dabei kommt die Kritik auch gerne aus den Reihen der Ermittler-Darsteller , zuletzt wenig überraschend von Til Schweiger. Trotzdem schalten jeden Sonntag noch immer 7 bis 13 Millionen Zuschauer  ein, im Gegensatz zu anderen alteingesessenen Sendungen bleibt der Zuspruch für den Tatort seit Langem konstant.

Mehr: Tschiller: Off Duty – Der Tatort muss sich ziemlich blöd vorkommen

Heutzutage sind von den Tatort-Kommissaren zudem nur noch wenige als Einzelkämpfer unterwegs, 17 Zweiergespannen, einem Quartett und einem Quintett stehen nur zwei Solo-Ermittler gegenüber. Dienstälteste Kommissarin ist Ulrike Folkerts als Lena Odenthal, die seit 1989 in Ludwigshafen tätig ist, auf die meisten Einsätze kommen mit 71 Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl als Münchner Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr, erst einen Fall lösten Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs als Paula Ringelhahn und Felix Voss in Nürnberg.

Wann Till Schweiger in Tschiller: Off Duty auch im Fernsehen außer Dienst ermittelt, steht zwar noch nicht fest, seine Tatort-Kolleginnen und Kollegen sind aber weiterhin fast jeden Sonntag im Ersten im Einsatz. Wiederholungen ältere Fälle laufen wiederum beinahe pausenlos in den dritten Programmen. Fachkundige Kritiken vieler vergangener Tatorte findet ihr hier bei moviepilot.

Guckt ihr Tatort, und habt ihr Lieblings-Kommissare?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News