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The Great Gatsby und der Traum vom Glück

01.06.2015 - 08:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Gatsby
Warner Bros. Pictures Germany
Gatsby
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Ich will über eine andere Sucht reden. Nicht jede Sucht lässt uns nach der rettenden Pille in einer Toilette suchen, nicht jede Sucht bringt uns dazu den Fernseher unserer Mutter zu verkaufen um den nächsten Schuss bezahlen zu können. Es geht mir um das Streben nach Glück, die Sucht nach Macht, das nicht aufhören Können.

Für mich war Gatsby in dieser Hinsicht eine der tragischsten Figuren in der Literatur. Die Verfilmung (Der groߟe Gatsby) dieses Klassikers warf meine Gedanken noch einmal auf das Thema zurück und hin zu der Erkenntnis, wie relevant und zeitlos seine Geschichte ist und bleibt.
Gatsby repräsentiert die tragische Seite, das „nicht-genug-Bekommen“, die das Leben ebenso beanspruchen kann wie die Sucht nach Drogen, Alkohol oder Sex, die ihn aber nie zerstören konnte. Der Punkt, an dem Gatsby nach Jahren der harten Arbeit anlangt, nachdem er sein ganzes Leben dem Verfolgen seines Traumes aufopferte: der Traum, Daisy an seiner Seite zu haben, oder viel mehr das, was durch sie verkörpert wird. Doch als sie ihm ihre Liebe gesteht, als sie eigentlich die seine ist, reicht es ihm nicht. Er will, dass sie alle Gefühle zu ihrem Mann leugnet. Er will die verlorene Zeit mit ihr, die Jahre zurück, die er nicht mit ihr verbringen konnte. Unmöglichkeiten.

Gatsby believed in the green light, the orgastic future that year by year recedes before us.


Die Tragik um seinen Tod entsteht durch die Gewissheit, dass Gatsby in seiner Welt der Ehrlichste unter den Lügnern war. Er war der hoffnungslose Träumer, der nicht aufhören konnte, zu hoffen, der nicht aufhören konnte, alles für sein Glück zu tun. Die Menschheit greift wie Gatsby in der Dunkelheit nach dem grünen Licht in der Ferne.
Wenn man nur ein bisschen näher kommen könnte, wenn man seinen Arm nur noch etwas weiter ausstrecken könnte, wenn man nur etwas mehr tun könnte, wenn man nur schneller, klüger, besser wäre, dann könnte man es vielleicht erreichen, dann könnte man vielleicht endlich zufrieden sein, dann könnte man endlich glücklich sein. Doch selbst wenn wir es schaffen würden, wenn wir endlich das hätten, wonach wir streben, wäre das alles? Wäre es dann genug? Oder würden wir dann nicht immer noch mehr wollen?
Es ist nie genug.

Wir suchen immer weiter, wollen immer das, was wir nicht bekommen können und geben uns nie zufrieden mit dem, was wir bereits haben.
Wir bekommen die Hälse nicht voll.
Wir brauchen immer Mehr, Mehr, Mehr, denn die Maßlosigkeit ist eine Sünde, der wir uns hingeben.

Die menschliche Neigung zur Dekadenz zieht sich durch unsere Welt und so auch durch die fiktiven Welten um uns.
In Der groߟe Gatsby sehen wir Menschen, zu viel Geld haben, die zu viel trinken und ihre zu teuren Luxuswagen zu Schrott fahren.
In Die Tribute von Panem - Catching Fire haben wir Lady Gaga-Verschnitte, die so viel essen, bis sie nicht mehr können und durch ein kleines Mittelchen zum Kotzen gebracht werden, um danach ganz einfach weiter zu essen.
In The Wolf of Wall Street ist es die Sucht nach Drogen, nach Geld, nach Sex.
In House of Cards und Death Note ist es die Macht.
In Sherlock ist es der Kick, sich zu beweisen, den scheinbar unlösbaren Fall zu lösen.
Wir haben die Sucht nach sexuellen Kicks und Nähe wie in Shame oder Nymphomaniac 1 oder die Sucht nach Selbsthilfegruppen, um endlich mal loslassen zu können.

Der hoffnungsvolle Mensch, der maßlose Mensch, der zielstrebige Mensch, der kaputte Mensch haben gemeinsam, dass es ihnen nie reichen wird. They just can´t get enough. Mögliche Ausgänge dieser Situationen werden uns von den Autoren und den Regisseuren gezeigt: (Spoiler)
Gatsby stirbt seinen tragischen Tod. Kira wird besiegt. Leonardo DiCaprio verliert alles. Michael Fassbender verträgt sich langsam wieder mit seiner Schwester, doch ob er es irgendwann schafft, bleibt unklar. Das Ende der Sucht ist die Katastrophe oder das Ende.

Sucht wird immer als Schwäche gesehen. Nicht aufhören zu können, bedeutet auch sich selbst nicht unter Kontrolle zu haben, sich nicht beherrschen zu können. Ich denke, es gibt da zwei Seiten der Medaille. Sind nicht die mit Fehlern versehenen Charaktere, die uns in Filmen und Serien gegeben werden, die natürlichsten und die ehrlichsten Figuren in ihrer fiktiven Welt? So macht Sherlocks Nikotinsucht das Genie menschlicher, während Frank Underwoods Streben nach Macht ihn entmenschlicht und ihn gleichzeitig zum Fall bringen kann.

Warum ist es denn verwerflich, nicht Stopp zu sagen, wenn etwas gut ist? Ist es falsch, etwas zu genießen und nicht an die Konsequenzen zu denken, bis sie plötzlich eintreten? Muss man die Party verlassen, wenn sie am besten ist?
Gatsby konnte nicht Stopp sagen, er konnte nicht genug bekommen, sein Scheitern ist dennoch tragisch, vielleicht weil er die Konsequenzen nicht abgeschätzt hat, weil er so naiv war, zu glauben, dass er, wenn er es wirklich versucht, er alles dafür tut, er irgendwann das haben könnte, wonach er sich all die Jahre sehnte.

Gatsby believed in the green light, the orgastic future that year by year recedes before us. It eluded us then, but that's no matter - tomorrow we will run faster, stretch out our arms farther... And one fine morning - So we beat on, boats against the current, borne back ceaselessly into the past.


Hier die Blogs meiner Kollegen:

Enter the Mind von Grimalkin

Addicted to Movies oder: Die Sucht nach Filmen von Laudania

Onkel T und die Liebe zur Musik von Jorah

Filme sind meine Droge von Stefan Ishii

Michael Bay, der Zuschauer und der American Dream - Eine Hassliebe von Absurda.

Am Gemächt der Macht von Martin Canine

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