Havoc ist Tom Hardys Erlaubnis, mal so richtig die Sau rauszulassen. Im neuen Netflix-Film des Action-Genies Gareth Evans (The Raid) schießt, prügelt, tritt und sticht sich der Star durch chinesische Triaden, korrupte Polizisten und diverse andere Gestalten, die das Pech haben, ihm im falschen Moment vor die Füße zu laufen. Der Film ist ein nihilistischer, ultrabrutaler Faustschlag, der 105 Minuten bestens unterhält und nur wenige Schwächen besitzt.
Tom Hardy pulverisiert für Netflix eine Stadt: Darum geht's in Havoc
Detective Walker (Hardy) hat wirklich bessere Tage gesehen. Er schlurft durch die Straßen wie ein lebensmüder Tagedieb. Mit letzter Kraft klammert er sich an seine Ex-Frau und seine kleine Tochter, die eigentlich nichts von ihm wissen wollen. Für sein Kind kauft er gerade das schlechteste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten, als die Hölle losbricht.
Schaut hier den Havoc-Trailer:
Vier Diebe haben einen Truck entführt, einen Polizisten ins Krankenhaus befördert und dann in einem Club chinesischer Gangster ein Blutbad angerichtet. So sieht es zumindest aus. Gemeinsam mit Neuling Ellie (Jessie Mei Li) soll Walker den Fall aufklären. Da entdeckt er, dass der Sohn des Bürgermeisters (Forest Whitaker) zu den vermeintlichen Tätern gehört. Und da der Politiker ein finsteres Geheimnis Walkers kennt, zwingt er ihn, seinen Sohn Charlie (Justin Cornwell) zu finden.
Der junge Mann und seine Freundin Mia (Quelin Sepulveda) werden mittlerweile nicht nur von den rachsüchtigen Triaden gesucht, sondern auch von einer Gruppe brutaler Polizisten unter Vincent (Timothy Olyphant), die ihre ganz eigenen Pläne verfolgen.
Havoc setzt auf Netflix neue Action-Maßstäbe
Havoc ist der Stirb langsam des 21. Jahrhunderts. Parallelen wie das weihnachtliche Setting, eine zerbrochene Ehe und ein Protagonist, der anderthalb Stunden von Schlägen, Stichen und Schüssen durch den Fleischwolf gedreht wird, sind überdeutlich.
Wer Havoc sehen will, weil er als Gareth Evans-Fan noch dessen Highlights The Raid und The Raid 2 im Kopf hat, kann sich freuen: Der Film liefert die fesselndsten Action-Szenen, die es je in einem Netflix-Original gab. Am ehesten kommt ihm noch ein Film wie Tyler Rake: Extraction nahe, aber Hollywood-Blockbuster wie The Gray Man oder 6 Underground spielen nicht einmal ansatzweise in derselben Liga.
Nahkämpfe und Schusswechsel sind über weite Strecken makellos inszeniert und entfesseln eine echte Wucht. In einer Action-Sequenz nehmen Walker und seine Feinde minutenlang einen Klub auseinander, zerschießen die Einrichtung, werfen Gegner über Balustraden und rücken einander mit Eisenstangen und Hackebeilen zu Leibe. Brutalität und Geschwindigkeit sind dabei zum Teil so gnadenlos, dass man als Zuschauer laut lachen muss.
Alle anderen Aspekte des Films arbeiten der Action zu. Das funktioniert über weite Strecken gut: Die Story ist simpel und verwirrt, anders etwa als im Action-Konkurrenten The Accountant 2, nicht mit unnötigen Schnörkeln. Hardys Rolle als völlig verlotterter Polizist ist sehr unterhaltsam, alle anderen Stars spielen zumindest überzeugend. Evans und Kameramann Matt Flannery (The Raid) kleiden die nächtliche Stadt auch abseits des Gemetzels in stellenweise beeindruckend schöne Bilder.
Drehbuch und Kamera schaffen im Film eine packende Atmosphäre: Diese nächtliche Stadt ist ein Hort der Brutalität, in dem Träume platzen und nichts herrscht außer Gier und Gewalt. Das Figurenensemble besteht, inklusive der Hauptrollen, fast ausnahmslos aus korrupten Schlägern und Verbrechern. Und die wenigen, die reinen Herzens sind, werden zur Belohnung von Kugeln zerfetzt. Das Setting erinnert mit seiner Unmoral und Blutrünstigkeit ein bisschen an den urbanen Höllenschlund aus Sieben.
Havoc hat nur zwei wirkliche Schwächen
Aber um das Action-Pendant zu David Finchers Thriller-Meisterwerk zu werden, hätte Evans seine Figuren dreidimensionaler und emotional greifbarer gestalten müssen. Sie fallen einer strengen Plot-Diät zum Opfer, die die Action begünstigen soll. Das tut sie auch. Aber am Ende hat man das Gefühl, eine sehr schweißtreibende Reise mit jemandem gemacht zu haben, der einem ein bisschen egal ist. Walkers Familientragödie oder die Liebe zwischen Charlie und Mia haben einfach nicht genug Zeit, große Wirkung zu entfalten.
Der einzige andere Wermutstropfen von Havoc betrifft die Action: Im direkten Vergleich von Genre-Meisterwerken wie The Raid lässt es die Inszenierung manchmal an Dynamik und neuen Ideen vermissen. Insbesondere Schießereien wirken dadurch gelegentlich repetitiv. Der große CGI-Anteil des Films komplementiert darüber hinaus die handgemachten Kampfszenen nicht immer wirklich gut.
Im Großen und Ganzen handelt es sich dabei aber um kleine Details. Havoc ist in jedem Fall einer der besten und brutalsten Action-Filme, die Netflix je produziert hat.
Havoc läuft ab dem 25. April 2025 auf Netflix.