Wrecked - Wie gut ist das Sitcom-Lost?

06.08.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
WreckedTBS/TNT Serie
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Eine durchgeschüttelte Flugzeugfüllung aus Passagieren und Besatzung ergießt sich in Wrecked auf einer einsamen Insel. Ohne viel Tiefgang und nahezu überraschungslos ergründet die Sitcom die witzigen Seiten einer Robinsonade.

Wieso gibt es eigentlich nicht mehr Sitcoms, die auf Inseln spielen? Zusammen mit Gilligans Insel ist Wrecked im Subgenre der Robinsonaden-Sitcoms ziemlich einsam unterwegs. Komisch eigentlich, wo doch das abgegrenzte Erzähl-Biotop Merkmal einer jeden Sitcom ist. Und was ist schon abgegrenzter als eine Insel? Auf Inseln ist alles etwas einfacher für den Erzähler, die räumliche Einzäunung schont kognitive Ressourcen, die dann für Dialoge und zwischenmenschliches Funkensprühen oder sogar komplexe Handlungsbögen aufgewendet werden können. Vielleicht liegt es daran: Die meisten Sitcoms gebrauchen die Insel eher als Metapher. Cheers spielt in einer Bar, Die wilden Siebziger in Wisconsin, Scrubs - Die Anfänger in einem Krankenhaus. Ein Entrinnen, so ist es gewünscht, gibt es sowohl aus der Bar, dem Krankenhaus als auch der Kleinstadt in Wisconsin nicht, alle bleiben meist schön da, wo sie sind. Und die Sitcom endet in der Regel dann, wenn die Figuren sich von der Erzählinsel, wie heißt es so schön, zu neuen Ufern aufmachen. Zusammen mit der aufgehobenen Prämisse räumlicher Verankerung, löst sich dann auch die Sitcom selbst in Luft auf.

Das Wrecked-Ensemble

Wrecked nun wählt die Trope der Insel gleichsam als festen Handlungsort. Ein Dutzend durchgehender Figuren ist dort nach einem Flugzeug-Crash gestrandet und wuselt zunächst ziemlich orientierungslos über den mit qualmenden Wrackteilen gesäumten Strand. Der sich anbahnende Absturz wurde vorher aus dem Bauch des Flugzeuges gefilmt. In Zeitlupe wiedergegeben und unterlegt mit gut gelaunter Musik sieht das aus wie eine dieser eskalierenden Partys bei The Wolf of Wall Street. Business-Menschen schmeißen ihre explodierenden Drinks in die Höhe, andere übergeben sich sprudelnd, Gesichter verzerren sich in Ekstase, jubelnde Arme suchen über den Köpfen nach Halt und Sauerstoff-Masken, die wie Konfetti vom Himmel fallen, finden aber nur dünne Luft. Kurzum, der Prolog von Wrecked macht echt Laune, und das, obwohl die Charaktere eher ungeschlacht eingeführt werden: Jeder sagt oder macht im Flugzeug einmal was Dummes oder ihn Charakterisierendes.

Da ist Danny (Brian Sacca), ein Dickerchen, das sich post Absturz sogleich eine Inselidentität erfindet und sich fortan als Polizist begreift, im Gegensatz zu Rick Grimes aus The Walking Dead dies aber nicht mit Hut, Uniform und antrainierter Autorität zu verbriefen weiß. Anführer des verwirrten Haufens aus Überlebenden wäre er trotzdem gerne und so rottet er den Geschäftsmann Pack (Asif Ali) und den Steward Owen (Zach Cregger) um sich. Das Kommando übernimmt jedoch der gutaussehende und pfadfinderisch von der Armee geschulte Liam (James Scott), der allein einem halben Dutzend Passagieren den Hals rettet und dem Tod eine Nase dreht, was er später bereuen soll.

Der Ernst eines Flugzeugabsturzes (wer braucht das auch schon zur Urlaubszeit?) und der Lage an sich spielt keine große Rolle in einer Sitcom, die eine Katastrophe als Initialisierung seiner kleinen Handlungsschneekugel nutzt. Danny, Pack und Owen haben unmittelbar nach der Bruchlandung auf der paradiesischen Insel im aquamarinen Nirgendwo nichts besseres zu, tun als cool auszusehen. Leichen, schwerere Verletzungen oder ähnliches trüben die Stimmung nicht, es genügt, so scheint es, deren sichere Existenz zu erahnen. Der Tod lässt sich allein daran bemerken, dass einige Figuren, die im Flugzeug noch als lebendig eingeführt werden, auf der Insel plötzlich nicht mehr auftauchen. Eliza Coupe zum Beispiel, die als Chef-Stewardess an Bord noch Liam zusammengefaltet hatte.

In Wrecked wird der Ernst der Lage flapsig in der ersten Camp-Konferenz besprochen. Der eifersüchtige Todd (Will Greenberg) raunt dort im Sand hockend seiner Freundin Jess (Ally Maki) zu, sie hätte doch früher da sein sollen, um bessere Plätzen zu organisieren "Wir sitzen im Dreck." Und Liam bedauert im gemütlichen Lagerfeuerflackern vor Wrack-Kulisse, seine Gitarre vergessen zu haben, erntet aufrichtige Lacher und fasst die Situation so zusammen: "Wir sind jetzt drei Tage hier. Wenn die eine Ahnung hätten, wo wir sind, wären sie schon längst hier."

Fazit: Die werden uns so schnell nicht finden. Da hat er wohl nicht ganz unrecht. Praxisbeispiel: Die Suche nach Malaysia Airlines Flight 370 wird gerade eingestellt. Die hat aber immerhin mehr als zwei Jahre gedauert. Angemessen panisch wird die Stimmung auf der Insel erst, als Anführer Liam auf Final Destination-Gedächtnis-Art das Zeitliche segnet, wahrscheinlich auch, weil er dem Tod mit seinen Rettungsaktionen ans Bein gepisst bzw. die Butter vom Brot genommen hat (siehe oben). "Wir haben vielleicht die fähigste Person auf dieser Insel verloren. Ganz sicher wohl die attraktivste", würdigt ihn Owen. Gefeiert wird am selben Abend trotzdem. Die glückseligen Überlebenden gönnen sich hart an der unversehrten Minibar des Flugzeuges. Am nächsten Tag sieht der Strand aus wie Miami Beach während des Spring Break.

Über die Grenzen ihrer gemütlichen Drehbuch-Insel trauen sich die Autoren Jordan Shipley und Justin Shipley kaum hinaus, was in seiner zuverlässigen Berechenbarkeit sogar ganz angenehm ist. Wirkliche schlechte Gags schreiben sie ihren Figuren nicht, wirklich gute aber auch nicht. Es ist ein bisschen wie bei Bad Neighbors: Die Charaktere schreien sich ihre Pointen ins Gesicht, was zwanzig Minuten auch aushaltbar ist. Ansonsten ist Wrecked eine Serie zum Zwischendurchmalreinschauen. Verpasst man eine der 10 Folgen, hat man eigentlich nichts verpasst. Verändern wird sich während der 1. und wahrscheinlich auch während der mittlerweile angekündigten 2. Staffel kaum etwas. Alle bleiben wohl wie und die Figuren da, wo sie sind. Wo sollen sie auch hin.

Die 1. Staffel Wrecked wird seit gestern immer Freitags um 21:30 Uhr von TNT Comedy in deutscher Sprache ausgestrahlt.

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