Vor 29 Jahren, in einer Zeit als Heimcomputer noch in den Kinderschuhen steckten, kam ein Film in die Kinos, der durch seine Optik und sein Vokabular völlig neue Wege ging. Von Vektorgrafiken, Bits und Bytes, Usern und Partitionen war die Rede. Zuviel für das damalige Publikum, was einen kommerziellen Festplattencrash nach sich zog, weswegen Tron erst über Umwege zum technischem Meilenstein avancierte.
Tron Legacy bleibt dieses Kunststück mit Sicherheit verwehrt – auch die nachkommenden Generationen von Filmfans werden in der Fortsetzung nur eines sehen: ein kaltes, frigides Stück Film ohne Herz und ohne Seele. Folgende sieben Gründe gegen Tron Legacy sagen euch, warum ihr lieber Solitaire spielen solltet, als euch diese prepubertäre Cyber-Soap anzutun.
1. Grund: Ein kalter Fisch
Die unterkühlte, überstilisierte Welt von Tron Legacy atmet die Luft von Blade Runner und das ist völlig in Ordnung – schließlich lieben wir den dystopischen Sci-Fi-Klassiker und da wir auch Tron lieben, kann nichts schief gehen. Zumindest bis sich herausstellt, dass Tron Legacy ein dramaturgischer Analphabet ist. Es sind nicht die Einfältigkeit oder die banale Geschichte, die diesen narzistischen Effektporno ungenießbar machen, sondern das Fehlen von jeglicher emotionaler Glaubwürdigkeit und filmischer Empathie. Die einzige Wärme, die Tron Legacy ausstrahlt, ist die der Neonröhren.
2. Grund: Wenn Dummheit weh tun würde
“Es ist unser Schicksal!”, “Ich tu es für meinen Sohn/Vater!”, “Was hast du getaaaaaaaan!!!”. Mein Tipp an Disney: Verkauft das Filmscript als Witzbuch und die 170 Millionen Dollar sind wieder drin – mit Gewinn! Der Antagonist versucht, mit einer Armee von geschätzten 50.000 Cyberkriegern und einer überschaubaren Kriegsmaschinerie die Welt der User zu erobern – schön und gut, die Schweiz hat er damit im Sack. Und weiter?
3. Grund: Vati, ich hab dich lieb!
Der Film will einem doch tatsächlich das Ganze als Vater-Sohn-Drama verkaufen und das obwohl er sich auf dem emotionalen Entwicklungsstadium eines Vierjährigen befindet. Die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist so zermürbend seicht, dass sich der Zuschauer wünscht, Flynns erster Trip in den Cyberspace hätte ihn sterilisiert. Mit der Liebesgeschichte verhält es sich ähnlich, nur steht dafür kein Oscar-Preisträger mit seinem Namen gerade.
4. Grund: Blasphemie!
Was haben sie dir angetan? Tron, der Held meiner Jugend, gespielt von dem anbetungswürdigen Bruce Boxleitner, wurde zu einer Clownfigur degradiert. Ein Darth Maul für Arme und Bedürftige, ausgerüstet mit dem Verstand eines 8086 CPUs – bestenfalls!
5. Grund: May the Fris-bee with you!
Anno 1999, als wir aus der Kinovorstellung von Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung kamen, waren wir uns sicher, die prepubertäre Fahnenstange erreicht zu haben. Doch nun hat Anakin seinen Meister gefunden, die Charaktere aus Tron Legacy unterbieten die schlechten Dialoge und die peinlichen prepubertären Charaktere aus Episode 1 um Längen. Selbst der Jeff Bridges himself, der sich gerade als knallharter Marshall Cogburn in True Grit erneut auf Oscar-Kurs befindet, wird zum Jammerlappen degradiert. Von der digitalen Botox-Schaufensterpuppe fangen wir gar nicht erst an – Jar Jar Binks who?
6. Grund: Quadratisch, plastisch, mies!
Es ist lobenswert, dass Tron Legacy in der 3D-Fassung auch klassisches 2D verwendet, um den Kontrast zwischen der Realität und der virtuellen Welt zu unterstreichen. Theoretisch. Praktisch machte einem das neu gerenderte 3D-Disneylogo zu Beginn den Mund wässrig, danach wartete ich gespannt auf den nächsten Mindblowing 3D-Effekt … bis ich realisierte, dass der Film zu Ende war.
7. Grund: Teuerstes Musikvideo aller Zeiten
Das Positive an dieser ganzen Tragödie ist, dass Tron Legacy zwar als Film komplett versagt, ihn das aber gleichzeitig als 170 Millionen Dollar Musikvideo prädestiniert. Das hebt den sehnlichst erwarteten Soundtrack der beiden Electropunker aus Frankreich in den Mittelpunkt. Daft Punk tun, was sie am besten können und garnieren das Ganze mit einigen fremdinspirierten klassischen Filmmusikeinflüssen – wer sich an Batman Begins und The Dark Knight erinnert fühlt, der irrt nicht. Nur, warum in Users Namen wurde keine einzige Note von Wendy Carlos unvergesslichen Original-Score verwendet? Wer sich auch immer dafür verantwortlich zeichnete, sollte desintegriert werden!
Bei wem aufgrund dieser blasphemischen Zerstückelung des einstigen Klassikers nicht die Tränen kommen, ist vielleicht bei der verirrten Pro-Fraktion besser aufgehoben.
Übrigens, die Jungs von Daft Punk bewegten sich mit ihrem offiziellen Musikvideo zu “Dereezed” bewusst weg von der Tron Legacy Ästhetik und verhalfen der klassischen Tron-Grafik zu neuem Glanz – was durchaus als unterschwellige Kritik am Film verstanden werden darf. Aber seht selbst:
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