Act of Valor, Gaming & ein Haufen Propaganda

21.05.2012 - 09:52 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Act of Valor - Der Krieg als First Person Shooter
Universum
Act of Valor - Der Krieg als First Person Shooter
18
17
Was hat Der Soldat James Ryan mit einem Navy SEALs-Werbefilm zu tun? Diese und andere Fragen werden womöglich im folgenden Text beantwortet. Doch Vorsicht: Das Wort Games kommt darin vor.

Patriotische amerikanische Kriegsfilme gehen in Deutschland ja eher unter. Ob Act of Valor diese Regel bestätigen wird, werden wie nächste Wochen sehen. Am Donnerstag startet der Actionstreifen mit den offensichtlichen Hintergedanken nämlich in unseren Kinos. In den USA war der Film Anfang des Jahres ein Überraschungserfolg. Knapp 70 Millionen Dollar spielte Act of Valor dort ein und das bei einem Budget von rund 12 Millionen. Kritiker des rundherum ziemlich schlechten Streifens werden im Internet mit großer, patriotischer Wucht beleidigt. Ich empfehle hierzu die Kommentare zur Kritik von Richard Corliss als bestes Entertainment. Doch all der Backlash, all die beleidigten Fans eines dümmlichen Streifens, der mit rassistischen Stereotypen hausieren geht, sind nur halb so interessant wie seine Inszenierung. Act of Valor markiert eine neue Qualität des Kriegsfilms und das in erster Linie nicht einmal wegen seiner bemühten Authentizität, sondern der ästhetischen wie strukturellen Verwandtschaft zu First Person Shootern wie Call of Duty und Battlefield.

Wie Neorealismus, nur mit Tod und Verderben
Die erste Aufmerksamkeit erregte Act of Valor mit klassischen Making of-Informationen. Klar, waren alle eine große Familie am Set, aber besagte Familie bestand aus echten Navy SEALs, deren Namen im Abspann nicht genannt werden. Co-finanziert vom Pentagon gelang es den Regisseuren Mike McCoy und Scott Waugh, unglaubwürdige Schauspieler von vornherein durch Experten zu ersetzen, deren mimische Fähigkeiten zwar begrenzt, deren langjährige Erfahrung dafür viel lebensechte Action garantieren sollte. Act of Valor wollte den Dienst an der Waffe als Navy SEAL so zeigen, wie er in Wirklichkeit ist oder zumindest so, wie ihn das US-Verteidigungsministerium gern transportieren möchte.

Soweit, so langweilig. Im Marketing fielen jedoch schon seltame Strategien auf. So wurde der Trailer für Act of Valor auf der Homepage von Battlefield 3 gezeigt. Nur zur Information: Neben Call of Duty – Modern Warfare 3 bildete die direkte Konkurrenz Battlefield 3 einen der größten Spiele-Starts des letzten Jahres. Angelockt wurden die User übrigens durch Hundemarken, die sie auf der Seite kostenlos herunterladen und im Spiel (für was auch immer) nutzen konnten. Besagte Marken spielen in Act of Valor nämlich eine wichtige Rolle, um Opferbereitschaft und Zusammenhalt der SEALs zu verdeutlichen.

Im Ego-Shooter gegen den Rest der Welt
Dass Act of Valor jedoch mehr ist als nur ein Werbefilm für die Eliteeinheit der Navy, der sich zufällig auch an Freunde von First Person Shootern wendet, zeigte sich bei Ansicht des Films. Obwohl der Trailer via Battlefield 3 verbreitet wurde, erinnert der Streifen nämlich an die inoffizielle Verfilmung jüngerer Call of Duty-Teile. Osteuropäische Terroristen bedrohen die USA, weshalb die Spezialeinheit auf dem ganzen Globus geheime Missionen ausführen muss. Charakterisierungen sind nur marginal vorhanden, auch wechselt der Blickwinkel von Mission zu Mission. Letztere gestalten sich übrigens so abwechslungsreich, dass ich im Kino schon den triumphierenden Gong einer gewonnenen Trophäe erwartet habe. Leider wurden am rechten oberen Bildrand keine Belohnungen für bestandene Aufklärungs-, Infiltrations- und andere Missionen eingeblendet. Vielleicht hätte der Film dann mehr Spaß gemacht.

Act of Valor springt mit seinen gesichtslosen Helden nicht nur von den Philippinen, nach Somalia, in die Ukraine und an die mexikanische Grenze, stets auf der Jagd nach bösen (jüdischen und muslimischen) Buben. Auch in der Optik werden die einschlägigen Genre-Beiträge zitiert. So werden die Actionszenen mit First Person-Aufnahmen angereichert, in denen wir, wie im Spiel, nur die Waffe, ein Stück vom Arm und die zu erledigenden Gegner zu sehen bekommen. Sporadisch eingesetzte Zeitlupenaufnahmen erinnern zudem an Cut Scenes. In den Games bildet der Wechsel der Blickwinkel, aufwendige, eher narrative Sequenzen und ähnliches ein Konglomerat an Strategien, um eine Immersion des Spielers zu bewirken. Wir werden förmlich hineingezogen, wenn wir als Soap oder wer auch immer durch die zusammen brechenden Hochhäuser bekannter Großstädte rennen und die Grenzen zwischen Ingame-Sequenzen und Cutscenes vor unseren Augen langsam verschwimmen. Diese Strategien verdanken dem Medium Film nicht wenig. Nun erfolgt der Zirkelschluss.

Wer zuerst schießt, mahlt zuerst
Aber warum werden die Mechanismen von Videospielen nun ausgerechnet in einem modernen Kriegsfilm eingesetzt? Zielgruppendenken spielt eine gewichtige Rolle, schielt das Verteidigungsministerium doch auf junge Männer als mögliche Rekruten. Spätestens seitdem wir am Omaha-Beach den ohrenbetäubenden Lärm der Maschinengewehre hautnah miterleben durften, befindet sich der Kriegsfilm allerdings selbst im Wandel. Der Soldat James Ryan brachte eine neue Sinnlichkeit in das Genre, egal ob es nun der förmlich zu schmeckende Dreck war, der herumflog oder das Sounddesign, durch welches wir Kugeln am Ohr vorbeifliegen fühlten. Letzteres bemühte sich besonders darin, einen mögllichst realistischen Effekt zu erzielen. Wir, die Zuschauer, sollten das Kriegsgeschehen nicht mehr als distanzierte Beobachter wahrnehmen und einschätzen, sondern an der Seite von Tom Hanks durch das Chaos stürzen.

Was bei Steven Spielberg vor allem eine affektive Wirkung erzielen sollte, hat sich nach diversen Copycats und Weiterentwicklungen entemotionalisiert. Die Adaption von bestimmten Strategien der First Person-Shooter kann als evolutionärer Schritt in der Entwicklung des Kriegsfilms gesehen werden. Anstatt den bloßen Affekt des Zuschauers zu bedienen, versteht es Act of Valor durch die vor allem visuelle Immersion, Kriegshandlungen zu bloßer Action, zum entideologisierten und kalten Spektakel verkommen zu lassen. Es mag nicht der erste Film sein, der das Genre den Videospielen näher bringt. Mit seiner rein propagandistischen Ausrichtung, die vor menschenfeindlichen Stereotypen nicht zurückschreckt, ist es aber einer der perfidesten.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News