Adel verpflichtet - Ein Film für schwarzhumorige Soziopathen

28.03.2017 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Adel verpflichtet mit Dennis PriceNeue Filmkunst
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Adel verpflichtet ist eine schwarze Komödie, wie sie im Buche steht. In diesem Artikel erkläre ich euch, wieso mich das makabere Meucheln so gut unterhält.

In meinem heutigen Herz für Klassiker stelle ich euch einen Film vor, in dem Obi-Wan Kenobi acht Mal stirbt. So oder so ähnlich würde ich Adel verpflichtet jedenfalls beschreiben, um jemanden möglichst schnell davon zu überzeugen, sich den Film anzusehen. Allerdings habe ich in diesem Format etwas mehr Zeilen zur Verfügung und so kann ich euch genauer erklären, was es mit der britischen Komödie auf sich hat. Denn auch wenn der vor allem aus Star Wars bekannte Alec Guinness gleich in achtfacher Ausführung auf- und abtritt, ist es nicht der einzige Grund, warum Adel verpflichtet ein solch amüsanter Film ist.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Zu Beginn sehen wir den Adeligen Louis Mazzini D'Ascoyne (Dennis Price) im Gefängnis sitzen. Während er auf die Vollstreckung seiner Todesstrafe am morgigen Tag wartet, verfasst er seine Memoiren. Diese liest er nun laut vor und offenbart uns somit in einer Rückblende, die fast den gesamten Film andauert, wie es zu dem Urteil kam. Louis war nämlich ein Mitglied der wohlhabenden Familie D'Ascoyne, doch seine Mutter wurde verstoßen und mit ihr musste er ein Leben als einfacher Arbeiter führen. Louis sieht sich von der Familie betrogen und entschließt sich dazu, alle D'Ascoynes umzubringen, die vor ihm in der Erbfolge stehen, um Herzog zu werden.

Morden aus Sicht eines Mörders

Dennis Price ist in seiner Darstellung eines kühl berechnenden Serienkillers, der irgendwie auch eine charmante Seite hat, einfach grandios. Zwar sind seine Taten grausam, doch da er zugleich Erzähler ist, erleben wir das Geschehen aus seiner Sicht. So erfahren wir die Motivation des verstoßenen Erben, von seinen tragischen Ursprüngen bis hin zu der Arroganz seiner Familie, die dessen Existenz immer wieder leugnete und ihn damit das Leben verweigerte, das ihm eigentlich zustand. Zwar ist das noch lange keine Rechtfertigung für den Entschluss, sie alle zu ermorden, doch trotzdem versetzt es uns in Louis' Lage und wir fiebern mit ihm mit.

Immer wieder beteuert Louis, was für ein mitfühlender Mensch er eigentlich sei und wie sehr es ihn schmerze, seine Verwandten töten zu müssen. Doch die Borniertheit seiner Angehörigen fordere ihn geradezu hinaus und sie hätten es daher verdient zu sterben. Der Titel Adel verpflichtet beschreibt das Innenleben unseres Mörders äußert treffend. Aus seiner Sicht muss er einfach alle Schritte in die Wege leiten, um sein Erbe zu erhalten, ihm bleibt quasi keine andere Wahl. Louis möchte, dass dies auch derjenige versteht, der seine Memoiren liest, und zeigt sich daher von seiner besten Seite, während er seine kaltblütigen Morde beschreibt. Dabei wird der Tod der Figuren auch nie explizit dargestellt, entweder die Opfer entschlummern friedlich oder sterben außerhalb unseres Blickfelds. Gut möglich also, dass es in Wahrheit viel blutiger und grausamer zur Sache ging und uns Louis nur eine romantisierte Sicht der Dinge zeigt.

Der achtfache Alec Guinness

Es ist faszinierend zu sehen, wie uns Adel verpflichtet in die Lage eines Mörders versetzt, allerdings sind die Opfer ebenfalls etwas ganz Besonderes. Wie eingangs erwähnt, schlüpft Alec Guinness in gleich acht verschiedene Rollen. Er verkörpert all die Familienmitglieder, die Louis auf dem Weg zum Erbe ausschalten muss, und verleiht jedem Einzelnen von ihnen eine spezielle Facette. Als alternder Bankier Ascoyne D'Ascoyne ist er besorgter Vater und Geschäftsmann, als dessen gleichnamiger Sohn gibt er sich der sinnlichen Begierde hin, Admiral Horatio steht der Stolz ins Gesicht geschrieben, General Rufus zeichnet sein explosives Ego aus, Reverend Henry D'Ascoyne ist eher naiv, während dessen Sohn leidenschaftlich gerne fotografiert, als Lady Agatha spielt Alec Guinness sogar eine Frau und als Herzog Ethelred D'Ascoyne ist er außerdem das Oberhaupt der Familie.

Es ist aus heutiger Sicht natürlich besonders interessant zu sehen, wie Alec Guinness sich in den vielen Rollen schlägt. Mit Die Brücke am Kwai gewann er 1958 einen Oscar und spätestens seit Krieg der Sterne ist er weltbekannt, doch damals, im Jahr 1949, war der Engländer ein noch unbekanntes Gesicht. Die Maskenbildner von Adel verpflichtet nutzten das noch unbeschriebene Blatt, um es mit acht verschiedenen Umgestaltungen zu versehen, und Alec Guinness füllt jede einzelne Variante wunderbar aus.

Schwarzer Humor in seiner reinsten Form

Mit Dennis Price und Alec Guinness hat Adel verpflichtet bereits zwei hervorragende Akteure, die sich wie auf einem Tennisplatz gegenseitig die Bälle zuspielen. Der Untergrund, auf dem der komödiantische Schlagabtausch stattfindet, ist allerdings kein saftig-grüner Rasen oder himmelblauer Hartplatz. Passend zum Humor ist er so schwarz wie ein Rabe im Kohlehaufen bei Nacht und so trocken, dass ihr euch am besten einen Schluck Wasser bereitstellt. Der Protagonist mordet sich mit einem solch selbstverständlichen Zynismus durch die familiären Reihen, dass ich teilweise gar nicht merkte, was für ein schrecklicher Soziopath er doch ist. Der emotionslose, fast gelangweilte Erzählstil von Louis bietet die stilistische Richtschnur für die Komödie und entwickelt eine ganz eigene, unkonventionelle Art von Humor.

Adel verpflichtet ist kein Film, bei dem ich vor Lachen auf dem Boden lag. Ich weiß nicht mal, ob meine Emotionen beim Ansehen über angespannte Mundwinkel und pointiertes Nasenpusten hinausgingen. Ich weiß nur, dass mich das Werk von Regisseur Robert Hamer sehr amüsiert hat, dass es mir positiv in Erinnerung blieb und ich auch beim zweiten Mal meine volle Freude daran hatte. Für mich ist es ein Film, der mir trotz seines bösartigen und verdorbenen Protagonisten gute Laune macht. Pechschwarz und doch irgendwie erhellend.

Was haltet ihr von Adel verpflichtet?

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