Andor Staffel 2 ist das phänomenale Finale einer unerwarteten Star Wars-Trilogie, wie wir sie womöglich nie wieder sehen werden

21.04.2025 - 18:01 UhrVor 16 Stunden aktualisiert
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Die 2. Staffel von Andor ist der größte Star Wars-Triumph seit Jahren. Tony Gilroy vollendet sein Serien-Meisterwerk mit zwölf phänomenalen Episoden, die den Blick auf die Sternensaga verändern.

Wie oft will Star Wars noch den Todesstern zurückbringen? Bereits in der Original-Trilogie wurde der mächtige Koloss, der sich wie ein Schatten über die weit entfernte Galaxis legt, zweimal zerstört, ehe Star Wars: Das Erwachen der Macht gleich einen ganzen Planeten in ein nicht weniger vernichtendes Nachfolgeprojekt verwandelte und Rogue One: A Star Wars Story vom Diebstahl der Pläne des Originals erzählte.

Dass sich die Spin-off-Serie Andor in zwei Staffeln der Massenvernichtungswaffe widmet, könnte als purer Hohn abgetan werden – besonders in einem Franchise, das dieser Tage viel zu sehr auf die Rückkehr vertrauter Dinge setzt, anstelle unerschrocken ohne Nostalgie-Bonus in den Hyperraum zu springen. Genau das hat Serienschöpfer Tony Gilroy mit Andor geschafft – und die 2. Staffel besiegelt seinen Triumph.

Der Todesstern rückt näher: Der Rebellen-Allianz bleibt keine Zeit mehr vor dem Weltuntergang

Andor war eine der ersten Star Wars-Realserien, die für den Streaming-Dienst Disney+ angekündigt wurden. Der ursprüngliche Plan sah vor, die Vorgeschichte des Rebellen-Captains Cassian Andor (Diego Luna) in fünf Staffeln zu erzählen – mit jeder Staffel wären wir den Ereignissen von Rogue One ein Jahr näher gekommen. Das ambitionierte Vorhaben entpuppte sich jedoch als zu zeitfressend für die Beteiligten.

Andor wurde auf zwei Staffeln mit jeweils zwölf Episoden zusammengeschrumpft, sodass wir jetzt nicht nur die Fortsetzung, sondern auch das Finale zu Gesicht bekommen. Für Gilroy war die Einschränkung eine Erleichterung, wie er in mehreren Interviews betonte. Denn mit einem klaren Rahmen konnte er hoch konzentriert an der einen Geschichte feilen, die er unbedingt erzählen wollte – und das merkt man.

Mehr noch als in der 1. Staffel, die ein Jahr im Leben von Cassian Andor abdeckte, fällt nun jedes gesprochene Wort ins Gewicht. Gilroy und seinem Team bleiben drei Episoden pro verbliebenem Jahr, ehe wir an Rogue One andocken. Mit anderen Worten: Die 2. Staffel feuert ab der ersten Sekunde aus allen Rohren, wenn Cassian einen TIE Avenger aus einer geheimen imperialen Basis stiehlt und durch die Wand bricht.

Eine unheimlich stylishe Eröffnungssequenz voller Bewegung, Energie und einer kalten Ungewissheit, die urplötzlich im Chaos mündet, da Cassian keine Ahnung hat, wie der den Prototypen steuern soll. Entgegen der sorgfältigen Intrigen der 1. Staffel nähern sich die Zeiger auf der Weltuntergangsuhr schneller der Mitternachtsstunde und der Rebellion bleibt keine Zeit mehr, um jede Entscheidung im Detail abzuwägen.

In Andor Staffel 2 wird jede Figur zu einer Ressource und kann als Bauernopfer im Sternenkrieg enden

Doch wer ist überhaupt diese Rebellion, die sich dem Imperium widersetzt? Ist es Mon Motham (Genevieve O'Reilly), die im Senat auf diplomatische Lösungen setzt und an die Vernunft appelliert? Oder Saw Gerrera (Forest Whitaker), der in einer stürmischen Nacht dem Wahnsinn verfällt, als würde man ein Star Wars-Schauermärchen aus dem Jenseits betrachten? Und wo genau steht Luthen Rael (Stellan Skarsgård)?

Schon Rogue One war damit beschäftigt, das offensichtliche Gut-Böse-Schema von der Hellen und der Dunklen Seite der Macht aufzulösen. Die 2. Staffel von Andor taucht so tief in moralischen Grauzonen, dass einzelne Parteien, die eigentlich auf derselben Seite stehen, gegeneinander arbeiten und sich im entscheidenden Moment nicht einmal als Verbündete erkennen, weil das Misstrauen alles überschattet.

Wenn Gilroy die Entstehung des Todessterns nachvollzieht, zeigt er uns nicht einfach nur die Montur von riesigen Bauteilen, die in der Finsternis des Weltraums – verborgen vom Rest der Galaxis – zusammengeschraubt werden. Er durchleuchtet die komplette Infrastruktur eines faschistischen Systems, das mehr und mehr Welten vereinnahmt und darauf hofft, dass die Rebellen im richtigen Moment das Falsche machen.

In Andor ist jede Figur eine Ressource, ob sie es weiß oder nicht. Am schärfsten schält Gilroy dieses Verhältnis in der Beziehung zwischen Dedra Meero (Denise Gough) und Syril Karn (Kyle Soller) heraus, die in unterschiedlichen Positionen für das Imperium arbeiten und sich in einer Beziehung befinden, bei der man sich niemals sicher sein kann, ob es am Ende um Arbeit oder Liebe geht. Toxisch ist es auf alle Fälle.

Andor Staffel 2 verändert euren Blick auf Rogue One und Star Wars, aber nicht so, wie ihr denkt

Gilroy dekliniert den Funken von Rebellion auf mikroskopischer Ebene durch und entdeckt stets einen cleveren wie unerwarteten Weg, um sich den bekannten Eckpfeilern des Star Wars-Kanons anzunähern. Andor verwandelt sich in seiner 2. Staffel in eine Serie voller Splitter im Angesicht überlebensgroßer Bilder wie eben jenes des Todessterns, der den Himmel verdunkelt. Jedes Ereignis ist in den Figuren verankert.

Diese zutiefst menschliche Perspektive auf einen High-Concept-Blockbuster wie Krieg der Sterne, der uns mit bewusst überzeichneten Ideen in den Bann zieht, ist eine der verblüffendsten Eigenschaften der Serie. Wenn Tony Gilroy sagt, dass wir nach Andor das Star Wars-Universum mit anderen Augen sehen werden, meint er damit nicht irgendwelche narrativen Lücken und Logiklöcher, die er mit der Serie schließt.

Was wir nach Andor begreifen, sind die tiefen Augenringe in Cassians Gesicht, wenn er in Rogue One zum ersten Mal in Erscheinung tritt. Die Erschöpfung in seinen Knochen, die gedämpfte Stimme, mit der er spricht. Mon Mothmas gediegene Garderobe, ihre eng anliegenden Haare und ihr trauriger Blick, der kaum noch etwas vom Glanz Chandrilas erahnen lässt. Nach Andor versteht man, warum er verschwunden ist.

Mit bemerkenswerter Kompromisslosigkeit bringt Gilroy seine Figuren an einen Punkt, an dem sie sich entscheiden müssen, wie weit sie bereit sind, für den Sonnenaufgang zu gehen, den sie selbst niemals sehen werden. Mit jeder Episode wiegen die Opfer schwerer und gleichzeitig kann die Notwendigkeit des Handelns nicht länger ignoriert werden, weil wir uns mit großen Schritten auf den Abgrund zubewegen.

Andor Staffel 2 beendet die unerwartete Rogue One-Trilogie mit einem niederschmetternden Finale

Im Grunde imitiert die 2. Staffel in ihrer leicht abgewandelten Form gegenüber der ersten Runde exakt den gesteigerten Druck, den die Figuren erleben. Selbst ein wohlhabender Planet wie Ghorman findet sich plötzlich in einer Eskalationsspirale wieder, die sich von einer schleichenden, unscheinbaren Bewegung in einen Tornado verwandelt, der die gesamte Galaxis zum Beben bringt, wenn sie davon erfährt.

Der definierende Monolog der 1. Staffel fand im Geheimen auf einer Zwischenebene in Coruscant statt, als Luthen im Schutz der Dunkelheit einen Blick in seine Rebellenseele offenbarte. Die 2. Staffel verlagert diesen Moment in eine Öffentlichkeit, bei der man sich nie sicher sein kann, auf welche Seite sie sich schlägt. Theoretisch wissen wir, wie die Geschichte endet, doch Andor lässt uns bis zum Schluss zittern.

Eine hoffnungslose, geradezu vernichtende Star Wars-Geschichte, die in ihrer Gestaltung mit einer Eleganz aufwartet, der man sich unmöglich entziehen kann. Es gibt wenige Serien, die so messerscharf geschrieben, inszeniert und gespielt sind. So viele Nuancen. So viele Ambivalenzen. So viele Figuren, denen wir in den Untergang folgen. Nach Andor fühlt sich keines der ikonischen Star Wars-Bilder mehr selbstverständlich.

Fazit: Wer hätte gedacht, als Rogue One vor neun Jahren ins Kino kam, dass der erste Star Wars-Anthologiefilm den Grundstein für eine Trilogie legen würde? Eine Trilogie, die Tony Gilroy phänomenal mit den beiden Andor-Staffeln ausformuliert hat. Bei all der Planung, die in der vergangenen Dekade in den Ausbau des Franchise geflossen ist, strahlt Andor als Lightning-in-a-Bottle-Moment, der nicht berechnet werden kann.

Die 2. Staffel von Andor feiert am 23. April 2025 ihre Premiere bei Disney+. Jede Woche wird ein Block mit jeweils drei Episoden veröffentlicht. Dieser Serien-Check basiert auf allen zwölf Episoden.

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