Corinna Harfouch zählt zu den wichtigsten deutschen Schauspielerinnen. Im Gespräch über ihre Rolle in This Is Love findet sie viel anerkenndende Worte für Regisseur Matthias Glasner und ihrev Schauspielkollegen Jens Albinus. Dieses Jahr war Corinna Harfouch im Kino schon in Whisky mit Wodka zu sehen. Sie ist unter anderem Trägerin des Adolf Grimme-Preises und des Bayerischen Filmpreises.
Wie würden Sie Ihre Figur, die Maggie, beschreiben?
Corinna Harfouch : Maggie ist eine Frau, die das Leben sehr ernst nimmt. Sie ist vor 16 Jahren aus einer Art Himmel gestürzt, und hat einen tiefen Schock erlitten, weil ihr Mann sie und ihr Kind verlassen hat, ohne sie über die Gründe zu informieren. Also hatte sie keinerlei Chancen, zu verstehen, was da passiert ist. Später bekommt sie heraus, dass der Mann zwar nicht mit ihr, aber mit ihrer Tochter kommuniziert, und das muss sie sogar als einen noch größeren Verrat empfinden. Ab diesem Zeitpunkt gleitet ihr Leben in eine Blase, es bleibt stehen, entwickelt sich erst mal gar nicht mehr weiter! Dieser schmerzvolle Zustand bleibt einfach. Ansonsten sieht es so aus, als gäbe es einen starken Unterschied zwischen ihrem Tag- und ihrem Nachtleben.
Wieso wurde Maggie denn von ihrem Mann verlassen, und von ihrer Tochter quasi verraten?
Corinna Harfouch : Ich glaube dass die wirklichen Katastrophen im Leben erschütternderweise aus winzigen Kleinigkeiten entstehen, die sowas von nichtig sind wenn man sie betrachtet… Vor allem, wenn man es aus einem Gekränktheitsgefühl heraus nicht mehr schafft, miteinander zu reden, und je länger man nicht miteinander spricht, desto schwieriger wird es. Man hat ein schlechtes Gewissen, führt einen inneren Monolog mit dem anderen, aber lässt nichts nach außen dringen. Da entstehen immer größere und unüberwindlichere Gedanken- und Gefühlsgebilde. In denen steckt man plötzlich fest. Für Maggie jedenfalls war der Grund, aus dem ihr Mann sie letztendlich verlassen hat, eine Kleinigkeit. Sie hat in ihrem Verhalten nichts Großes, Wichtiges gesehen, ihr Mann schon.
Was passiert mit ihr, als sie im Verhörraum Chris begegnet?
Ihre Lebenssäfte wachen wieder auf, ihre Intuition auch, sie merkt, dass sie wieder etwas empfindet. Natürlich misstraut sie diesen Gefühlen zunächst, so wie sie es gelernt hat. Aber ihr Interesse an Chris wird stärker, und je lebloser er wird, desto lebendiger wird sie.
Was verbindet Maggie und Chris denn? Also was spürt sie bei ihm?
Corinna Harfouch : Sie erkennt sich in einer ganz bestimmten Weise in ihm. Er hungert und er schweigt, sie säuft und sie schweigt. Dass dieses gegenseitige Erzählen in Gang kommt, mit einem ganz und gar fremden Menschen, das ist etwas ganz Gewaltiges, wie eine Katharsis, eine Erlösung. Sie spürt dass er an einer Wunde leidet, die mit Liebe zu tun hat. Darin erkennt sie sich wieder, darüber weiß sie etwas, sie kann ihrem Instinkt folgen.
Bei einer Szene wie der abendlichen Kneipensause mit Maggie und ihren Freunden, die ja sehr frei und echt wirkt – muss ein Regisseur einem da besonders viel Raum für Improvisationen lassen?
Corinna Harfouch : Diese Szene haben wir in einer Kneipe gedreht, von abends bis zum frühen Morgen. Sicher war dabei nur, dass irgendwann dieses Lied gesungen wird! Ansonsten wussten wir weder, wo sich die Kamera befindet, noch, wann gedreht wird, wir wurden gar nicht eingeweiht. Wir sind einfach langsam in Feierlaune gekommen, es wurde getrunken, geraucht, geredet und gar nicht auf die Kamera geachtet, es war fantastisch, so zu drehen! Ich möchte immer so drehen! Es wurde einfach nur immer lustiger, auch durch den Alkohol…
Maggies Verhältnis zum Alkohol ist ja eh sehr wichtig im Film, und wird auch nicht geschönt dargestellt – sie ist tatsächlich Alkoholikerin…
Corinna Harfouch : Ja, ist sie, und ich liebe diese Szene, in der ihr Freund ihr in der Küche vorschlägt, mal nichts zu trinken und stattdessen schön zu essen… und schon breitet sich eine graue Trostlosigkeit aus… Das Verhältnis zum Alkohol so zu erzählen, ihn eben nicht nur als Dämon, sondern als lieben Freund darzustellen, jedenfalls, wenn man es ansonsten wirklich nicht aushält, das finde ich toll. Zum Schluss werden die beiden wieder bunt, weil sie blau sind.
Wie macht man das, wenn man einen großen Teil des Films in einer sehr desillusionierten Stimmung verbringen muss?
Corinna Harfouch : Zwischen Matthias Glasner und mir gibt es eine enorme Verbindung. Er bringt mich dazu, mich vollkommen im Spiel fallen zu lassen, so erreiche ich beim Spielen die Erfüllung einer Sehnsucht. Genau das ist, was ich anstrebe: Dass man – über sein eigenes Leben hinaus – noch mehr lebt, dass man sein Leben noch mehr intensiviert! Das ist mein kruder Wunsch, darum mache ich das. Bei der Arbeit mit Matthias komme ich dem sehr nah.
Weil Sie sich auf ihn verlassen können?
Corinna Harfouch : Ja, weil ich bei ihm keine Zweifel haben muss. Und ich halte mich darum gern in diesem Raum auf, den er schafft. Das macht die Sache mehr als angenehm. Sogar wenn man etwas Unangenehmes spielt. Man muss also nicht in eine depressive Stimmung geraten, sondern sich einfach fallen lassen.
Haben Sie an den Dialogen mitgearbeitet?
Corinna Harfouch : Es wurde darüber gesprochen, aber die Dialoge sind für mich fest. Es gibt Ausnahmen, aber ich bin ohnehin jemand, der ganz gern die Aufgabe bewältigt, mit dem vorhandenen Material hinzukommen. Ich versuche, es darauf anzulegen, dass dieses Fremde in den Sätzen eben aus mir kommt, dass ich mir das aneigne.
Können Sie etwas zu Maggies Verhältnis zu ihrer Tochter sagen?
Corinna Harfouch : In diesem Punkt, den sie als Verrat empfindet, ist Maggie selber irgendwie kindlich, sie schafft es da nicht, stark zu sein, die Mutter zu sein, dafür ist die Verletzung zu groß. An manchen Stellen in diesem Film möchte man ja wie in einem Kaspertheater rufen: Sprich och endlich mit ihr!
Wie war die Arbeit mit Jens Albinus?
Corinna Harfouch : Ich hatte natürlich vorher schon absoluten Respekt vor ihm, kannte ihn als Schauspieler. Matthias Glasner und Jens Albinus haben mich vor dem Dreh irgendwann mal in meinem Haus esucht, ich habe für sie gekocht. Jens Albinus habe ich dabei als still und unglaublich konzentriert erlebt.. wie auch später bei der Arbeit. Der ist die ganze Zeit bei sich, und identifiziert sich sehr stark, ist auch sehr streng mit sich. Wir hatten eine sparsame, aber wirklich sehr liebevolle Kommunikation. Wenn man weiß, wofür man in diesem wichtigen Rollen Verantwortung trägt, ist Respekt sehr wichtig.
Können Sie etwas zu den Kostümen sagen, die ja auch in Maggies Fall sehr stark ihre Persönlichkeit widerspiegeln…
Corinna Harfouch : Das war, das muss ich sagen, wirklich eine richtig tolle Kostümbildnerleistung! So etwas habe ich noch nicht oft erlebt. Ich wäre gar nicht darauf gekommen, dass die Maggie-Figur ihre Sexualität so laut schreiend vor sich herträgt, aber es gab mir damit die Möglichkeit, darin völlig unschuldig zu agieren. Die meisten hätten Maggie, die einsame Trinkerin, bestimmt mehr oder weniger als Schlampe ausstaffiert, als jemanden, der nicht auf sich achtet. Unsere Kostümbildnerin Sabine Keller nicht, und ich bin ihr unglaublich dankbar für diesen Vorschlag. Das war sehr hilfreich, und machte die Figur noch komplexer. Man sieht, dass da etwas Gesundes und etwas Krankes in Maggie stecken.
Mit Material von Kinowelt
This Is Love kommt am 19. November in die Kinos. Mehr Informationen zum Film findet ihr HIER.