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"Dann hast du den Film wohl nicht verstanden!" - eine Spottrede

27.12.2014 - 13:01 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Edward Norton in Fight Club
Twentieth Century Fox
Edward Norton in Fight Club
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Kennt ihr das? Ihr schaut einen Film. Er gefällt euch nicht. Also wollt ihr eure Meinung auf Moviepilot preisgeben, doch als ihr unbedarft durch die Kommentarspalten scrollt, merkt ihr mehr und mehr, dass Gegenwind hier nicht gern gesehen ist, denn ...

Kennt ihr das? Ihr schaut einen Film. Er gefällt euch nicht.

Also wollt ihr eure Meinung auf Moviepilot preisgeben, doch als ihr unbedarft durch die Kommentarspalten scrollt, merkt ihr mehr und mehr, dass Gegenwind hier nicht gern gesehen ist, denn wer diesen Film nicht mag, der wird in der Regel als dümmlich, ignorant oder desinteressiert diffamiert.

Beginnen wir mit der zugehörigen Aussage, die es auf Moviepilot nicht selten zu lesen gibt:
"Dann hast du den Film wohl nicht verstanden!"

Frei nach Friedemann Schulz von Thuns 4-Seiten-Modell :

Sachaspekt: "Ich denke, du hast die Aussage des Films nicht verstanden."

Selbstaussage: "Ich habe ihn verstanden, weil ich klug bin, und du bist dumm."

Appell: "Du bist dumm. Schau ihn dir noch einmal an und streng dein kleines Hirn an! Dann: Sei meiner Meinung!"

Beziehungsebene: "Ich bin intelligenter als du, also werde ich dein Lehrer sein, Fremder!"

Die vorgefundene Problematik ist, ganz abgesehen davon, dass solch ein Satz anmaßend und arrogant ist, der Fakt, dass natürlich ein jeder die Aussage eines Films verstehen kann, ohne sie für gut zu befinden.

Tatsache? Tatsache! 

Sagen wir es mal ganz ohne Schönreden: Die meisten Filme mit einer "Botschaft" sprechen aus, was sowieso fast jeder denkt, nämlich, dass Menschen Monster sind.

In jeder nur erdenklichen Weise und in jedem erdenklichen Detail unseres Lebens kann ein Film die Abscheulichkeit von menschlichem Handeln darstellen.
Als Gegengewicht kommen Filme derlei Art, die zeigen, dass es anders geht und man an das "Schöne" und "Gute" glauben solle und dafür kämpfen müsse.
Der Appell beider Filmarten: Versucht gute Menschen zu sein und kämpft für Ideale wie Freiheit, Glück und Gemeinschaft.

Dass es vielleicht wirklich den ein oder anderen Menschen gibt, der die relativ einfachen Aussagen der meisten Filme nicht ganz verstehen will, sei hierbei außen vor gelassen. Wichtig ist vor allem, dass durchschnittlich intelligente Filmkunst sehr oft zur Profilierung missbraucht wird und oft verfallen solche Personen in schäumende Rabulistik, wenn man mit ihnen nicht einer Meinung ist oder dem geliebten Film sogar seine bahnbrechende Intelligenz abspricht.

Dann kommt's: "Du hast den Film einfach nicht verstanden, [hier zufällige Beleidigung einfügen], schau ihn halt noch mal!"

In 4 Jahren Studium der Philosophie und vorangegangenen etlichen Jahren der privaten Beschäftigung ist mir schon früh eines aufgefallen: Das, was die meisten Filme uns sagen wollen, ist in den meisten Werken auf 1 Seite und weniger niedergeschrieben. Man muss sich kein 120+ Minuten Drama anschauen, um am Ende zu hören "Tu' was dich glücklich macht!" (Im Übrigen ein ganz großer Wurf des menschlichen Geistes.)

Genau genommen muss man für solche Dinge auch nicht einmal lesen. Auch nicht zwingend Bücher, die sich mit Lebensführung befassen, hier kommt man nur schneller zum Punkt ohne menschliches Drama drumherum.

Neben Botschaften dieser Art wird beim Appell an Menschen, sie sollen doch Filme gut finden und ihre Botschaften seien nicht ignorierbar - denn was eine Botschaft hat, das muss gut sein! -, völlig missachtet, dass Moral, Werte und Ansichten subjektiv und oft kulturgebunden sind. (Wäre Moviepilot keine deutsche Plattform und beispielsweise auf dem ostasiatischen Markt angesiedelt, dann würde es hier beispielsweise ganz anders aussehen, was Wertungen und Diskussionen angeht.)

Es kommt manchen Personen einfach nicht in den Kopf, dass es Leute gibt, die kein bitterer Feind oder fanatischer Verfechter der Ideen von Kapitalismus, Sozialismus, Konsum, Individualismus, Solidarität und anderen völlig subjektiv zu bewertenden Ideenkonstrukten sein könnten.

Von Twists möchte ich gar nicht erst beginnen, da diese nun wirklich keine Intelligenz voraussetzen, sondern nur etwas Auffassungsgabe und Konzentration.

Um auf das Artikelbild zurückzukommen: Man kann Fight Club verstehen und man kann seine Aussage dennoch dämlich finden. Und niemand hat das Recht einen in diesem Fall (gerechtfertigt) als dumm zu bezeichnen, weil man einem anderen Lebensentwurf folgt, andere Ansichten vertritt oder dem Film einfach auch sonstigen Gründen nicht viel abgewinnen kann. Schon gar nicht, wenn es derart plump ist und den Schreiber somit selbst als kleines Licht enttarnt.

Blasiertheit kommt vor dem Fall!

Disclaimer: Alle existenten, entstehenden und kommenden Texte beinhalten ein gewisses Maß an Polemik, erheben keinen Anspruch auf Objektivität oder cineastisches Fachwissen und versuchen die Meinung des Autors in einer einigermaßen angenehmen Ausdrucksweise, irgendwo zwischen leger bis salopp und angemessen kritisch und differenziert, wiederzugeben.

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