Darum brauchen Anime für ihre Reise nach Westen so lange

17.08.2018 - 09:20 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Son-Goku (Dragon Ball Super)
Bird Studio / Shueisha, Toei Animation
Son-Goku (Dragon Ball Super)
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Oftmals brauchen Anime, egal ob nun als Film oder Serie, quälend lange, bis sie auch bei uns im Handel erscheinen. Doch welche Faktoren spielen hierbei eigentlich eine Rolle?

Viele Anime-Fans werden folgende Situation kennen: In Japan startet ein neuer Anime, sei es im TV oder Kino, dessen bisherigen Weg man womöglich bereits aufmerksam verfolgt hat. Die Vorfreude steigt, doch bis dieser Anime seinen Weg endlich hinaus in die weite Welt findet, dauert es eine gefühlte Ewigkeit. Doch wieso müssen wir im Westen oft eigentlich so lange auf eine Veröffentlichung warten?

Langwierige Verhandlungen bei Anime-Lizenzen

Anfang des Jahres startete mit Makoto Shinkais Your Name. - Gestern, heute und für immer einer der größten Anime-Filme der letzten Jahre in unseren Kinos und konnte einen gewaltigen Hype erzeugen. In Japan feierte die berührende Liebesgeschichte indes bereits 2016 ihre Kinopremiere und brauchte somit fast zwei Jahre, um zu uns zu gelangen, was manchen Fans sauer aufstieß. Andere Anime teilen dieses Schicksal. Ein Grund hierfür ist das sogenannte Hold-Back, eine Option, welche es dem japanischen Lizenzgeber gestattet, den Film oder die Serie für einen gewissen Zeitraum zurückzuhalten. Für diese Zeit ist das Produkt somit nur in Japan zu erwerben. Selbst wenn gegenwärtig schon Gespräche bezüglich dieser Lizenz geführt werden sollten, bedeutet dies keinesfalls einen zeitnahen Release außerhalb Japans, denn diese Verhandlungen können sich über Monate oder gar Jahre hinziehen. Dies kann vielfältige Gründe haben, etwa eine unklare Lizenzlage oder Unstimmigkeiten im für den Anime zuständigen Komitee.

Oftmals werden Anime-Lizenzen auf entsprechenden Messen wie der San Diego Comic-Con oder der MipCom präsentiert und interessierten Publishern zum Verkauf angeboten. Alternativ könnte man sich ebenfalls direkt an den Lizenzgeber wenden oder den Weg über Dritte gehen, welche als Vermittler fungieren. Darüber hinaus werden Anime in der Regel regionsweise verkauft, beispielsweise für den deutschsprachigen Raum, welcher zumeist Deutschland und Österreich bezeichnet. Die Schweiz ist hierbei, obgleich es einen deutschsprachigen Teil gibt, ein Sonderfall, da sie mal zum deutschsprachigen, mal zum französischsprachigen Raum hinzugerechnet wird. Zudem gibt es diverse Lizenzen sowie Lizenzpakete, welche aus Platzgründen hier leider nicht alle besprochen werden können. Konzentrieren wollen wir uns deshalb der Einfachheit halber auf sogenannte Disc-Lizenzen, welche es einem Unternehmen erlauben, einen Anime auf Blu-ray und DVD zu veröffentlichen; natürlich erst nach der erfolgten japanischen Veröffentlichung.

Der Westen und seine günstigen Anime

Falls ihr Fans des japanischen O-Tons bei einem Anime seid, ist euch möglicherweise einmal aufgefallen, dass bei dieser Option die Untertitel nicht deaktiviert werden können und man sie somit zwangsweise immer im Bild hat. Dies ist natürlich primär eine Hilfestellung für uns Fans in Übersee, die des Japanischen nicht mächtig sind, doch gleichzeitig soll es japanische Fans von billigen Importen aus dem Ausland abhalten, welche entweder in einer fremden Sprache oder andernfalls mit permanenten Texteinblendungen gesichtet werden müssen. Hierein spielt auch das zuvor bereits erwähnte Hold-Back, denn generell sind Anime bei uns im Westen günstiger zu erwerben als im Heimatland der Anime selbst, weshalb ein Film oder eine Serie möglichst lange Japan-exklusiv bleiben soll.

Was vielen Fans eventuell gar nicht bewusst ist: In Japan selbst sind Anime oftmals deutlich teurer als bei uns oder in anderen Teilen der westlichen Welt. Dabei liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen in Japan beispielsweise unter dem in Deutschland. So liegt das Bruttonationaleinkommen  eines Einwohners in Deutschland bei 43.930 US-Dollar (Stand: 2016), wohingegen es in Japan bei 38.000 US-Dollar/Einwohner (Stand: 2016) liegt. Erschwerend kommt hinzu, dass Volumes im Herkunftsland der Anime gerne weniger Episoden parat halten als es bei uns der Fall ist und dementsprechend mit einem höheren Preis pro Folge zu Buche schlagen. Die 1. Staffel des Hit-Anime Attack on Titan wurde bei uns beispielsweise auf vier Volumes veröffentlicht; für die komplette Season musste der geneigte Fan, ausgehend von der UVP, circa 170 Euro hinblättern. In Japan wurde die Staffel indes auf neun Volumes aufgeliefert, welche durchschnittlich jeweils fast 25 Euro mehr kosteten als ihre Gegenstücke bei uns. Doch wie kommen die Preise bei uns in Deutschland eigentlich zu Stande, über welche sich gerne beklagt wird?

Anime in Deutschland - Ein Teufelskreis

Konnte sich ein deutscher Publisher, nach einer ausführlichen Marktanalyse, die Lizenz an einem Anime sichern und beabsichtigt, diese auf Disc im Handel zu veröffentlichen, beginnt, böse gesagt, die eigentliche Arbeit. Für die Lizenz an sich wird in der Regel bereits ein mittlerer fünfstelliger Betrag fällig, doch dabei bleibt es natürlich nicht. Anschließend geht es an die Lokalisierung des Anime sowie alles, was damit zusammenhängt. Der Film beziehungsweise die Serie muss synchronisiert werden, wofür der Publisher ein Synchronstudio sowie Sprecher finden muss. Hinzu kommen noch weitere Kosten fürs Marketing, die eigentliche Produktion, die Logistik sowie Lagerung. Davon abgesehen müssen die Mitarbeiter des Unternehmens ja auch noch von etwas leben. Die Kosten der Lokalisierung sind nicht selten doppelt so hoch wie jene, welche für die Lizenz an sich bereits bezahlt wurden. Diese Kosten müssen natürlich wieder eingespielt werden, weshalb Anime bei uns, gerade im Vergleich zu westlichen Produktionen wie etwa Supernatural oder Game of Thrones, ein ziemlich kostspieliges Hobby sind.

Des Weiteren kann der Fall eintreten, dass der hiesige Publisher lange auf entsprechendes Material zur Bearbeitung warten muss, was eine Veröffentlichung ebenfalls hinauszögert. Bei Attack on Titan wartete Publisher KAZÉ beispielsweise Monate lang auf Material aus Japan, weshalb der ursprüngliche deutsche Disc-Release immer weiter nach hinten verschoben werden musste. Erst kürzlich gab das Unternehmen übrigens an, die Veröffentlichung des sechsten Bleach-Volumes  musste aus demselben Grund um ein halbes Jahr nach hinten verschoben werden. Hinzu kommen weitere vertraglich geregelte Vorschriften, welche einen hiesigen Release beeinflussen. Der Lizenzgeber gibt beispielsweise in der Regel vor, auf wie vielen Volumes eine Serie veröffentlicht werden muss oder ob manchmal, etwa bei älteren Serien, auch eine Komplettbox denkbar wäre. Der zeitliche Abstand zwischen den Veröffentlichungen einzelner Volumes muss ebenfalls vertraglich geregelt werden, selbiges gilt für weitere Kleinigkeiten wie Extras in Form physischer Dreingaben (Sammelschuber, Postkarten, et cetera) sowie verwendete Designs oder die Art der Werbung für das Produkt. Erst wenn all diese Dinge restlos geklärt und vom Lizenzgeber abgesegnet worden sind, kann mit der hiesigen Produktion begonnen werden.

Die Kosten für die Lizenz sowie die Lokalisierung wollen natürlich wieder reingeholt werden. Da Deutschland allerdings, etwa im Vergleich zu Frankreich oder den USA, keinen sonderlich großen Anime-Markt vorweisen kann, fallen die Preise im Vergleich zu anderen Produkten ziemlich hoch aus, was viele potenzielle Kunden vom Kauf abhält. Würden die Preise gesenkt werden, könnten die Publisher jedoch möglicherweise ihre Kosten nicht decken und würden mit einem Titel Verlust machen. Mehr Verkäufe sowie ein potenzielles Wachstum des Marktes könnten für niedrigere Preise sorgen. Derzeit erscheint eine solche Entwicklung jedoch utopisch. Ihr seht schon, viele Faktoren spielen hierbei mit hinein und es ist gar nicht mal so einfach, alles genau aufzudröseln, zumal es aufgrund vertraglicher Regelungen für uns Endverbraucher oftmals nicht wirklich transparent zugeht und somit nicht ersichtlich ist, wie der Preis für ein Anime-Volume oder einen Anime-Film letztendlich zustande kommt - und wieso ein Anime somit am Ende oft quälend lange für seine Reise nach Westen benötigt.

Ärgert ihr euch über die langen Wartezeiten bis zu einem deutschen Release?

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