Jede kreative Blütezeit findet einmal ihr Ende, und das war mit dem künstlerischen, subversiven und humanistischen Höhenflug des Porno-Spielfilms in den 1970er Jahren nicht anders. War der Pornofilm in den ersten Jahren nach seiner endgültigen Legalisierung infolge der schier endlosen Prozesse um Gerard Damianos Deep Throat noch ebendies: ein Film, und darüber hinaus ein Experimentierfeld, das Hand in Hand mit der sexuellen Befreiungsbewegung seiner Zeit als Avantgarde an der Niederreißung kleinbürgerlicher Doppelmoral und der Erneuerung der Gesellschaft aus dem Geist der freien Liebe mitzuwirken vermochte. Überdies bot er noch vergleichsweise wenig regulierte künstlerische Möglichkeiten, mit ungewohnter Direktheit über die Sexualität, ihre wahnhaften und befreienden Entäußerungsformen zu sprechen. Der Pornofilm, das war ganz klassisches Bahnhofskino – ein Begriff, der heute sämtliche längst rehabilitierten Genres des exploitativen Filmschaffens umfasst, außer eben des pornografischen. Warum haben eigentlich die großen Nobiliteure des Exploitation-Kinos, Quentin Tarantino oder Robert Rodriguez, so sie es denn ernst meinen mit ihrer Liebe zum randständigen B-Kino der früheren Dekaden, in ihrer Aufarbeitung der einst leicht angeschmuddelten Genres, vom Italowestern über den Kung-Fu-Film und den Zombiesplatter bis zum Car-Crash-Streifen, ausgerechnet den Pornofilm ausgelassen?
Nun, vermutlich hat die umsichtige Distanz zum Pornografischen, die bis heute auch von den aufgeschlossensten Liebhabern des Exploitation-Kinos aufrecht erhalten wird, viel mit den unguten Entwicklungen der Folgedekaden, nach dem Ende des Goldenen Zeitalters um den Beginn der 1980er Jahre herum, zu tun. Denn die Dekadenwende von den humanistischen 1970er in die egomanischen 1980er Jahre wirkte sich irreversibel auch auf die Geschichte des Pornokinos aus und markierte im Grunde dessen Tod. Denn seit den 1980er Jahren und bis heute ist das Pornokino kein Kino mehr, es gibt somit nicht mehr: den Porno-Film. An seine Stelle trat: das Porno-Video. Denn wo der Pornofilm der 1970er Jahre von der Akzeptanz im Kanon der klassischen Filmgenres träumte und in seinen Hauptwerken – die zwischen vielen, vielen schlechten Filmen herausragten, eh klar, aber in welchem der vermeintlich seriösen Genres ist das schon anders? – narrative Komplexität, intellektuelle Reflexion, subversive Energie, beißende Sozialkritik oder befreiende Anarchie anstrebte und mitunter erreichte, kurz: wo er – entsprechend der Aufführungssituation im Kinosaal, auf der Leinwand, von 35mm- oder 16mm-Filmkopien richtiger Spielfilm sein wollte und im Grunde auch musste, da war die Maxime fortan eher – schlichter, billiger, schneller, mehr. Und: hässlicher.
Das ist nicht einmal ausschließlich die Schuld der Pornomacher jener Tage, die sich rasend schnell ausdifferenzierten: ambitionierte, begabte Filmemacher wie Radley Metzger (The Opening of Misty Beethoven) und Wakefield Poole (Boys in the Sand) in den USA oder Willem van Batenburg (’N schot in de roos) in den Niederlanden wandten sich vom Pornofilm ab, weil sie ihre kreativen Ausdrucksmöglichkeiten dort rasant schwanden sahen und sich mit den neuen Produktionsbedingungen nicht abfinden wollten. Wer zurückblieb, der ließ sich mehr oder weniger auf die nun immer strenger regulierte Form des Pornovideos ein, das nur noch selten ein nennenswertes Drehbuch brauchte (oder zuließ), und das sich statt einen narrativen Bogen aufzuspannen nun ganz und gar ins Episodische stürzte. Denn mit dem Übergang vom Porno-Kinofilm zum VHS-Tape ändert sich nicht nur der Ort der Rezeption – vom kollektiven Betrachten im Kinosaal, der nur gelegentlich auch Ort des Cruisings und somit des sexuellen Aktes selbst war, zur ungestörten, privaten Betrachtung auf dem heimischen TV-Gerät –, sondern es kommt ein neuer Faktor ins Spiel, der die Regeln desselben grundsätzlich neu definiert: der Vorspulknopf.