Ich habe recherchiert. Christian Bale besitzt ein unglaubliches Gehör für Akzente, geht für seine Rollen beeindruckende mentale wie physische Veränderungen ein und bleibt während den Dreharbeiten völlig im Verhalten seines Charakters. So führt er selbst Interviews mit jenem Akzent, welcher im jeweiligen Film von Bedeutung ist. Ich recherchierte leider zu spät, denn zuvor traf ich mich mit dem Schauspieler an irgendeinem Ort, zu irgendeiner Zeit, zu einem fiktiven Interview. Umso verblüffter und verunsicherter war ich, als das Unheil seinen Lauf nahm.
Christian Bale saß auf einem Sofa. Nervös blickte er in die Kamera, fummelte an seinen Händen herum, wackelte mit den Beinen. Komisch, dachte ich mir noch, macht der Schauspieler doch sonst einen absolut selbstsicheren Eindruck. „Ist Micky dabei?“, fragte er mich zu Beginn. Micky? Wer ist Micky? Doch er begann schon zu reden, ohne dass ich irgendeine Frage gestellt habe. Er sprach vom Boxen und von seiner Kindheit, dann imitierte er Box-Bewegungen, wackelte hin und her und kämpfte mit einem imaginären Gegner. Seine Augen waren dabei weit aufgerissen. Wie ein Junkie auf Drogen. Und genau das war er auch. Zumindest in Bezug auf seine Rolle. Er war Dicky Eklung, der Leinwandbruder von Mark Wahlberg in The Fighter. Einen Oscar hatte er für diese Rolle sogar erhalten. Ich war beeindruckt und dachte mir, dass dies mal eine interessante Art sei, ein Interview zu führen.
Gerade als ich mich an das Verhalten gewöhnt hatte, änderte er es auch schon wieder. Seine Stimme war plötzlich tief und klang so, als hätte er ein Kratzen im Hals gehabt. Da kramte ich also nach meinen Hustenbonbons, als er mich schon wieder ansprach. „Können wir Harvey Dent vertrauen?", krächzte er. Harvey Dent? Also Two-Face aus The Dark Knight? Da verstand ich und ließ mich auf das Spiel ein. Ich wollte wissen, wie er im Nachhinein über seine Rolle als Superheld Batman denkt. Mit nun vornehmer und bedächtiger Stimme gab er an, dass er Rachel vermisse. Es erinnerte mich an den Dialog zwischen ihm und Michael Caine aus The Dark Knight Rises. Er saß aufrecht auf dem Sofa und war Batmans Alter Ego Bruce Wayne. Eine Rolle, die unsere Vorstellungen vom Fledermausmann veränderte.
Da sackte er zusammen, rutschte auf dem Sofa runter und ließ seinen Bauch blicken. Zudem setzte er eine Brille auf, die wir heutzutage als Porno-Brille bezeichnen würden. Irritiert starrte ich ihn an. „Herr Bale, Sie haben im Laufe Ihrer Karriere…“, begann ich. „Stört es Sie, wenn ich rauche?“, erwiderte er und steckte sich eine Zigarre an. Ja, ich hatte verstanden, American Hustle! Das lag nahe, eben weil der Film neben Auge um Auge Bales aktuellster war. Auf einmal sprang der Hüne auf, rannte auf mich zu und stieß mich samt Sessel um. Danach beugte er sich über mich und schrie spuckend und mit voller Inbrunst: „Ich werde dich töten!“. Als sein Agent ihn von mir runterzog, hatte ich allen Mut verloren. Was zum Henker war in ihn gefahren? „Er leidet noch immer unter Die Die Herrschaft des Feuers “, beschwichtigte sein Agent. Gut, von Matthew McConaughey die Leviten gelesen zu bekommen, würde auch mich nachhaltig beeindrucken.
Christian Bale rezitierte weiter, als wäre nichts geschehen. Er sprach Verse aus Shakespeares Ein Sommernachtstraum, tat so, als hätte er keine Emotionen und sah schließlich Personen, die es überhaupt nicht gab. Zwischen Equilibrium und Der Maschinist versuchte er an mir Zaubertricks wie in Prestige – Die Meister der Magie, wobei letztlich nur ich mir winzige Verbrennungen zuzog. Dann stand er auf und ging, ohne ein Wort zu sagen. Ich war enttäuscht und wollte mich gerade beschweren, da kam er zurück. Er trug eine Art durchsichtigen Schutzmantel über seinem Anzug und lächelte mich an. Dann plauderte er darauf los und schien alle Fragen, die ich mir notiert hatte, selbstständig zu beantworten. Ehe er allerdings weitere Dinge, die ich mir nicht vorstellen mag, unternehmen konnte, schob ihn sein Agent behutsam aus dem Zimmer. Mich bat man, zu gehen.
Alles in allem war es ein merkwürdiges Interview. Ich wusste nicht, ob ich das beeindruckende Schauspielvermögen von Christian Bale erlebt hatte oder einfach nur knapp mit dem Leben davon gekommen bin. Ich nehm es ihm nicht übel, immerhin feiert der Mann heute seinen 40. Geburtstag. Im Laufe seiner Karriere hat er schon einige eindrucksvolle Rollen mit vollem Körpereinsatz gespielt, sodass sich dies ja irgendwie in seiner Persönlichkeit widerspiegeln muss. Dennoch hoffen wir auf viele weitere tolle Jahre.
Herzlichen Glückwunsch, Christian Bale!