Die Prequels im Kontext der Saga
Zu Beginn sollten ein paar „universelle“ Behauptungen hinterfragt werden. Als die Prequels damals erschienen sind, wurden viele mittlerweile erwachsene Fans desillusioniert zurückgelassen. War das noch „Star Wars“? Die Filmen wurden auseinandergenommen, jeder Logik-Fehler herausgestellt (wenn man Red Letter Media zuhört, könnte man meinen alle drei Filme seien ein einziges Plothole) und als „objektiv schlecht“ bezeichnet. Dass kein Film objektiv schlecht sein kann, ist natürlich jedem klar denkendem Menschen bewusst. Und dass die Original Trilogie auch aus unnötigen Witzen, unnatürlich Dialogen und jeder Menge Logiklöchern besteht, wird seit jeher ignoriert. Die heilige OT und die durch die Prequels vergewaltigte Generation – so lautete das Narrativ seit 1999 über 15 Jahre lang.
Überraschend ist dabei, dass damals bereits der erste „Star
Wars“-Film als kindisch und stumpfe Science-Fiction-Unterhaltung abgetan wurde.
Auch wenn die Kritiken überwiegend positiv waren, erinnert sich George Lucas ,
dass C-3PO damals ähnlich gehasst wurde, wie später Jar Jar Binks: „The main
thing they obviously got upset about was Jar Jar. But they got upset at Jar Jar
because he was there for the kids. When I did A New Hope, everybody felt the
same way about Threepio. They hated him. They thought he was too childish and
the jokes were bad. They said the same thing.“
Andere Kritiker haben 1977 geschrieben, wie gelangweilt sie waren und wie
schrecklich zweidimensional die Figuren seien. „Star Wars“ sei „infantiles
Material“ und „ein sicheres Anzeichen dafür, dass wir in einer neuen Ära des
wunderbaren Nonsense“ angekommen sind (Quelle: George Lucas. Die Biographie,
2017, S. 224-225). „Star Wars“ war etwas Neues, weil es extrem seltsam und
andersartig war. Und deswegen waren die Filme ursprünglich so erfolgreich.
Kinder haben das natürlich ganz anders wahrgenommen. Sie sind mit den Filmen
groß geworden. „Star Wars“ war im Jahre 1999 das Normalste der Welt, die
Blaupause für einen guten Abenteuerfilm. Als schließlich die Prequels kamen,
waren die Filme befremdlich, experimentell und nicht das, was die
Blockbuster-Generation erwartet hat. Die Ironie ist erkennbar: die Prequels
wurden dafür verhöhnt, was „Star Wars“ die ganze Zeit war – anders. Oder wie
Rick Worley es in seinem großartigen Aufsatz auf den Punkt bringt: „Lucas
didn’t change, they did.“
Das Internet hat dieses Narrativ immer wiederholt: Die Prequels sind schlecht und werden universell gehasst. Anschließend hat George Lucas die beleidigten Fans mit den „Special Editions“ noch weiter verletzt. Hierbei ist interessant, dass jede neuere Episode ein enormer finanzieller Erfolg war. Selbst die finanziell schwächste Episode II hat inflationsbereinigt immer noch über 250 Mio. Dollar mehr als Solo: A Star Wars Story eingespielt (nur in den USA). Und das bei einem Budget von 115 Mio. Dollar (Episode II) zu geschätzten 275 Mio. Dollar (Solo). Damit hat Disney nach nur drei Jahren den ersten „Star Wars“-Flop hingelegt. Die „gehassten“ Prequels waren also sehr erfolgreich, wohingegen Disney nach den extrem positiv aufgenommenen Episode VII und VIII nur ein halbes Jahr später rote Zahlen schreiben musste – mit der Marke „Star Wars“! Hinzukommen die Verkaufszahlen der DVD-Auswertung von Episode I und den verhassten Special Editions. Als The Phantom Menace 2001 auf DVD erschien setzte Lucasfilm in der Erscheinungswoche rekordträchtige 45 Mio. Dollar um. Trotz aller Schelte wollte jeder diesen Film mit nach Hause nehmen (Quelle: George Lucas. Die Biographie, 2017, S. 376). Diese Zahlen sind insofern faszinierend, weil viele Fans rückblickend behauptet haben, dass sie Episode I bereits nach dem ersten Kinobesuch gehasst haben. Diese eigens kreierte Realität, die wahrscheinlich zum Großteil an der tatsächlichen Wahrheit vorbeigeht, offenbart die Dokumentation „The People vs. George Lucas“. Gleiches gilt für die "Special Editions", die im Jahre 2004 das erste Mal auf DVD veröffentlicht wurden. Die Debatte um die Änderungen kochte wieder aufs Neue hoch und viele Fans machten ihren Unmut im Internet breit. Und trotzdem kauften sie alles: die DVDs nahmen am ersten Tag ihrer Veröffentlichung über 100 Mio. Dollar ein (Quelle: George Lucas. Die Biographie, 2017, S. 387).
Eindrucksvoll auf den Punkt bringt die Rezeption der Kritiker gegenüber allen sechs „Star Wars“-Filmen der Autor und Fan Mike Klimo. Obwohl die aktuellen Scores von Rotten Tomatoes genau das Narrativ der Prequel-Hater bedienen (The Empire Strikes Back steht mit 95% selbstverständlich ganz oben, obwohl die Kritiken aus dem Jahr 1980 nicht ansatzweise so gut waren), zeigen die Kritiken aus dem jeweiligen Erscheinungsjahr eine andere Wahrheit. Wenn der Rotten Tomatoes Score nur aus diesen Kritiken ermittelt wird, ergibt sich folgendes Bild:
https://t1p.de/pktp
Demnach ist Episode III der am besten bewertete Film. Episode I verweilt zwar weiterhin auf dem letzten Platz, dafür landet der unter viele Fans als am schlechtesten bezeichneter „Star Wars“-Film, Episode II, allerdings vor Epiode V und VI auf Platz 3. Das ist auch ein Teil der Wahrheit.
Um die Prequels als Teil der Saga zu akzeptieren, ist es besonders hilfreich, wenn man die Intention von George Lucas bei der Entstehung der Filme versteht. Die Episoden haben nicht umsonst eine Nummerierung von I - VI. Die Saga muss aus dem Blickwinkel betrachtet werden, dass Episode I der erste Film ist und Episode VI der letzte. Was offensichtlich scheint, ist für die Generation, die mit der Original Trilogie aufgewachsen ist und die Prequels in den Kinos gesehen hat mitunter eine gedankliche Überwindung. Denn die Prequels waren nie darauf ausgelegt bereits existierenden „Star Wars“-Fans eine von Grund auf völlig neue Geschichte zu erzählen. Es war klar, dass es um die Klonkriege geht, um die Jedi, um den Wandel von Anakin und um den Fall der Republik. Diese Generation hat oft damit argumentiert, dass Episode I-III hinsichtlich der Jedi und der Macht nichts Neues erzählen (außer die missverstandenen Midi-Chlorianer), schließlich hat Yoda das bereits in Episode V getan. Ebenso sei der Wandel Anakins von Anfang an vorherbestimmt und auch die Geheimniskrämerei um den versteckten Sith-Lord sei mit der Darstellung durch Ian McDiarmid bereits vorweggenommen (er verkörpert den Imperator seit Episode VI). Gleiches gilt für den genialen Twist in Episode V rund um Darth Vaders und Luke Skywalkers Verwandtschaft. All diese Kritikpunkte kommen lediglich aufgrund einer verkehrten Sicht zustande.
Die Saga ist entworfen worden, um mit Episode I zu beginnen und nicht mit Episode IV. Aus der Sicht eines Neulings ergeben sich dadurch völlig andere Sichtweisen. Für Kinder kann die Enthüllung von Palpatine als Sith-Lord durchaus ein Twist sein. Und für jeden anderen Zuschauer wird die Saga plötzlich von einer ganz anderen Spannung durchzogen. Ohne Vorwissen ist es nämlich überhaupt nicht logisch, dass Anakin in Episode III der dunklen Seite verfällt. Er ist der Held der Trilogie. Und die Szene zwischen Palpatine, Mace Windu und Anakin in Episode III ist plötzlich ein zentraler Höhepunkt des Seherlebnisses. Wird Anakin sich dem Sith-Lord anschließen? Diese Spannung überträgt sich ebenso auf Episode IV-VI. Wird Luke genauso wie einst sein Vater der dunklen Seite verfallen? Der Twist in Episode V ist daher zweitrangig. Es geht nicht um die Enthüllung, dass Darth Vader Lukes Vater ist. Es geht darum, ob sich Luke seinem Vater anschließen wird. Hat damals irgendjemand daran gezweifelt, dass Luke der großartige Jedi ist und das Imperium besiegen wird? Nein, denn er war für uns Kinder der Held der Geschichte. Und aus der „richtigen“ Sicht ist nun Anakin der Held der Prequel-Geschichte. Der Twist, dass Anakin zum Sith wird, ist ein viel schockierender und konsequenterer Twist als der „Ich bin dein Vater“-Twist. George Lucas hat damals einen Psychologen gefragt, wie Kinder auf den Twist in Episode V reagieren würden; ob diese Enthüllung ggf. zu heftig und düster wäre. Die Antwort war schlicht „Nein“. Kinder würden diesen Twist vermutlich einfach nicht glauben. Darth Vader ist der Bösewicht, also lügt er. Das war die Antwort (siehe den Audiokommentar von Episode V und VI). Aber was ist, wenn sich dein Held dem Bösewicht anschließt und in der nächsten halben Stunde den Jedi-Tempel stürmt, seine Frau würgt und nach einem Kampf gegen seinen besten Freund auf einem Lavaplaneten verbrennt? Das ist next dark level shit. Dagegen ist der Empire-Twist ein Witz.
Selbst ich, der mit beiden Trilogien großgeworden ist, aber natürlich weitaus mehr von den Prequels beeinflusst wurde, finde mich immer noch in der Gewohnheit wieder erst die Original Trilogie und dann die Prequels zu schauen. Die Filme sind eben chronologisch in dieser Reihenfolge erschienen. Aber es ist grundsätzlich das falsche Seherlebnis. Als fatal zeigt sich das nun auch in einer moderneren Debatte, wenn es um die Frage geht, mit welchem „Star Wars“-Film man seine Kinder in das Universum einführen sollte. Die Frage, ob erst OT oder erst Prequels hat sich dabei als eine Art Glaubensfrage entpuppt und viel zu oft kommen die Leute zu dem Ergebnis, dass den Kindern zuerst die Original Trilogie gezeigt wird. Aus Liebe zu euren Kindern, dass sie nicht das gleiche verkehrte Erlebnis mit „Star Wars“ haben: Tut es nicht! Die Saga ist so entworfen worden, dass man mit Episode I zu starten hat. Ich weiß, dass man seinen Kindern das gleiche Erlebnis schenken will und dass es zum YouTube-Highlight geworden ist, wenn Kinder auf den Twist in Episode V reagieren. Traumatisiert sie lieber mit dem Fall von Anakin und belohnt sie mit der Spannung, wenn Luke sich gegen den Imperator behauptet – I am a Jedi, like my father before me.
Prequels vs Sequels
Auch wenn es sich genauso lohnen würde auf die Dialoge und das „bad writing“ der Prequels einzugehen, geht es nun um die umfangreichen digitalen Effekte der Filme. Nur so viel: George Lucas hat selbst immer betont, dass er kein guter Dialogschreiber ist. Ihn interessieren Dialoge allerdings auch nicht. Lucas ist an experimentellen, sehr visuellen Filmen interessiert. „Star Wars“ sollte immer ohne die Dialoge verständlich sein, schließlich sind Lucas ursprüngliche Primärgruppe Kinder und nicht Erwachsene. Die „Star Wars“-Filme sind nach seiner eigenen Einschätzung das Konventionellste, was er je geschrieben und gedreht hat (Vgl. dazu den Audiokommentar von Episode I).
Bei den visuellen Effekten verhält es sich im Grunde sehr ähnlich wie mit der „richtigen“ Reihenfolge. Die alten Fans sind ein Opfer ihrer Zeit und konnten weder die Struktur der Filme wertschätzen, noch den Einsatz von CGI. Heutzutage würde sich vermutlich kaum jemand darüber beschweren oder es gar bemerken. In Zeiten von Superhelden-Filmen und großen Blockbustern wie Avatar, Avengers: Endgame und Jurassic World ist es faszinierend zu beobachten, wie sich die Zeiten geändert haben. Weit über 2000 VFX-Shots pro Blockbuster sind seit Jahren Standard. Avengers: Infinity War besteht nach eigener Aussage der Entwickler aus ca. 97 % Einstellungen, die in der Post-Produktion visuell nachbearbeitet wurden. Also ein Film, der extrem auf CGI angewiesen ist und mit seiner unüblichen Handlungsstruktur auf einen eindeutigen Protagonisten verzichtet. Diese Kritik kommt euch bekannt vor? Ja, es ist eine gängige Kritik an Episode I. Mit dem Unterschied, dass diese beiden Aspekte unter Fans von Infinity War nicht zur Sprache kommen.
Jetzt könnte man einwenden, dass die Effekte von Avengers und Co. im Gegensatz zu den Prequels immerhin gut aussehen. Nun ja, die Effekte von Episode I sahen 1999 auch gut aus, sie waren gar revolutionär. Selbst Fans haben das damals zugegeben. Wie wohl die Meinungen zu den Effekten von The Last Jedi, Infinity War und Co. in 15-20 Jahren sind? Das ist nämlich das Problem mit allen Filme, die sich auf viel CGI stützen: visuelle Effekte veralten irgendwann. Auch der beste Effekt aus dem Jahre XY sieht im Jahre XY+20 nicht mehr gut aus. Vor allem zeigen die Prequels aber auch mal wieder eine große Stärke von George Lucas und eine Schwäche der damaligen Fans. George Lucas war der Zeit einmal mehr voraus und die Fans nicht bereit dafür. Viele kritische Stimmen meinen häufig, dass die Technik noch nicht soweit war. War denn die Technik im Jahre 1977 weit genug? Als Lucas und ILM zahlreiche Ideen und Effekte selbst entwickelten, um die Filme einigermaßen umsetzen zu können? Nein, natürlich nicht. Im Vergleich zu 1999 war die Produktion vom ersten „Star Wars“ ein einziges Experiment und Risiko. Die ersten CGI-Effekte in Kinofilmen gab es bereits in den frühen 1980er Jahren und erst als es ILM schaffte realistisch anmutende Dinosaurier für Jurassic Park im Jahre 1994 zu kreieren, entschied sich George Lucas, dass die Technik nun bereit für seine Filme sei (Quelle: George Lucas. Die Biographie, 2017, S. 340). Episode I lief daraufhin erst fünf Jahre später in den Kinos und Episode III sogar über zehn Jahre später. Die Technik war weit davon entfernt nicht bereit zu sein. Hinzu kommt der Fakt, dass die Prequels einen sehr hohen Gebrauch von praktischen Effekten, selbst gebauten Sets und realen Locations gemacht haben. Allein für The Phantom Menace wurden mehr physische Modelle gebaut, als für alle drei Original Filme zusammen.
Noch lächerlicher wird es, wenn man aufgrund dieses Narratives die damalige Kampagne von Episode VII vergleicht: „Lucasfilm vermeidet es auf zu viel CGI zu setzen! Die Stormtrooper werden endlich wieder von realen Darstellern verkörpert! Jetzt wird sich auf die Geschichte konzentriert, ohne sich auf billige CGI-Tricks zu verlassen!“ Die Wahrheit ist einmal mehr eine andere. The Force Awakens und The Last Jedi besitzen jeweils mehr VFX-Shots als The Phantom Menace. Die beiden Disney-Produktionen haben über 2000 solcher Shots, wohingegen Episode I knapp unter dieser Marke liegt. Selbst Episode II und III besitzen nur knapp 100-200 VFX-Shots mehr als Episode VII und VIII. Ist das nun ein Vorwurf an die Filme? Nein, es ist heutzutage völlig normal, dass große Blockbuster zwischen 2000 und 3000 VFX-Shots haben. Es war nur im Jahre 1999 nicht normal, obwohl selbst der dritte Herr der Ringe Film 1500 solcher Shots besaß. Aber klar, in die heiligen „Star Wars“-Filme gehört so etwas natürlich nicht hinein. Wie kommt man auch darauf viel CGI in einem Science-Fiction/Fantasy-Film zu verwenden(?). Genau das ist auch der Grund, wieso die Original Trilogie nur in Wüsten, Wäldern und Eiswüsten spielt. Weil Lucas damals kein Geld und keine Technik für mehr hatte. Deswegen ist es ja so hirnrissig, dass die neuen Disney-Filme wieder zurück in Wüsten und Wälder gehen. So ein „Star Wars“ hat sich George Lucas nie vorgestellt oder gewünscht. Am scheinheiligsten ist aber vor allem diese Kampagne, in der Medien und alte Fans behaupten, es gäbe jetzt kaum noch visuelle Effekte in Episode VII und Co. Die digitalen Effekte sind mittlerweile so gut geworden, dass teilweise gar nicht mehr zu unterscheiden ist, ob es sich um einen digitalen Stormtrooper oder einen echten, eine Puppe oder um eine digitale handelt. Disney lässt die Aliens teilweise so aussehen als seien es reale Puppen. Habt ihr euch schon mal gefragt, wieso sich puppenähnliche Alienwesen in Solo: A Star Wars Story so schnell und elegant bewegen können? Weil es ein digitaler Effekt ist, der Kreaturen wie praktische Kreaturen aussehen lassen kann.
Die Prequels haben diese Technik auf ein neues Level getrieben. „Star Wars“ war unter George Lucas immer eine Marke, die technisch neue Wege geht und die Filmbranche wegweisend vorwärts bringt. Das ist „Star Wars“ heutzutage nicht mehr. Die neuen Episoden nutzen keine neuen Innovationen oder experimentieren mit neuen Kameras. Heute ist „Star Wars“ ein Blockbuster unter vielen. Die MCU-Filme gehen mehr Risiko ein als Lucasfilm. Infinity War und Endgame hat man mit neuen IMAX-Kameras gedreht. In beiden Filmen hat man einen Bösewicht komplett aus dem Computer erstellt und in einen der beiden Filme sogar als einen Protagonisten behandelt. Lucasfilm dreht nur noch Filme, mit normalen Kameras und brüstet sich mit praktischen Effekten, wovon es nicht weniger in den Prequels gab und dessen Einsatz seit Jahren veraltet ist. Aber hey, Hauptsache es gibt wieder reale Stormtrooper. Endlich werden die Fans respektiert! Blöd nur, dass auch davon mindestens die Hälfte am Computer erstellt werden.
Die Prequels haben eine neue Technologie ausgereizt und damit kommen viele Leute offensichtlich nicht klar. Ob man die Filme deswegen trotzdem hässlich findet oder den übermäßigen Einsatz beklagt, ist eine andere Sache. Trotzdem sollte man sich bewusst sein, dass die Sequel-Trilogie mindestens genauso so viele visuelle Effekte verwendet. Die Technik hat sich nur verbessert und die beleidigten Prequel-Hater meinen nun mit echten Stormtroopern und einigen kopierten Sets aus der Original Trilogie käme nun das echte „Star Wars“ wieder. Der Faktencheck sagt nein. Oder wie Rick Worley schreibt: „The difference was the emphasis placed on CGI in the discussion around the prequels because they were pushing the technology to new places, places casual film fans didn’t really understand since they were new. So a lot of people came away with the idea that the entire film was done on a keyboard. That’s just not actually what happened.“
https://www.youtube.com/watch?v=jhpFsO8wUoIAm besten ist bei dieser Debatte allerdings, dass in einem neuen Video über Effekte und Stuntarbeit ein kritischer Blick von echten Profis auf The Last Jedi geworfen wurde. Davon abgesehen, dass diese Szene aufgrund ihre schlechten Choreographie demontiert wird, kommt der Stuntman zu einem interessanten Schluss: Episode VIII hätte lieber auf digitale Gegenspieler setzen sollen, statt auf echte Menschen. Als positives Beispiel führt er Episode I an. Weil damals die Droiden digital erstellt wurde, konnten sich die Schauspieler ganz auf ihren Kampf und ihre Bewegung konzentrieren. Später entsteht dann durch die Nachbearbeitung ein gelungener Flow. Da The Last Jedi aber die Fans so sehr „respektiert“ und endlich wieder mehr praktische Effekte einbaut, versagt die Szene in allem, was einen guten Kampf und ein korrektes Porträt von Jedi-Kräften ausmacht. Die Szene ist schlecht und den Jedi unwürdig, weil auf CGI verzichtet wird. Oh, diese Ironie.
https://www.youtube.com/watch?v=OL83p4GxAvw&t=254sInspiration vs. Abklatsch
Die Ring-Theorie sorgte vor einigen Jahren für Aufsehen, als der „Star Wars“-Fan Mike Klimo einen sehr beachtlichen Aufsatz über die „versteckte Kunst“ in den Prequels veröffentlichte. Detailliert und präzise legte er da, wie sich die Prequels in der Original Trilogie spiegeln und die Episoden miteinander reimen – die Saga wird von einem Rhythmus durchzogen. Dabei geht der Aufsatz über die offensichtlichen Aspekte (Luke und Anakin zerstören beide eine Raumstation oder Episode II und V werden beide von einer Liebesgeschichte bestimmt) hinaus. Es geht nicht nur um ähnliche Einstellungen, die sich spiegeln, ähneln und identisch zusammengesetzt sind. Die „Star Wars Ring Theory“ erklärt minutiös, wie sich die Episoden überkreuzt spiegeln (I mit VI, II mit III und III mit VI), innerhalb der Trilogien (I mit III und IV mit VI) und wie sie sich sowohl direkt parallel gehalten, als auch rückwärtig zueinander spiegeln (IV weißt vorwärts und rückwärts gespielt eindeutige Parallelen mit III auf). Auch wenn Mike Klimo sicherlich in einigen Punkten zu viel hinein interpretiert, ist es unbestreitbar, dass die Parallelen da sind und auch unbestreitbar, dass sie beabsichtigt sind. George Lucas hat selbst immer wieder auf den Aspekt dieses Rhythmus in der Saga hingewiesen, u.a. im Making-of zu Episode I und im Audiokommentar zu Episode I und V.
Waren die Prequels nun erlöst? Hat jeder enttäuschte Fan nun endlich die Genialität und die Saga als Gesamtkonstrukt verstanden? Wahrscheinlich nicht. Aber der Aufsatz hat zumindest viele kleinliche Kritikpunkte an den Prequels entlarvt, wenn z.B. Red Letter Media in ihrer umfangreichen „Zerstörungsvideo “ direkt die aller erste Szene von Episode I kritisieren. Es sei ja total lächerlich und langweilig einen Frachter an eine donutförmige Raumstation anlegen lassen; wo ist die Faszination und Spannung eines Openings wie in Episode IV? Tatsächlich spiegelt Episode I allerdings die Eröffnung von Episode VI. War es in Return of the Jedi auch total lächerlich, als Darth Vader mit seinem Frachter am Todesstern angekommen ist? Natürlich nicht. Es entlarvt Red Letter Media einfach als die vielen beleidigten Fans, welche die Prequels bis zur letzten Kleinigkeit auseinandernehmen. YouTuber wie HelloGreedo bestätigen sogar genau diese Engstirnigkeit. Als Reaktion auf die Ring-Theorie spielt er zuerst natürlich das zu erwartende Argument aus: das wussten wir doch alle schon. Ja, klar, ihr wusstet natürlich längst alle, wie detailliert und durchdacht sich die Prequels mit der Original Trilogie reimen. Wenn dem so wäre, würden die armseligen OT-Fans wie Red Letter Media nicht auf all den Szenen und Dialogen herumhacken, die teilweise nahezu genauso in den alten Filmen stattfinden. Und obwohl HelloGreedo behauptet den Aufsatz gelesen zu haben, hat er ihn scheinbar nicht richtig verstanden. Er bezieht sich nämlich auf genau die oberflächlichen Aspekte (Einstellungen ähneln sich, Anakin und Luke gehen den gleichen Weg etc.), die zwar auch in der Ring-Theorie vorkommen, aber eben überhaupt nicht der Tiefgründigkeit und den präzisen Beobachtungen gerecht werden. Angeblich würde man ja in allen Filmreihen diese Parallelen vorfinden und die Prequel-Fans interpretieren einfach zu viel in die Filme hinein. Nun, offensichtlich wird man ihn und viele andere Star Wars Anhänger nie zu Fans der Prequels machen können. In den Kommentaren zum Video ist sogar davon die Rede, dass dann ja auch The Force Awakens die Original Trilogie perfekt spiegelt, da es schließlich die Geschichte von A New Hope nacherzählt. Wieso der Aufschrei? Episode VII reimt sich doch perfekt auf Episode IV. Nein, eben nicht. Es gibt einen Unterschied zwischen „Inspirieren“ und „Kopieren“.
The Force Awakens
übernimmt in großen Teilen 1 zu 1 die Geschichte von A New Hope - das ist kein Geheimnis. Das kann nicht ansatzweise als
Vergleich zur Ring-Theorie herhalten. Zum einen gäbe es ja dann nicht den
Bedarf „Star Wars“-Fans über den wiederkehrenden Rhythmus innerhalb der Saga aufzuklären
und zum anderen wären die Prequels viel besser bewertet worden, wenn sie wie
Episode VII zu 80-90 % die Original Trilogie nacherzählt hätten. Hier lohnt es
sich einmal mehr ins Detail zu gehen. Um erstmal wieder zum Opening von Episode
I und VI zu kommen: diese Szenen sind zwar fast gleich inszeniert, behandeln
aber eine völlig andere Situation. In Episode VI landet der Bösewicht der Saga
auf der eigenen Raumstation, dem Zeiten Todesstern, also der gefährlichsten
Waffe der Galaxie. In Episode I landen zwei Jedi, die Helden des Films, auf
einer von vielen Raumstationen der Handelsföderation, die Antagonisten des
Films. Die Motivation, die involvierten Personen, die Verhältnisse zueinander –
alles unterscheidet sich. Nicht ganz so verschieden, aber zumindest verschieden
genug, sind die vergleichbaren Sequenzen zwischen Episode I, IV, und VII wenn
es um die Zerstörung einer Raumstation geht. Auf der einen Seite wird in VII
auf die fast exakt gleiche Weise wie in IV ein dritter Todesstern zerstört. Es
sind wieder ein Dutzend X-Wings, es sind wieder TIE-Fighter und sie entdecken
wieder eine Schwachstelle, die mit ein paar Schüssen zur Zerstörung der Station
führt. Episode I ähnelt sich zwar insofern, dass auch der Protagonist und Held
der jeweiligen Trilogie die Station zerstört, aber die Situation ist gänzlich
anders. Es wird mit anderen Fahrzeugen gekämpft, andere Parteien kämpfen
gegeneinander und das Ziel ist ein ganz anderes. In Episode VII kämpfen wieder
die Rebellen gegen das Imperium, man hat ihnen nur neue Namen verpasst; und es
geht wieder um einen Todesstern, der jetzt halt Starkiller-Base heißt. In
Episode I kämpft die Republik nicht gegen ein ebenbürtiges Imperium. Der Planet
Naboo kämpft um seine Freiheit gegen eine Handelsföderation. Und die
Raumstation kontrolliert lediglich die Bodentruppen und ist nicht für den
nächsten weltzerstörenden Schlag verantwortlich.
Noch besser lassen sich zwei Szenen aus Episode III und Episode VIII vergleichen. The Last Jedi könnte man zwar zugutehalten, dass die grundlegende Struktur nicht einen der Original-Filme entspricht, dennoch gibt es etliche Szenen, die sich 1 zu 1 an bekannten Stellen der gesamten Original Trilogie bedienen. Offensichtlich wird das bspw. an der bekannten Thronsaal-Szene mit Kylo Ren, Rey und Snoke. Jedem Zuschauer fällt sofort auf, dass dies einem Remake der Thronsaal-Szene aus Episode VI gleicht. Rey stellt sich genauso wie einst Luke dem Bösewicht, der sie dann zum Oberbösewicht führt, um zur dunklen Seite bekehrt zu werden. Rey versucht währenddessen Kylo zu bekehren, so wie es einst Luke mit Vader versucht hat. Daraufhin wird der Oberbösewicht getötet usw. Da Episode VIII nur der Mittelteil einer Trilogie ist, endet die Szene natürlich nicht in dem erlösenden Moment wie die Szene in VI. Dennoch sind der Aufbau und die Ausführung zu 90 % identisch. Jetzt schaut man auf Episode III. Dieser Film beinhaltet nämlich auch eine Art Thronsaal-Szene, welche deutlich unauffälliger ist und die man auf den ersten Blick nicht zwingend mit ihrem Äquivalent aus Episode VI gleichsetzen würde. Es handelt sich nämlich um die Konfrontation von Anakin, Obi-Wan und Count Dooku. Die Situation ist erstmal wieder eine völlig andere: die Szene findet gleich zu Beginn des Films statt; es führt nicht der Schurke den Helden zu seinem Meister, sondern zwei Jedi gehen zum Kanzler (der geheime Sith-Lord), der gerettet werden muss. Es folgt eine Konfrontation mit Count Dooku, in der Anakin den Sith-Lord niederstreckt. Hier spiegelt George Lucas einmal mehr eine Szene aus der Original-Trilogie, dreht die Gegebenheiten aber völlig um. Der Kanzler sitzt, wie später der Imperator, in einem großen Saal. Der Held (Anakin) und der Bösewicht (Dooku) finden sich in diesem Saal wieder und tragen einen Kampf aus. Die Entstehung der Situation und der Verlauf sind anders als in Episode VI und dennoch gleich. Denn die Situation in Episode III wurde selbstverständlich vom Kanzler inszeniert und galt als weiterer Schritt, um Anakin auf die dunkle Seite zu ziehen. Nur Anakin weiß das nicht, wohingegen Luke es weiß; Luke tötet seinen Kontrahenten (Vader) nicht, wohingegen Anakin es tut; und Luke widersetzt sich daraufhin der dunkeln Seite, wohingegen Anakin ihr im späteren Verlauf verfällt. Das ist der Unterschied zwischen intelligenter Inspiration und fauler Nachbildung – it's like poetry, it's sort of, they rhyme .
Weiterführende Literatur:
The Force Awakens vs. The Prequels
The Prequels Strike Back –
YouTube-Kanal
The Surprising Practical Effects of the Star Wars Prequels