Der Baader Meinhof Komplex - Ein Film jenseits von Gut und Böse

22.11.2009 - 08:00 Uhr
Der Baader Meinhof Komplex
Constantin Film
Der Baader Meinhof Komplex
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Wenn deutsche Geschichte im Film auftaucht, sind die Helden und Schurken meist leicht auszumachen. Doch statt zu urteilen, belässt es Der Baader Meinhof Komplex beim neutralen Bericht und vertraut auf den mündigen Zuschauer.

Als Der Baader Meinhof Komplex von Bernd Eichinger 2008 in die deutschen Kinos kam, waren die Kritiker gespalten: Der Film sei spannend und reich an Action, aber auch sehr faktenlastig und beinahe dokumentarisch. Der Haus- und Hofkritiker von Spiegel-Online, Andreas Borcholte, urteilte sogar “[H]inter Action und Filmfinesse verbirgt sich eine Historienlektion ohne Haltung”. Da haben wir sie plötzlich, die berühmte “Haltung”, und damit ein Hauptproblem des deutschen Films.

Was Andreas Borcholte hier kritisiert, ist die fehlende moralische Bewertung der Ereignisse. Doch ist es die Aufgabe des Kinos uns den Unterschied zwischen Gut und Böse beizubringen? Der Baader Meinhof Komplex wagt etwas, wovor andere deutsche Filme zurückschrecken: Er betrachtet den Zuschauer als intelligentes, mündiges Wesen und nicht als sabbernden Hauptschulabbrecher, der sofort in die NPD eintreten würden, wenn Filme ihn nicht rund um die Uhr daran erinnern würden, dass Nazis echt böse waren. Dadurch haben die Zuschauer, die nicht unter letztgenannte Kategorie fallen, endlich auch mal einen Mehrwert. Nach dem Film weiß man tatsächlich mehr über die deutsche Geschichte, als zuvor. Wie viele andere Filme über die deutsche Geschichte können das schon von sich behaupten?

Der Baader Meinhof Komplex bleibt eng an dem gleichnamigen Buch von Stefan Aust und zeigt, ohne zu deuten. Er erklärt, ohne zu predigen. Er zeigt die Ereignisse des deutschen Herbstes in ihrem historischen Kontext, macht die Stimmung der Zeit mit ihren Ängsten, Problemen und Neurosen nachvollziehbar. Die RAF erscheint als extremes Symptom einer Epoche, in der die BRD noch nicht wusste, in welche historische Richtung sie sich entwickeln will.

Bei all dieser Faktizität gelingt ihm sogar das Wunder, nicht langweilig zu sein. Der Baader Meinhof Komplex bietet Action, spannende Charaktere und brillante Dialoge, ohne darüber die historischen Fakten zu verkaufen. Dies wird dadurch möglich, dass die Epoche auch in der Realität von sich überschlagenden Ereignissen, charismatischen Persönlichkeiten und begnadeten Rhetorikern wie Ulrike Meinhof oder Helmut Schmidt geprägt war. Das hervorragende Schauspiel von Moritz Bleibtreu als Andreas Baader oder Johanna Wokalek als Gudrun Ensslin trägt seinen Teil bei. Die Figuren wirken lebendig und leidenschaftlich, aber nie eindimensional. Gleichzeitig versprühen sie durch ihr prägnantes Schauspiel auch einen gewissen Verfremdungseffekt, der uns nicht vergessen lässt, dass es sich letztendlich um fiktive Figuren und nicht um ihre realen Vorbilder handelt.

Bis zuletzt verweigert Der Baader Meinhof Komplex jede moralische Beurteilung sowohl der Täter, als auch der Opfer. Die Folge war Empörung vonseiten der Hinterbliebenen. Doch es ist nicht die Aufgabe des Filmes die Geschichte neu zu schreiben. Am Ende ist es der Zuschauer, der die Ereignisse für sich selbst ordnen und Erklärungen für die Taten der Terroristen finden muss. Wenn ihm dies aufgrund der “Haltungslosigkeit” des Filmes mitunter nicht gelingt, wäre das nur konsequent: Jede psychologische Ausdeutung der RAF-Gründer seitens der Filmmacher wäre bereits historische Verfälschung. Unserer Generation müssen viele der Vorgänge leider rätselhaft bleiben und es ist nicht die Aufgabe des Kinos, offene Fragen durch einseitige Antworten zu ersetzen.

Der Baader Meinhof Komplex läuft heute und morgen Abend, dem 22. und 23 November, in zwei Teilen auf ARD. Falls ihr heute Abend allerdings keine Lust auf Geschichte habt, werft doch einen Blick in unser TV Programm.

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