Der neue Tatort aus dem Saarland stand unter keinem guten Stern. Erst gab es die öffentliche Fehde zwischen den Darstellern Gregor Weber und Maximilian Brückner sowie dem Saarländischen Rundfunk. Der proklamierte ihre Geschichten für auserzählt und verlängerte die Verträge nicht. Dann rief Gregor Weber in typischer Deininger-Fasson die Fans dazu auf, Tatort: Verschleppt zu boykottieren. Zu schlecht sei er. Nun können wir uns selbst ein Bild vom letzten Kappl-Deininger-Fall machen, der einen Boykott jedenfalls nicht verdient hat. Die härtere Gangart der beiden ungleichen Ermittler dürfte eine kräftige Lücke in der Tatortlandschaft hinterlassen.
Lokalkolorit: Ein einladendes Bild vom Saarland haben wir in diesem Tatort ganz sicher nicht bekommen. Abweisende Massenbehausungen verbergen da ebenso dunkle Geheimnisse wie ländliche Einfamilienhäuser. Das alles wird düster und dreckig eingefangen, erinnert mit seinen effektheischenden Schnitten und den kontrastreichen Schatten teilweise an die Machart britischer Krimis wie Hautnah – Die Methode Hill. In ihrem letzten Fall bewegen sich Kappl und Deininger also durch ein Saarland, das einem Sündenpfuhl voller Bedrohungen gleicht.
Plot: Zwei ausgehungerte Mädchen werden am Rande einer Schnellstraße gefunden, eine davon tot. Kappl und Deininger stehen unter Zugzwang, denn irgendwo das draußen hält ein Psychopath noch andere Mädchen gefangen. So jedenfalls lautet die Theorie. Im Endeffekt bekommen wir den Entführer mit dem Ordnungszwang nur auf Bildern zu sehen. Vor Wochen wurde er durch einen Erdrutsch getötet. In einer seltsamen Ausformung des Stockholm Syndroms wird das Opfer Barbara daraufhin zum Täter. Thematische Parallelen zu den Streifen Tatort: Schwarze Tiger, weiße Löwen und Tatort: Keine Polizei aus den letzten Wochen drängen sich auf.
Unterhaltung: Gespannt wie ein Flitzebogen präsentiert sich der Tatort aus dem Saarland. Von Anfang an machen die hektischen Schnitte und das markerschütternd unangenehme Sounddesign klar, dass es hier um alles geht. Zwar bleibt hier und da Zeit für ein paar Dialogspitzen, doch die meiste Zeit gibt sich der Krimi so gehetzt wie seine Protagonisten, die auch vor einem Schlag in den Bauch eines Verdächtigen nicht zurückschrecken. Im Vergleich zu den alteingesessenen Kollegen etwa aus Köln wirkt das Ganze zwar ein wenig exaltiert. Dafür bestätigte der Verzicht auf das soapige Privatleben, dass für diese Tatort-Kommissare noch etwas auf dem Spiel steht. Die haben einfach keine Zeit für ’ne Currywurst nach Feierabend.
Tiefgang: Es ist schon spannend mitanzusehen, wie unterschiedlich das Thema Entführung in kurzer Zeit in drei Tatorten verarbeitet wird. Bei Charlotte Lindholm bleibt das Grauen der Gefangenschaft der Vorstellung überlassen und wird mit ihren seichten Liebesproblemen mundgerecht aufgeweicht. Die Kölner bedrängen potenzielle Täter ohne Rücksicht auf (psychische) Verluste und finden in einem früheren Opfer schließlich den Täter. Auch hier machen die Ermittler weiter, als wäre nichts geschehen. Demgegenüber werden der emotionale Deininger und der zurückhaltende Kappl psychisch mit hineingezogen in die quälende Suche nach Spuren, so dass gar kein Platz mehr für ein Leben abseits der Arbeit ist. Da winken sowieso nur Albträume. Das wirkt etwas hysterisch in der Inszenierung, bringt aber auch Spannung in den Fall, etwa wenn sie das Haus des Entführers betreten und die Kamera durch die Erde bis tief in den Keller zu den eingesperrten Mädchen fährt.
Mord des Sonntags: Das Mädchen Barbara bringt ihren Mithäftling um. Der Mord geschieht zwar off-screen, doch die leblosen Augen des Entführungsopfers und die Abwesenheit jeglicher Persönlichkeit verdeutlichen das Grauen im Keller.
Zitat des Sonntags: “Das war doch die Privatangelegenheit von Herrn Herder.”
Überragend war dieser letzte Tatort von Kappl & Deininger nicht, aber durchaus sehenswert. Wie hat er euch gefallen?