Vor 25 Jahren wurde das Leben von Dietrich Bonhoeffer erstmals für die Leinwand verfilmt. Damals verkörperte Ulrich Tukur der deutschen Theologen, der sich in der Zeit des Zweiten Weltkriegs als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus wandte. Nun startet eine weitere Verfilmung in den Kinos. Das hierzulande schlicht als Bonhoeffer betitelte Biopic gilt seit seinem Kinostart in den USA als umstritten.
In diesem Artikel erklären wir:
- Wer Dietrich Bonhoeffer war
- Wer hinter dem neuen Film steckt
- Warum der Film so kontrovers ist
- Wer sich von dem Film distanziert hat
- Und was die Kritiken zu dem Film sagen
Widerstandskämpfer: Wer war Dietrich Bonhoeffer?
Dietrich Bonhoeffer wurde am 4. Februar 1906 in Breslau geboren. Er studierte Theologie in Tübingen und Berlin. Bereits mit 24 Jahren erhielt er seine Habilitation. 1933 sprach er sich erstmals öffentlich gegen die Judenverfolgung aus und wurde zum namhaften Vertreter der Bekennenden Kirche, bei der es sich um eine Oppositionsbewegung evangelischer Christen gegen den Nationalsozialismus handelt.
Die Nazis wollten die Lehren der Evangelischen Kirche für ihre Zwecke nutzen. Bonhoeffer stellte sich dagegen und leistete theologischen und politischen Widerstand. Er war an mindestens zwei Attentatsversuchen auf Adolf Hitler beteiligt. Aufgrund von belastenden Dokumenten wurde er 1943 von der Gestapo festgenommen und ins KZ Flossenbürg gebracht. Dort wurde er am 19. April 1945 hingerichtet.
Wer steckt hinter dem neuen Bonhoeffer-Film?
Bonhoeffer stammt von Regisseur und Drehbuchautor Todd Komarnicki, der zuvor an Filmen wie Clint Eastwoods Sully und The Professor and the Madman mitgearbeitet hat, die ebenfalls auf wahren Geschichten beruhen. In der Hauptrolle ist der aus Der Goldene Handschuh bekannte Jonas Dassler zu sehen. Mit August Diehl, Flula Borg und Moritz Bleibtreu gehören weitere deutsche Schauspieler zum Cast.
Der unabhängig produzierte Film wurde nach seiner Fertigstellung im November 2023 von dem US-amerikanischen Medienunternehmen Angel Studios gekauft, das den Titel von God's Spy (Spion Gottes) in Bonhoeffer: Pastor, Spy, Assassin (Bonhoeffer: Pastor, Spion, Attentäter) umbenannt hat. Hier fängt die Kontroverse an. Denn Angel Studios ist in erster Linie für rechts-evangelikale Filme bekannt.
Warum ist der neue Bonhoeffer-Film so kontrovers?
Der zentrale Vorwurf gegen den neuen Bonhoeffer-Film lautet, dass die Biografie des Widerstandskämpfers genutzt wird, um politische Gewalt zu rechtfertigen. Schon seit Längerem zeichnet sich in den USA ab, dass Bonhoeffers Wirken für Propagandazwecke missbraucht wird. In einem offenen Brief, der im Oktober in der Zeit erschienen ist, warnen deutsche und US-amerikanische Theologen:
In den Vereinigten Staaten findet sich die gefährliche Widerstandsrhetorik, die sich auf Dietrich Bonhoeffer beruft, vor allem in Kreisen, die sich dem christlichen Nationalismus verschrieben haben. Diese Gruppen nutzen die Symbole und die Sprache des christlichen Glaubens, um Macht und Kontrolle über andere zu erlangen.
Konkret zum Film heißt es:
Im November kommt der Spielfilm Bonhoeffer: Pastor. Spion. Attentäter in die amerikanischen Kinos. Er verspricht die 'wahre, unerzählte Geschichte' eines Mannes, 'der Liebe predigte und gleichzeitig das Attentat auf einen Tyrannen plante'. In der Werbung stellen die Angel Studios immer wieder den direkten Bezug zur Gegenwart her: 'Der Film wirft die Frage auf: Wie weit wirst du gehen, um für das Richtige einzutreten?'
Kritisiert wird besonders das Marketing der Angel Studios. In den Augen der Theologen wird bewusst ein radikalisierender Tonfall gewählt, anstelle sich auf die Werte zu konzentrieren, die Bonhoeffers Schaffen ausgezeichnet haben, etwa Gerechtigkeit und Nächstenliebe. Der Widerstand gegen die Nazis wird verdreht, um Gewaltbereitschaft bei der Durchsetzung der Agenda christlicher Nationalisten zu legitimieren.
Wer hat sich von dem neuen Bonhoeffer-Film distanziert?
Die Instrumentalisierung des Bonhoeffer-Films hat inzwischen dazu geführt, dass sich viele Beteiligte von dem Projekt distanziert haben. In einer Stellungnahme, die auf der Website der International Bonhoeffer Society veröffentlicht wurde, sagt der Cast:
Wir, die Schauspielenden des Films Bonhoeffer: Pastor. Spion. Attentäter, von Todd Kormanicki, sind zutiefst besorgt über den Missbrauch unseres Films und des Vermächtnisses von Dietrich Bonhoeffer durch christliche Nationalisten. Wir haben den offenen Brief und die Erklärung der Bonhoeffer-Experten und der Nachkommen der Familie Bonhoeffer gelesen und teilen von ganzem Herzen deren Bedenken und verurteilen jede gefährliche Aneignung.
Unterzeichnet wurde der Brief von Hauptdarsteller Jonas Dassler sowie August Diehl, David Jonsson, Moritz Bleibtreu, Nadine Heidenreich, James Flynn, Lisa Hofer, Felix von Bredow, Patrick Moelleken. Darüber hinaus wurde kurz vor US-Start ein offener Brief der Nachkommen verfasst, die sich ebenfalls von dem Film distanzieren:
Mit Entsetzen verfolgen wir, wie das Vermächtnis von Dietrich Bonhoeffer zunehmend von rechtsextremen Antidemokraten, Fremdenfeinden und religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht wird. Er war ein friedliebender, freiheitlich gesinnter Menschenfreund. Niemals hätte er sich in der Nähe rechtsextremer, gewalttätiger Bewegungen gesehen, die heute versuchen, ihn zu vereinnahmen. Im Gegenteil, er hätte genau diese Haltungen kritisiert.
Was sagen die Kritiken zum neuen Bonhoeffer-Film?
Ist bei Bonhoeffer nur das Framing problematisch, mit dem Angel Studios den Film in den USA ins Kino gebracht hat, oder sollte der gesamte Film mit Vorsicht genossen werden? Die bisherigen Kritiken zeigen sich verhalten positiv bis warnend.
Im Guardian schreibt Filmkritikerin Catherine Bray:
Als Thriller ist der Film nicht wirklich spannend genug. Und als Biopic ist er nicht unbedingt repräsentativ für den Geist des Mannes. Aber der Film ist solide inszeniert in einem traditionellen, schnörkellosen Modus, der immer ein Publikum finden wird – auch wenn er nicht besonders trendy ist.
Robert Abele fragt sich bei der Los Angeles Time :
Was ist also von einem Film zu halten, der Bonhoeffer in einen Raum mit Attentatsverschwörern stellt oder britische Geistliche bittet, Sprengstoff einzuschmuggeln? Zum einen handelt es sich um eine umstrittene Geschichte, was bedeutet, dass eine ohnehin schon überstrapazierte und ideologisch sehr selbstsichere Biografie unnötig mit Genrespannung aufgepeppt wird. Was fehlt, sind die charakterlichen Nuancen, die von harten Zeiten unter einer gespaltenen Kirche sprechen und davon, wie sich das auf Bonhoeffer als Mensch und Bürger auswirkte, nicht nur auf den Diener Gottes.
In seiner Variety -Besprechung lobt Joe Leydon den Cast:
Dassler porträtiert Bonhoeffer klug und mit sorgfältig kalibriertem Maß an Eifer, Aufrichtigkeit, Kühnheit und gelegentlich auch Schrecken. Unterstützt wird er von gut besetzten Nebendarstellenden – selbst die Schauspieler, die flüchtige Cameos als Churchill (Tim Hudson) und Hitler (Marc Bessant) haben, gehen voll in ihren Rollen auf, ohne das Offensichtliche zu übertreiben.
Oliver Kube urteilt bei unserer Schwesternseite FILMSTARTS :
Das reale Schicksal von Dietrich Bonhoeffer war immens tragisch. Seine Integrität angesichts der sich damals vor ihm aufbauenden Opposition – sowohl von Seiten des NS-Staates als auch innerhalb der Kirche – ist unverändert bewundernswert und inspirierend. Dieser Film wird jedoch weder dem Mann noch seinen Worten, seinen Taten oder seinem Vermächtnis auch nur ansatzweise gerecht. Bonhoeffer verheizt seinen prominenten Cast mit einer schwachen Inszenierung, dreister Geschichtsverzerrung und plumper Sensationshascherei.
Bei Metacritic kommt Bonhoeffer aktuell auf 43 von 100 Punkten im Durchschnitt. Rotten Tomatoes listet den Film mit 66 Prozent positive Kritiken.
Bonhoeffer läuft seit dem 13. März 2025 in den deutschen Kinos.