Deutsche Synchro - alles awesome?

06.05.2014 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Incompetently dubbed kung fu. Our most valuable Chinese import.
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Die Lager sind gespalten, die Fronten verhärtet, der Kampf scheint endlos: Diese Woche wagt sich moviepilot-User Mein Senf auf das Schlachtfeld der deutschen Synchronisation – und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.

Am 10. April startete in Deutschland The Lego Movie. Dieses Product-Placement in Spielfilmlänge beweist nicht nur, dass Spielzeugverfilmungen nicht zwangsläufig Käse sein müssen, sondern auch, dass deutsche Synchronfassungen einen Originalfilm bereichern, statt zerstören können. Denn nur in der deutschen Version kommen wir in den Genuss von David Nathan, der deutschen Synchronstimme von Christian Bale, als Lego-Batman. Ähnliche Casting-Entscheidungen haben schon Filme wie Team America (2003) aufgewertet und passen wunderbar in die Masse an popkulturellen Anspielungen des Films. Ist The Lego Movie damit aber nur die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt?

Grabenkämpfe um Sprachbarrieren

Ein befreundeter Journalist sagte zu mir mal folgendes: “Willst du wirken, als hättest du Ahnung vom Metier, reg dich über die deutsche Synchronfassung auf.” Im cinephilen Mainstream scheint die Meinung zu dominieren, dass nur Originalfassungen ein erfüllendes Filmerlebnis bieten können. Diese Einstellung fußt auch auf sozialen Abgrenzungsdynamiken, die jeder Subkultur zu eigen sein scheinen (Stichwort: „Vinyl klingt besser!“), und dem menschlichen Drang nach der Ausstellung eines Überlegenheitsgestus. Das Schauen der Originalversion ist hier auch ein cineastisches Statussymbol. Da eine Subkultur aber nie homogen ist, entspinnen sich entlang des Themas zum Teil erbitterte Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern synchronisierter Filme.

Dabei scheinen beide Parteien weniger an Kompromissen interessiert zu sein, vielmehr geht es darum, den eigenen Standpunkt möglichst fundamentalistisch und unnachgiebig zu verteidigen. Im polemischen Kampflärm wird dabei gerne übersehen, dass beide Parteien Recht haben – dabei aber komplett aneinander vorbeireden. Wieso und weshalb soll diese differenzierte Bestandsaufnahme der gängigen Argumentationsmuster beider Seiten veranschaulichen:

Lost in Translation

Das Hauptargument für das Original und wider Synchronisation ist genauso einleuchtend, wie richtig. Aus Sicht des Künstlers, beraubt man ihn eines seiner wichtigsten Instrumente: Seiner Stimme. Zwar versuchen Synchronsprecher, abgesehen von Ausnahmen, ihre Stimmmodulation und Phonetik dem Original anzupassen, trotzdem werden bei diesem „Kopierprozess“ zwangsläufig immer Nuancen auf der Stecke bleiben. Sehr stark wiegt auch das Lost-in-Translation-Phänomen: Manche Redewendungen oder Wortspiele lassen sich aufgrund sprachlicher und kultureller Unterschiede nicht adäquat ins Deutsche übersetzen. Beispiele gibt es vor allem im wortwitz-lastigen Komödienbereich, aber auch beim Meister der geschliffenen Dialoge, Quentin Tarantino.

Leider nützen die feinsinnigsten Originaldialoge herzlich wenig, wenn sie der Zuschauer aufgrund von Sprachbarrieren nicht gänzlich, oder nur teilweise verstehen kann. „Ich möchte mich schließlich auf den Film konzentrieren, und nicht die ganze Zeit mit Übersetzen beschäftigt sein“, bellen an dieser Stelle häufig die Synchro-Befürworter. Tatsache ist, dass rund zwei Drittel der Bundesbürger angeben, sich in mindestens einer Fremdsprache verständigen zu können. Wenn man aber Snoop Pearson aus The Wire (2002-2008) eine Nagelpistole verkaufen müsste, kämen wohl selbst Native Speakers schnell ins Schleudern. Oder anders formuliert: Der Prozentsatz, die von sich behaupten können, sämtliche Dialoge einer englischen Originalversion (von anderen Sprachen ganz zu Schweigen) zu verstehen, ist in Deutschland schlicht sehr gering – das steht auch nur vordergründig im Widerspruch zu der Tatsache, dass Synchro-Gegner innerhalb der film-affinen Subkultur den großen Mainstream bilden. Aus oben genannten Gründen (Abgrenzungsdynamiken, Überlegenheitsgestus) müssen leidenschaftliche Synchro-Gegner nicht zwangsläufig über adäquate Fremdsprachenkenntnisse verfügen, um das Original der übersetzten Fassung vorzuziehen.

OMU als Alternative?

Als vermeintlicher Kompromiss, bzw. Brücke zwischen Synchronisation und Originalfassung, wird häufig die Variante „Original mit Untertiteln“, oder kurz OMU, ins Feld geführt. So könne man die schauspielerischen Darbietungen, trotz etwaiger Sprachbarrieren, möglichst unverfälscht genießen. Allerdings sind Untertitel lediglich eine knappe, und selten wortwörtliche Zusammenfassung des Dialogs – sprachliche Besonderheiten der Originaldialoge werden somit sogar noch weiter rasiert. Dass Untertitel gängigerweise im unteren Bildbereich platziert werden, zieht zwei weitere Probleme nach sich: Zum einen stellen sie einen enormen Eingriff in die Bildästhetik des Films dar, zum anderen lenkt das Lesen zwangsläufig vom Betrachten des Bildes ab. Vollkommen unabhängig von der künstlerischen Bewertung fördern untertitelte Originalfassungen allerdings den Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen, wie eine EU-Studie 2011 jüngst belegt hat.

Hochdeutsches Bügeleisen

Unbestreitbar stellt auch eine Synchronisation einen erheblichen Eingriff ins Originalwerk dar. Schließlich glättet sie (neben sprachlichen Nuancen) in der Regel auch sämtliche Akzente und Dialekte. Warum ist das aus künstlerischer Hinsicht problematisch? Für die Figurenzeichnung können Akzente und Dialekte wichtig sein, oder anders formuliert: Es ist nicht nur wichtig, was eine Person sagt, sondern auch wie sie es sagt. Akzent und Dialekte sind immer auch soziale Identifikationsmittel und werden mit bestimmten Klischeevorstellungen assoziiert, die man sich filmisch zu Nutze machen kann. Deutsche Synchronfassungen beschränken sich gemeinhin auf eine hochdeutsche Übersetzung, Ausnahmen gibt es vor allem im Genre Komödie. Im extremen Falle der französischen Komödie Willkommen bei den Sch’tis erfinden deutsche Synchronregisseure sogar fiktive Dialekte, um phonetisch der Vorlage gerecht zu werden.

“Mach mir davon eine feste Kopie!”

Film-Synchronisation ist zudem ganz profan eine Fehlerquelle innerhalb eines Mediums, das durch die schiere Menge an beteiligten Personen innerhalb des Produktionsprozess eh schon ein hohes Maß an Fehleranfälligkeit besitzt. Wer fasst sich nicht an den Kopf, wenn Rick Deckard in der deutschen Ur-Synchronfassung von Blade Runner (1981) seinen Esper-Computer dazu auffordert, ihm eine „feste Kopie“ zu machen? Wenn Bender im deutschen Futurama (1998-2013) zur Abschaltung eines Supercomputers statt des Affengriffs ("Try alternative-control-delete”) eine „alternative Kontrolllöschung“ anregt, kann man nur noch beschämt nach unten schauen. Zu Übersetzungsfehlern gesellen sich akustische Fehlinterpretationen (z.B. „son“ statt „sun“), aber auch so genannte „falsche Freunde“, also ausländische Begriffe wie das spanische Wort „Firma“ (für Unterschrift), das im Deutschen gerne wortwörtlich übersetzt wird. So ist der „Chef“ in South Park (1997-Gegenwart) in erster Linie „Koch“ und erst dann „Chefkoch“.

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