Charles Dickens ’ Weihnachtsgeschichte gehört zu den meistverfilmten und meistzitierten Stories der Film- und TV-Geschichte. Keine Serie, die etwas auf sich hält, kommt ohne eine Episode aus, in der eine der Hauptfiguren ihre Variante der Bekehrungsgeschichte erlebt. Egal, ob Al Bundy, Black Adder, Moonlighting oder “Dagobert Duck”.
Die Zahl der Filmadaptionen ist ebenfalls Legende: Seit 1901 hat es mehr als 70 Kino- und Fernsehadaptionen des zeitlosen Stoffes gegeben. Mal werkgetreu, mal modernisiert, mal als feministische Variante, als Zeichentrickfilm oder Puppenspiel: Ebenezer Scrooge ist unkaputtbar.
Zu den schönsten Versionen zählen zweifellos die Die Muppets Weihnachtsgeschichte mit Michael Caine, sowie die respektlose Neuinterpretation Die Geister, die ich rief…, in der ein fantastischer Bill Murray als garstiger TV-Boss Frank Cross die Bekanntschaft der drei Weihnachtsgeister macht. Richard Donner schaffte es damals zynische Gags und böse Seitenhiebe auf die Medienwelt, rührseelige Momente und ein großartige All-Star-Cast zu einer wahrlich fantastischen Weihnachsgeschichte zu vermengen, die ihresgleichen suchte. Von Lee Majors, der den Weihnachtsmann aus den Fängen von Terroristen befreit, bis zum Schlussong (“Put a little love in your heart”) – der Film ist zurecht ein moderner Klassiker, der jedes Jahr wieder im TV läuft.
In diesem Jahr steht nun eine weitere Version des Klassikers an. Robert Zemeckis, der mit Der Polarexpress und Die Legende von Beowulf (und der Produktion von Monster House) schon einschlägige Erfahrungen im Animationsbereich vorweisen kann, wird a-christmas-carol-2 als 3D-Animationsfilm neu erzählen. Im MoCap-(also Motion Capture oder Performance Capture-) Verfahren werden Stars wie Jim Carrey und Gary Oldman den bekannten Figuren neues Leben einhauchen. Carey schlüpft dabei gleich in vier Rollen: Neben Ebenezer Scrooge, den er in sämtlichen Altersstufen spielt, wird er auch seine Gegenspieler, die drei Geister der Weihnacht digital mit Leben erfüllen.
Gestern gab es jetzt in Cannes einen ersten Ausschnitt des Films zu sehen und die Produzenten stellten sich in einem virtuellen Junket den Fragen von Journalisten. Hier zunächst der kurze Clip, in dem Ebenezer seinem verstorbenen Geschäftspartner Marley wiederbegegnet:
Der Clip ist noch wenig aussagekräftig, um sich ein Bild vom Film zu machen, doch es dürfte spannend werden zu erleben, wie sich die Macher von den erfolgreichen Vorgängern abheben wollen und ob es ihnen gelingt auch die dunkleren Aspekte der Geschichte umzusetzen. Produzent Jack Rapke meinte auf Nachfrage dazu:
“Natürlich hat die Geschichte dunkle Elemente, die auch notwendig sind in einem Film über einen Mann, der eine Reise unternimmt, um seine Seele reinzuwaschen. Dennoch ist der Film “Disneys Weihnachtsgeschichte” und auch dem ist Tribut zu zollen, ohne die dunklen Momente zu opfern, die für das Erzählen dieser Story wichtig sind."
Ob das gelingt, bleibt abzuwarten und auch, ob sich die Zuschauer für den Animationsstil begeistern werden. Die bisherigen Filme in dieser Machart liefen eher durchwachsen. Legte Der Polarexpress noch ein ganz respektables Ergebnis hin, waren die deutschen Einspielergebnisse von Die Legende von Beowulf und insbesondere Monster House eher enttäuschend. Kritiker wie Zuschauer bemängelten den an Wachsleichen erinnernden Look der Figuren, den trotz prominenter MoCap-Akteure kamen Beowulf und Co doch etwas Ausdruckslos daher. Eine echte Herausforderung für a-christmas-carol-2, denn gerade Jim Carrey besticht ja durch seine eindrucksvolle Mimik und Vielseitigkeit – wie er unter anderem im völlig unterschätzten Flop Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse als Count Olaf unter Beweis stellen durfte.
Produzent Jack Rapke ist sich der Skepsis, die einige Zuschauer gegenüber der neuen Technik haben, durchaus bewusst, auch wenn er sie nicht nachvollziehen kann.
“Ich komme von der Film-Hochschule und wurde dort auch noch als klassischer Filmemacher ausgebildet. Ich verstehe den Widerstand gegen diese (neue) Kunstform nicht. Die Geschichte des Kinos ist eine Geschichte ständiger technischer Weiterentwicklung, die es erlauben, Filme anders und besser zu erzählen. Als jemand zum ersten Mal die Kamera bewegte, dachten die Menschen, das sei unmöglich, der erste Achssprung galt als unmöglich. Der Tonfilm wurde ursprünglich abgelehnt. Der Wechsel zum Farbfilm genauso. Ich habe den Eindruck, dass anfänglich alles auf Widerstand stößt. Unsere Kunstform ist nur eine weitere Art, Geschichten zu erzählen und darum geht es doch bei der Kunstform Kino schließlich.”
Steve Starkey und Jack Rapke sind überzeugt von der Technik und betonen, wie wichtig es ihnen und Zemeckis war, der Dickens-Story gerecht zu werden. Ein paar Zugeständnisse ans moderne Publikum werde es geben, aber keine fundamentalen Änderungen. Und letztlich sei die 3D-Technik ideal, um die Visionen Zemeckis – der auch das Drehbuch schrieb – umzusetzen.
Wie genau sich diese Versionen – abgesehen von den üblichen 3D-Effekten – von denen der Vorgänger unterscheiden, werden wir zu Weihnachten erleben.
Ich bleibe gespannt, was Bob und Co. aus einer meiner Lieblingsgeschichten machen werden.