Bei der Überschrift werden sich vermutlich einige fragen: "Moment, hat George Lucas nicht den ersten Film geschrieben und selbst gedreht? Und die zwei weiteren selbst finanziert, die Geschichte vorgegeben und am Drehbuch mitgearbeitet? Er ist doch der Vater von Star Wars." Das ist richtig. Einige Fans können jedoch ziemlich irrational werden, wenn Ihnen ein Film nicht gefällt und George Lucas musste das leider völlig zu Unrecht zu spüren bekommen. Seit Ende der 1990er und frühen 2000er Jahre wurde verzweifelt versucht rückwirkend zu erklären bzw. zu rechtfertigen, wieso Episode IV, V und VI so großartige Filme geworden sind. Und George Lucas hatte definitiv keinen Anteil daran. Schließlich lassen sich die Prequels nicht anders erklären, oder? Vor keinem der drei Original-Star-Wars-Filme ist man zurückgeschreckt. Selbst den aller ersten "Star Wars", den Lucas eigenhändig entwickelt, geschrieben und mühevoll gedreht hat. Nein, entweder muss der Produzent für die Qualität verantwortlich gewesen sein; Oder seine Freunde; Oder womöglich seine Frau; Oder nein, die Cutter haben "Star Wars" gerettet! George Lucas ist zwar selbst ein begnadeter Cutter und sieht darin seine liebste Aufgabe beim Filmemachen, hat demnach also von vorneherein einen großen Anteil am Schnittprozess jedes "Star Wars"-Films, aber nun ja. Entkräftet habe ich diesen Mythos vom geretteten 1977er Film ohnehin schon vor einiger Zeit in Everything Wrong With „How Star Wars was saved in the edit“. Nun aber zu den einzelnen Episoden und einigen ausgewählten Mythen:
Episode IV - Der Mythos über die Dialoge
Das erste Fake-Narrativ, welches seit Jahren existiert, ist die Annahme, dass für die Genialität am Drehbuch von Episode IV nicht George Lucas verantwortlich war (also in keinster Weise), sondern seine Aushilfsschreiber Willard Huyck und Gloria Katz. Seit diese Information existiert, ist dieses ganze Konstrukt unter George-Lucas-Revisionisten und Prequel-Hatern entstanden, die beiden Drehbuchschreiber wären für alles Gute an "Star Wars" verantwortlich, nein, eigentlich hätten sie sogar alle Dialoge neu geschrieben und seien für jeden ikonischen Charakter zuständig, wie sie heute existieren. Aber lassen wir den Schöpfer erstmal selbst sprechen (alle Zitate stammen aus Paul Duncans "Das Star Wars Archiv"):
Paul Duncan: "Und Sie arbeiteten noch immer am Drehbuch."
George Lucas: "Ende Februar [1976] war ich nicht sehr glücklich mit den Dialogen, die ich geschrieben hatte. Also ließ ich mir von Bill Huyck und Gloria Katz mit ein paar flotten Sprüchen helfen. Einige verwendete ich, andere nicht."
Aber wer glaubt schon George Lucas persönlich? Gloria Katz bestätigt ganz exakt Lucas' Aussage in einem bald drei Jahre altem Interview : "George was writing the script and he had a lot of reservations about it, but he knew filming had to start. He said, 'Polish it–write anything you want and then I’ll go over it and see what I need.'" Also nochmal zum Mitschreiben: George Lucas nahm die Hilfe in Anspruch, verwendete dabei aber auch nur das, was er selbst für nützlich hielt. Faktisch steuerten die beiden Drehbuchautoren ungefähr 30 Prozent zum Skript an Dialogen bei: "We just tried to help with the characterization, to add as much humor as possible (they wrote about 30 percent of the film’s dialogue)." Das ist nicht ansatzweise ein ganzes Drehbuch, das ist nicht ansatzweise eine Veränderung aller Charaktere, das ist nicht ansatzweise die Rettung des Films.
Hinzu kommt die Tatsache, dass es sich dabei schon um den vierten und letzten Draft des Drehbuches handelte. Kurz bevor die Dreharbeiten begannen, passten Willard Huyck und Gloria Katz einige Dialoge an, während George Lucas selbst noch mehrere Handlungsdetails änderte bzw. hinzufügte.
Jeder Star Wars Fan ist den Autoren daher für ihre Arbeit dankbar. Sie haben Prinzessin Leia erst zu der taffen Figur geschrieben, für die sie heute jeder liebt. Aber können wir bitte aufhören zu behaupten, dass die beiden das Drehbuch und den Film gerettet haben und alle Dialoge vor ihrem Eingriff auf unerträglichem Niveau waren? Dafür gibt es keine Evidenz.
Episode V - George Lucas' geringster Einfluss?
George Lucas: "Krieg der Sterne ist ungefähr 25 Prozent von dem, was ich mir vorgestellt hatte. Ich glaube die Fortsetzungen werden viel, viel besser sein."
Dieses erste Zitat zeigt bereits im Ansatz, wie George Lucas Beteiligung am zweiten und dritten Teil der Original-Trilogie zu bewerten ist. Obgleich er augenscheinlich mit seinem Drehbuch und der Übernahme der Regie am ersten Star Wars mehr Einfluss zu haben scheint, waren es damals noch die begrenzten Mittel und die eingeschränkte Finanzierung durch das Studio 20th Century Fox, was Lucas davon abhielt seine volle Vision auf die Leinwand zu bringen. Episode V gilt dennoch seit jeher als der Film mit dem geringsten Einfluss des Schöpfers. Für Fans im Umkehrschluss eine logische Gegebenheit, da "Empire" gleichzeitig als der beste Star Wars Film wahrgenommen wird. Bekräftigt fühlte sich die Community, als George Lucas vor Jahren scherzhaft zu verlauten ließ, dass diese Episode seine persönlich Unbeliebteste sei. Ein gefundenes Fressen.
Die Tatsachen sind mal wieder andere. Episode V war der erste Film, den Lucas komplett aus eigener Tasche finanziert hat. Die Regie übertrug er dabei auf seinen ehemaligen Ausbilder
Irvin Kershner und entwickelte das Drehbuch gemeinsam mit Lawrence Kasdan. Ein erster, entscheidender Beweis für Lucas' geringeren Einfluss? Falsch. George Lucas entwarf nämlich das Story-Treatment, wofür er vier Monate benötigte und woran sich die Drehbuchautoren orientierten. Schließlich arbeitete er eng mit Kasdan zusammen. Bevor er ihn hinzuzog, legte Lucas sogar schon einen eigenen Entwurf vor, nachdem die erste Autorin Leigh Brackett erkrankte und kurze Zeit später tragischerweise verstarb. Er fügte den legendären Twist hinzu und formulierte Darth Vaders Hintergrundgeschichte aus. Den Rest übernahm Lawrence Kasdan . Er schrieb die passenden Dialoge und gab dem Drehbuch seine finale Form. Insofern täuscht auch der fehlende Writer-Credit von Lucas. Er überließ ihn lediglich aus Respekt der verstorbenen Leigh Brackett und logischerweise sowie folgerichtig Kasdan (fehlende Informationen ebenfalls aus "Das Star Wars Archiv" entnommen).
Harrison Ellenshaw, Leiter der Vorsatzmalerei: "George gab Irvin die Freiheit, den Film so zu drehen, wie er wollte, aber da endete Kershners Einfluss auch. Es ist genauso Georges Film wie der erste, das werden Sie am Ende sehen."
Die offenbarenden Zitate der Mitarbeiter häufen sich nun. Den Anfang macht Harrison Ellenshaw, der die Bedeutung von Kershners Regiearbeit entsprechend einschätzt. Als Nächstes meldete sich der Drehbuchautor Lawrence Kasdan persönlich bei der Entstehung von Episode V zu Wort:
Lawrence Kasdan: "Die Wahrheit ist, dass diese Filme ganz George sind. Ich würde das nicht von Raiders behaupten, aber von den Krieg-der-Sterne-Filmen. Er hat die Geschichten im Kopf und der Unterschied in jedem Film ist, wie sie umgesetzt werden."
Ein klarer Hinweis auf die einheitliche Vision der Filme. George Lucas bestimmt den Moment und die Geschichte, so schildert es auch Visual-Effects-Supervisor Dennis Muren. Lucas' Autorenkollege Kasdan schrieb die Dialoge, da endete seine Anteilnahme jedoch auch schon:
Dennis Muren: "Die Autoren lieferten den Dialog und steuerten zur Geschichte bei, aber George bestimmte den Moment, die Richtung und den Akzent jeder einzelnen Szene - was der Zweck einer jeden Szene war und wer oder was in den Vordergrund gestellt wurde."
Abschließend folgt der Schöpfer selbst, der zu Protokoll gibt, wie kompliziert die Filme wurden und dass er sich jeden Tag am Set von "Empire" aufhalten musste, um dem Regisseur unterstützend zur Seite zu stehen:
George Lucas: "Alles Geld, das ich durch Krieg der Sterne verdient hatte, steckte in diesem Film und mehr (...). Ich stehe vor einer Situation, in der alles, was ich besitze, alles, was ich je verdient habe, in diesem Film steckt. (...) Es reichte nicht, wenn ich alle paar Wochen mal vorbeischaute. Ich musste jeden Tag da sein und ich musste Kersh helfen, was sich zu einer Menge Arbeit entwickelte."
Gleiches gilt für die Post-Produktion. Lucas liebstes Handwerk ist bekanntlich der Schnitt. An dessen Fertigstellung war er ausgiebig beteiligt und brachte den Film schließlich zu dem Endprodukt, was die Öffentlichkeit kennt. Aber lassen wir den Autor des Buches selbst sprechen: "Lucas arbeitete den ganzen Oktober [1979] hindurch am ersten Schnitt des Films, den er dreimal vorführte: am 15., 25. und 31. Oktober. Er machte sich ausgiebige Notizen für Änderungen, hauptsächlich zusätzliche Zwischenschnitte zum besseren Verständnis (...). Die Nachbearbeitung kam voran, Lucas überwachte akribisch den Feinschnitt der zwölf Akte und nahm vom 7. November 1979 an wiederholt Änderungen daran vor. (...) Der 'Status der optischen Effekte' bei jeder Effektaufnahme wurde bei einer Sichtprüfung mit Lucas festgelegt." - Paul Duncan.
Aber klar, George Lucas hatte den "geringsten" Einfluss am Mittelteil der Trilogie...
Episode VI - Lucas' Genie offenbart
"Return of the Jedi" gilt wieder als der Film, an dem Lucas mehr Anteil hatte (obgleich es derselbe wie zuvor war) und dies maßgeblich am Abschied von Gary Kurtz, dem langjährigen Produzenten lag. Plötzlich soll das Spielzeuggeschäft , nach seiner eigenen Aussagen, die Produktion angetrieben haben. Diese Ansicht von Kurtz ist bereits seltsam realitätsfern, nahm Lucasfilm doch schon immer signifikant mehr durch Spielzeug ein, als an der Kinokasse. Ebenfalls unterschied sich keiner der Filme auffällig durch neue, bewusste "Produktplatzierungen". Episode V besaß genauso viele neue Fahrzeuge, Figuren und Schauplätze wie der Nachfolger. Was hat sich also geändert? Die Antwort bleibt Kurtz uns schuldig.
Richard Marquand: "Die Parameter wurden gänzlich von George bestimmt. Die Figuren, der Hintergrund waren alle vorgegeben. Aber innerhalb dieser Parameter musst ich immer noch wissen: 'Essen Ewoks Fleisch oder sind die Vegetarier?'"
Als alleiniger "Beweis" dafür bleiben die Ewoks. Aber selbst diese Kreaturen fügen sich lediglich in die Vision von George Lucas, einen kindgerechten Film drehen zu wollen, der mehrere Zielgruppen anspricht. Es entspricht der logischen und konsequenten Konstruktion einer Trilogie, die nach einem düsteren Mittelteil in ein hoffnungsvolles Finale mündet. Stattdessen wollte Kurtz einen noch düsteren Film drehen. Han Solo sollte sterben, Leia das Ruder übernehmen und Luke am Ende trostlos in den Sonnenuntergang reiten. Was Kurtz als Marketingstrategie wertet, war eine sich trennende Vision von einem Märchen und einem Film für "12-year-old", wie Lucas immer so schön gesagt hat. Stattdessen enden Kurtz's Interpretationen in seltsame Schlussfolgerungen, die vielmehr sein Unverständnis für Star Wars zeigen, als ein Gespür für die Geschichte. Die Visionen unterschieden sich, deswegen musste Gary Kurtz gehen, mehr nicht.
George Lucas: "Dieser Film war noch komplizierter als der vorhergehende, daher musste ich jeden Tag am Set sein und sehr eng mit Richard zusammenarbeiten. Es gab eine Menge Fragen, die nur ich beantworten konnte. Ich bin die letzte Instanz (...) Ich war der Einzige, der das Gesamtbild vor sich hat und ich kenne es in- und auswendig."
George Lucas war bereits nach "A New Hope" Multimillionär. Da machte er sich 1981 bestimmt urplötzlich darum Sorgen möglicherweise aufgrund fehlender Spielzeugeinnahmen zu verarmen. Ganz große Logik. Das beste Gegenbeispiel lieferten später die Prequels, die trotz düsterem Ende und dem unausweichlichen Zwang mehrere Figuren für den passenden Anschluss sterben lassen zu müssen, für reichlich Verkäufe sorgten und zeitgleich ausschließlich von Lucas' einzigartiger Vision getrieben waren.
Stattdessen offenbart ein letzter, einzigartiger Dialog die Stärke des Schöpfers, die sich eben nicht nur auf Episode VI, sondern genauso auf Episode V übertragen lässt. Zeitgleich offenbart es den "Einfluss", Gegenpol und das Mitspracherecht von Lawrence Kasdan. Ohne passende Vision kommt kein großartiges Drehbuch zustande:
Lawrence Kasdan: "Ich denke, du solltest Luke töten und Leia übernehmen lassen."
George Lucas: "Du willst Luke nicht töten."
Lawrence Kasdan: "Okay, dann bring Yoda um."
George Lucas: "Ich will Yoda nicht 'umbringen'. Man muss Leute nicht 'umbringen'. (...) Man läuft nicht herum und bringt Leute um (...)"
Lawrence Kasdan: "(...) Ich versuche, der Geschichte irgendeine Art von Biss zu geben."
George Lucas: "(...) Indem man jemanden umbringt, verprellt man, glaube ich, das Publikum."
Lawrence Kasdan: "Ich will sagen, dass der Film mehr emotionales Gewicht hat, wenn unterwegs jemand verloren geht, den man liebt. Die Reise hinterlässt einen größeren Eindruck."
George Lucas: "Mir gefällt das nicht und ich glaube das nicht. (...) Die Hauptstoßrichtung für diesen (Film) ist Spaß."
Lawrence Kasdan: "Okay, ich versuche es zu schreiben. (...)"
So wurde der Mythos um George Lucas' zu vernachlässigbaren Einfluss an der Original-Trilogie zu Grabe getragen. Sorry for the facts.