Die Vermessung der Welt

31.10.2012 - 00:00 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
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Die Woche hat unser wortgewandtes Mastermind Wolfgang M. Schmitt jun. sich den neuen Film von Detlef Buck angesehen und tiefgründig für euch analysiert.

Es hätte so schön werden können: Einer der erfolgreichsten deutschen Romane, Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann, wird verfilmt. Der Schriftsteller arbeitet am Drehbuch mit, der Regisseur ist erfahren, ausreichend Budget ist vorhanden und die Schauspieler haben Schlange gestanden. Kehlmanns literarische Vorlage changiert gekonnt zwischen Komik und Tragik, Ernst und Humor, mit einer eleganten Leichtigkeit, der es nicht an Tiefe fehlt. Dem Film ist das Gegenteil: Er kocht alle Zutaten, all das Raffinement zu einem einzigen zähen Brei zusammen, der in 3D über die Leinwand schwappt. Albrecht Schuch als Humboldt und Florian David Fitz als Gauß spielen wie Knallchargen, die preußischen Regenten verhalten sich wie rheinische Karnevalsprinzen und die Neue Welt sieht aus wie ein Freizeitpark. Dazu löst sich der Film nicht einen Moment von der papiernen Vorlage. Daniel Kehlmann spricht als Erzähler mit dialektalem Einschalg seine luziden Sätze als seien sie ein Stück süddeutsche Heimatdichtung der kitschigsten Sorte. Bei jedem Schnitt hört man Detlev Buck umblättern.
Ist nun dieser Film eine desaströse Ausnahme im deutschen Kino (Was hätte Hollywood aus diesem Stoff machen können!)? Oder ist es nicht wieder einmal typisch? Woran scheitern die deutschen Großprojekte? Mit Schaudern denkt man an Helmut Dietls Zettl zurück. Fassbinder, Herzog, Wenders scheinen vergessen. Aus dem Unbewußten des deutschen Kinos steigen ganz andere Filme wieder auf und prägen bis heute die hiesige Filmlandschaft. Es sind besonders die Blödelfilme der letzten fünfzig Jahre, deren Einfluß selbst auf eine Romanverfilmung wie Die Vermessung der Welt nicht unterschätzt werden darf. Man wundert sich eigentlich, daß nicht noch Gottschalk oder Karl Dall mit Gauß und Humboldt parlieren. Detlev Buck schreibt diese Blödel-Kinogeschichte fort, nur braucht er dazu den bildungsbürgerlichen Überbau als Alibi für den Stumpfsinn. Mehr dazu im Video!

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