Dungeon Siege, mein erster Zeitfresser & Ich

14.07.2015 - 17:05 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Dungeon Siege
Microsoft Game Studios
Dungeon Siege
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Dungeon Siege erschien 2002 — und ich habe keine Ahnung, wie die Fachpresse das Spiel bewertete. Damals war ich zu jung, um mir über die Meinung anderer Gedanken zu machen und investierte stattdessen Energie und Zeit in dieses fantastische Spiel.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die komplette Lebenszeit vor meinem 18. Geburtstag in einem unscharf zusammenhängenden, wabernden Etwas miteinander verschmolzen ist. Mir fällt es schwer, Eckpunkte auszumachen, die ich ganz genau, exakt und zweifelsfrei einem bestimmten Jahr zuordnen kann. Der Moment, als ich zum ersten Mal dank einer Spielezeitschrift mit Dungeon Siege  in Berührung kam, ist einer dieser wenigen Eckpunkte meiner Kindheit.


Es war das Jahr 2002 und ich blätterte im Wartezimmer meines Kieferorthopäden durch die neuste Ausgabe der GameStar: Dort gab es einen langen Bericht über dieses Rollenspiel, dessen Screenshots ich immer und immer wieder mit den Augen abwanderte: Jeden der bunten Pixel prägte ich mir ein und versuchte mir vorzustellen, welche Welten jenseits des Bildrandes wohl liegen mögen. Schließlich bekniete ich unter Tränen meine Mutter, die mir das Spiel augenrollend kaufte. So begann eine lange Freundschaft mit dem ersten mächtigen Zeitfresser meiner Spielhistorie.

Dungeon Siege, das ich für eine beträchtliche Zeit nicht englisch sondern einwandfrei deutsch aussprach ("Duungion Siege"), wurde von Gas Powered Games entwickelt und ist im Kern ein höchst klassisches Rollenspiel, das allerdings bereits die Polygonwelt der dritten Dimension verinnerlicht hat.


Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt: Das Königreich Ehb blickt einer riesigen Gefahr entgegen, die der anfangs erstellte Held sowie seine späteren Gefährten strotzen muss. Dungeon Siege zeichnet dabei eine typische "From Zero to Hero"-Heldenfahrt nach, die ihr als mittelloser Farmer beginnt und — im besten Fall — als weltbekannter Held beendet.

Ich habe mir bis heute eine große Vorliebe für Fantasy-Rollenspiele erhalten: Irgendwo in diesem wabernden Nebel namens Kindheit ersetzten sie die Märchen und Geschichten, die mir mein Vater jeden Abend vorgelesen hatte. An die Stelle der Jesus-Anekdoten und Gebrüder Grimm waren nun Ritter, Drachen und die Status-Werte meiner Primärwaffen getreten, mit denen ich Stunde um Stunde verbrachte.


All diesen Interessen und neu entdeckten Faszinationen bot Dungeon Siege einen enorm fruchtbaren Boden: Ständig stolperte ich über funkelnde Ausrüstungsgegenstände, die ich minutenlang mit Bewährtem verglich. Und auch meine Begleiter verlangten Aufmerksamkeit: Zwar durfte ich mich nicht mit ihnen unterhalten, wie es in modernen Spielen a la Dragon Age: Origins  mittlerweile zur spielerischen Grundaustattung gehört, doch erzählte jeder Abenteurer seine eigene Geschichte und war auf mich angewiesen.

Aber nicht nur diese gigantische Fantasiewelt voller fremdartiger Bewohner brachte meine kindliche Phantasie zum Glühen, sondern auch der phänomenale Soundtrack liegt nach 13 Jahren noch immer in meinem Gehörgang. Jeder größere Ort wartet im Spiel mit einem eigenen, langen Lied auf, das den Schauplatz charakterisiert und prächtige Gänsehaut herbeizaubert. HÖRT DOCH NUR!


So gut ich einzelne Landstriche, Missionen und Lieder noch im Kopf habe, so schwer fällt es mir heute, mich an den Grund zu erinnern, wieso ich irgendwann diese Welt wieder verlassen habe. Es muss ein anderes Spiel gewesen sein, das meine Aufmerksamkeit gewann und mich wieder aus dem Königreich Ehb lockte. Der Name dieses neuen Spiels? Ich weiß es nicht mehr. War es seine Aufmerksamkeit wert? Ich weiß es nicht mehr.

Ach, du dummes, dummes, jugendliches Ich. Wärst du doch in Ehb geblieben.

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