Edward mit den Scherenhänden - Eine zu Tränen rührende Satire

08.08.2017 - 09:55 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Edward mit den ScherenhändenTwentieth Century Fox of Germany GmbH
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Diese Woche schenke ich mein Herz für Klassiker Edward mit den Scherenhänden von Regisseur Tim Burton. Der Film mit Komponist Danny Elfman und Schauspieler Johnny Depp zählt zu seinen zauberhaftesten Werken.

Das erste Mal sah ich Edward mit den Scherenhänden mit zwei Freunden. Während des gemeinsamen Schauens in der WG allerdings ließ ich mich nicht richtig auf den Film ein. Aus mir unerfindlichen Gründen wollte ich mich vor den Emotionen des Films schützen. Am nächsten Tag passierte es dann: Urplötzlich und ohne Vorwarnung fing ich auf einmal an, zu weinen. Ich schluchzte einsam vor mich hin und mein Herz war erfüllt von einer tiefen Traurigkeit. Das Schicksal von Edward mit den Scherenhänden ging mir so nah wie kein anderes zuvor. So sehr ich es wollte, ich konnte mich nicht vor den Emotionen fernhalten, die der Film mir tags zuvor ins Herz gesetzt hatte. Wenn dieser Film nicht nach einem Herz für Klassiker verlangt, welcher dann?

Tim Burtons Märchen beginnt mit der resoluten Kosmetikprodukte-Vertreterin Peg (Dianne Wiest), die aus Zufall in ein altes, verfallenes Anwesen in der Nähe ihrer Vorstadtsiedlung gelangt und dort eine merkwürdige Entdeckung macht. In den finsteren Gemäuern trifft sie auf einen Menschen, der Scheren anstelle von Händen besitzt (Johnny Depp). Peg lässt sich davon nicht abschrecken und nimmt den künstlich erschaffenen Menschen, der sich als Edward vorstellt, mit zu sich nach Hause. Der Neuankömmling wird von den Bewohnern der Siedlung mit Neugier beäugt und avanciert bald darauf zur Sensation, als sie die Vorteile seiner Scheren entdecken. Doch die Sensationsgier schwankt schnell in Missgunst über, als sich der naive Edward in das falsche Mädchen (Winona Ryder) verliebt.

Musik aus einer anderen Welt

Was Edward mit den Scherenhänden so zauberhaft macht, ist nicht nur seine Einzelgänger-Geschichte, sondern auch die unvergleichliche Filmmusik von Danny Elfman in Verbindung mit der typischen Burton-Optik. Sie alle harmonieren so fantastisch miteinander, dass ich sie mir kaum getrennt voneinander vorstellen kann. Das Glockenspiel der Filmmusik lässt Bilder von luftig leichten Schneeflocken vor meinem inneren Auge erscheinen. In langsamen, kreisenden Bewegungen fallen sie auf die im Schnee tanzende Kim, in die sich Edward verliebt hat. Der Engels-Chor im Hintergrund versetzt mich mit seinen Passagen in himmelsgleiche Sphären und die Klarinette stimmt das Trauerlied über Edwards Schicksal an.

Hört euch hier einen Ausschnitt aus der Filmmusik an:

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Die magische Optik Tim Burtons

Tim Burton wiederum schuf mit Edward mit den Scherenhänden eine ganz eigene Welt in atemberaubenden Bildern. Die sterile Vorstadt mit ihren pastellfarbigen Einfamilienhäusern kontrastiert er mit dem schlossartigen Anwesen, das bedrohlich und übermächtig auf dem Hügel in nächster Nähe thront. Wenn Peg das große Haus betritt, ist die gruselige Stimmung allumfassend. Burton greift mit diesen Bildern Motive aus Frankensteins Monster oder Die Schöne und das Biest auf. Mit Edward zieht die düstere und zugleich faszinierende Atmosphäre auch in die triste Vorstadt ein. Der Künstler an den Scheren verwandelt die eintönigen Hecken in vielfältige Skulpturen und aus den durchschnittlichen Frisuren werden exotische Haarprachten.

Dies alles inszeniert Burton nicht ohne Hintergedanken. Betrachtet man beispielsweise Edwards Skulpturen näher, fällt ein interessantes Muster auf. Als Peg den Vorgarten des Anwesens zu Beginn des Films betritt, kann man auch eine Hecke in Form einer nach oben geöffneten Hand entdecken. Sein Wunsch, ein vollwertiger Mensch mit normalen Händen zu werden, ist allgegenwärtig und findet seinen Ausdruck in der Gestalt der Hecken. Seine unglückliche Liebe zu Kim materialisiert sich ebenfalls zum Ende hin in den Eisskulpturen. Die unvergessliche Szene, in der er Kim als Engel aus Eis formt, inspiriert ihn später zu den weiteren Skulpturen auf dem Dachboden des Hauses. Hier sieht man Kim tanzend, so wie Edward seine große Liebe in Erinnerung hat.

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Burton erzählt manche Ebenen seiner Geschichte ohne viele Worte und vorrangig durch die Symbolkraft seiner Bilder. Die Flashback-Szene, in der dem Zuschauer erklärt wird, wie der Erfinder (Vincent Price) auf die Idee kam, einen Menschen zu erschaffen, wird komplett ohne Dialog dargestellt. Seine Keks-Maschine produziert Gebäck in den unterschiedlichsten Formen, so auch Herzen. Als er das Herz vor die blecherne Hülle seiner Maschine hält, ist der Gedanke sofort da. So funktioniert Kino und Burton weiß dieses Mittel hier gekonnt einzusetzen.

Überzeichnete Charaktere und Gesellschaftsparodie

Die Geschichte an sich wird allerdings nicht nur traurig, sondern an vielen Stellen auch humorvoll, wenn nicht parodierend dargestellt. Edward selbst sorgt für einige witzige Momente. Als er das Wasserbett aus Versehen zerschneidet, kann Depp sein komisches Talent gut zur Geltung bringen. Der kreative Einsatz seiner Scheren eröffnet ebenfalls witzige Situationen, wenn seine Scheren für Gemüsespieße verwendet werden oder wie die Blätter und Haare seiner Klienten in die Luft stieben.

Die übrigen Charaktere sind genauso überzeichnet, passen damit aber in die künstlich erzeugte Welt, in die sie der Regisseur gesetzt hat. Ebenso zweifelhaft wie die Natürlichkeit der perfekten Rasen ist die der Anwohner der Siedlung. Insbesondere die klatschsüchtigen Hausfrauen sind überzogene und fragwürdige Charaktere. Die aufgetakelte Joyce scheint von ihrem Mann sexuell unterfordert zu sein und bekommt bei ihrem ersten Friseurtermin bei Edward beinahe einen Haar-Orgasmus. Als Gruppe erhalten die Hausfrauen eine bedrohliche Macht, die sich am Ende darin manifestiert, dass sie Edward aus der Siedlung jagen. Hier werden die oberflächlichen Bilder mit den inneren Werten verkehrt. Der nach außen hin monströse Edward mit seinen scharfen Scherenhänden ist die Unschuld in Person, während die Frauen in ihren liebreizenden Weihnachtsoutfits die eigentliche Bedrohung sind.

Für mich überwiegt die Tragik der Figur des unfertigen Menschen Edward, der für alle Zeit einsam in seinem Schloss Eisskulpturen fertigt. Die Hoffnung, die am Anfang der Geschichte aufkeimt, als Peg Edward voller Freude und Zuversicht bei sich aufnimmt, stürzt letzten Endes in sich zusammen. Die Gemeinschaft passt nicht zu Edward und Edward nicht zu ihr. Desillusioniert wie der arme Edward bleibe ich alleine zurück und möchte nur noch weinen über eine Liebe, die nicht gelebt werden konnte.

Wie findet ihr Edward mit den Scherenhänden?

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