Wenn Keine Zeit zu sterben-Oberbösewicht Rami Malek hauptsächlich vor dem Rechner sitzt und irre Zahlen- und Buchstabenkombinationen in die Tasten haut, dürfte das für manche lebhafte Erinnerungen an die Amazon-Serie Mr. Robot wachrufen, die zwischen 2015 und 2019 Kritik und Publikum begeisterte. Wenn er als freidrehender CIA-Angestellter einen Rachefeldzug plant, um den Mord an seiner Frau zu rächen, erinnert das andere womöglich eher an moderne Thriller-Klassiker wie John Wick oder 96 Hours.
Eine Kombination dieser Titel findet sich im Film The Amateur wieder, der jetzt in den deutschen Kinos startet. Der Action-Thriller entführt in die Welt der internationalen Spionage und hat in Malek einen ebenso ungewöhnlich-unbeholfenen wie geschickten Helden gefunden, der einer generischen Formel reichlich Frische verleiht.The Amateur im Kino: Action-Thriller entfesselt irren Rachefeldzug eines unerwarteten Helden
The Amateur wirft uns zunächst in den idyllischen Alltag eines Pärchens hinein: Charlie (Malek) und Sarah (Rachel Brosnahan) machen sich gemeinsam für den Tag fertig, bevor Charlie seinem Job als Dekodierer bei der CIA nachgeht und Sarah zu einer fünftägigen Konferenz nach London fliegt. Dass die beiden eine liebevolle Beziehung führen, sehen wir in jedem Blick, in jeder Geste, jeder Berührung – ebenso wie in den Telefonaten, die sie über den Tag verteilt führen, um sich von ihrer Arbeit zu erzählen.
Als Sarah plötzlich nicht mehr rangeht, überfällt Charlie Sorge, die am nächsten Morgen bestätigt wird: Er wird ins Büro seiner Vorgesetzten gerufen, die ihm von einem Terroranschlag in London berichtet. Sarah wurde von den vier Terrorist:innen als Geisel genommen, bevor sie von ihnen erschossen wurde. Die Überwachungskameras am Londoner Bahnhof St. Pancras haben alles aufgenommen – so bildlich wie grausam für Charlie zum Nacherleben.
Schaut hier einen Trailer zu The Amateur:
In dem zurückhaltenden Dekodierer wütet Unverständnis, Trauer – und ein Wunsch nach Rache. Schon bald setzt er seine Fähigkeiten ein, um sich umfassend durch das CIA-System zu graben und alles über Sarahs Mörder:innen herauszufinden, was es zu wissen gibt. Da er gerade erst an geheime Informationen gelangt ist, die seinen Vorgesetzten schaden könnten, nutzt er diese als Druckmittel: Sein Schweigen im Gegenzug für ein umfassendes Training als CIA-Agent – um Sarahs Mörder:innen eigenhändig zur Strecke zu bringen.
The Amateur lässt sich reichlich Zeit, diese ausgeklügelte Prämisse zu etablieren und Charlies Motivation für seine Tat deutlich zu machen. Darin liegt eine große Stärke des Films. Denn auch, wenn sich das auf die üppige Laufzeit von 123 Minuten auswirkt, wird jeder Schritt auf Charlies Weg nachvollziehbar: durch die vielen kleinen Szenen zwischen ihm und Sarah, bei der Recherche in seinem Büro, den Diskussionen zwischen ihm und seinen CIA-Bossen – bevor es eigentlich wirklich zur Sache geht.
The Amateur glänzt mit wenigen, hautnahen Action-Sequenzen und starbesetzten Nebenrollen
Als heillos überforderter und unbeholfener Anfänger sehen wir Charlie ein Waffentraining bei Ausbilder Robert Henderson (Laurence Fishburne) absolvieren, bevor es ihn auf der Jagd nach Sarahs Peinigern quer durch Europa führt. Hier kann Charlie zunächst mit seinen Hacker-Talenten glänzen, die dem Film abseits von Schläge- und Schießereien ein paar überraschende Kniffe verleihen. Doch ewig kann er den Griff zur Waffe nicht hinausschieben und findet sich bald auch in gefährlichen One-on-One-Situationen mit Sarahs Mörder:innen wieder.
In diesen wenigen Action-Szenen holt uns die Kamera aus den sonst so statischen Einstellungen ganz nah an die Figuren heran, schleudert uns mit jedem Schlag durch den Raum und lässt den dumpfen Knall eines Aufpralls erschütternd nachhallen. Besonders die derbe Konfrontation mit einer gewissen Anita (Anna Francolini) bleibt da im Gedächtnis. Sie verändert auch Charlie für immer und ebnet seinen weiteren Weg zum Rache-geblendeten Bluthund.So stark The Amateur in seine Prämisse und die ersten großen Action-Szenen einsteigt, so redundant werden diese im letzten Drittel des Films, wenn ein tödliches Suche-und-Finde-Spiel auf das nächste folgt. Auch die vielen Nebenfiguren, die hier immer wieder für wenige Minuten auftauchen, wirken beinahe austauschbar und noch dazu maßlos unterfordert: Wenn ein Jon Bernthal (The Punisher) nicht mehr als drei Szenen und ein Laurence Fishburne (Matrix) nur unwesentlich mehr Screen Time bekommt, hätte man definitiv mehr aus der geballten Star-Power des Action-Thrillers rausholen können.
Als Witwe-goes-Agentin sticht aus dem namhaften Nebencast vor allem Outlander-Star Caitriona Balfe heraus, die in einem von Hühnern bewachten Strandhaus in Istanbul mit aufgesetztem russischen Akzent eines der Highlights des Films darstellt. Charlies Geschichte spiegelt sich auf tragische Weise in ihrer wider. Zu schön wäre es gewesen, wenn den beiden ein Happy End vergönnt gewesen wäre. Doch Charlies verzweifelter Todesrausch zieht langsam aber sicher Opfer auf beiden Seiten nach sich.
So wird The Amateur schließlich auch eine moralische Fabel um Trauer, Mord und Rache – sowie deren Rechtfertigung. Mit einem unerwarteten Antihelden in seiner Mitte bleibt es jedoch ein stets unterhaltsames Unterfangen, diesen Weg mit dem Action-Thriller zu gehen.
The Amateur läuft ab dem 10. April 2025 in den deutschen Kinos.