Erwin Geschonneck gestorben

13.03.2008 - 08:27 Uhr
Erwin Geschonneck in Karbid und Sauerampfer
DEFA-Stiftung
Erwin Geschonneck in Karbid und Sauerampfer
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Gestern ist Geschonneck im Alter von 101 Jahren in Berlin verstorben.

Als riesig-dämonischer Holländer-Michel mit Glasauge erschreckt er im Märchen Das kalte Herz die Kinder im Nachkriegsdeutschland. In Das Beil von Wandsbek ist er der ein Scharfrichter, der als Mitläufer für die Nazis mordet. Im KZ-Lagerältesten Krämer in Nackt unter Wölfen ist viel aus seinem eigenen Erleben enthalten. Unvergessen sein gewitzer Arbeiter Kalle in Karbid und Sauerampfer, die vielleicht beste Komödie aus der DDR. Als Rohköstler und Nichtraucher pfeift er eine einprägsame Melodie vor sich hin bei seiner Wanderung durch das Nachkriegs-Deutschland, um sieben Fässer Karbid für den Aufbau einer Tabakfabrik zu besorgen. Die muss er dann von Wittenberge nach Dresden transportieren, irgendwie. Als eine Art Schwejk trotzt er rechts und links der Elbe den Gefahren der Zeit, salutiert den Russen wie die Amerikanern und kommt wirklich an sein Ziel, ein Fass rollend. Ein pfiffiger Siegertyp!

In seinem Leben spiegelt sich das letzte Jahrhundert. Aufgewachsen in einem Berliner Arbeitsbezirk wird er Kommunist, emigriert vor den Nazis, wird aber verraten und verbringt seine besten Jahre in Konzentrationslagern. Im Mai 1945 ist er einer der wenigen Überlebenden der “Cap Arcona”, die nach Bombardierung durch britische Bomber mit etwa 4000 Häftlingen an Bord sinkt. Erst nach dem Krieg beginnt seine Schauspielkarriere, da ist er schon 40 Jahre alt. Er spielt bei Brecht am Theater, wird aber durch den Film bekannt. In der DDR steigt er zum populärsten Schauspieler auf, weil seine Figuren – auch in propagandistischen Filmen – nie Stereotypen sind, sondern immer Charakter haben.

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