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Es wird nie mehr so lustig...

14.10.2014 - 12:00 Uhr
Lost in Translation
Focus Features
Lost in Translation
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Für Bob und Charlotte heißt es wahrscheinlich "Lebewohl", doch wie Sofia Coppola den Abschied ihrer beiden Protagonisten inszeniert, ist einer der schönsten Kinomomente, an die ich mich erinnern kann.

Da haben sich Zwei gefunden. An dem, für sie, wohl unwahrscheinlichsten Ort der Welt: Tokio. Knapp über neun Millionen Menschen leben in dieser Stadt. Was für ein Geschenk muss es sein, wenn man dort einen Menschen trifft, dem es genauso geht wie einem selbst, der einen versteht und mit dem es einfach Spaß macht, die Zeit tot zu schlagen? Und wie schlimm muss es sein, wenn man weiß, dass die Zeit die man mit diesem Menschen verbringt, auch bald schon wieder vorbei sein wird? In meiner Lieblingsszene aus Sofia Coppolas „Lost in Translation“ ist dieser Augenblick schon gekommen. Bob und Charlotte sind diese Zwei, die sich im Tumult einer Weltmetropole gefunden haben. Er ist ein alternder Filmstar, mitten der in Midlife-Crisis. Sie ist eine junge, frisch verheiratete Frau, die nicht weiß wie es für sie weitergehen wird. Der Altersunterschied der Beiden spielt dabei keine Rolle. Doch was im Laufe des Films zwischen ihnen entsteht, wird nie ganz Eindeutig. Ist es Liebe? Wenn Ja, was für eine Art von Liebe? Oder ist es doch nur Freundschaft? In der Abschlusszene  des Films findet diese Ambiguität ihren Höhepunkt und ihr Ende.

Bob Harris ist fertig mit den Dreharbeiten zu einer Werbekampagne für einen Whiskey. Er muss zurück nach Hause, wo seine Familie mehr oder weniger freudig auf ihn wartet. Eigentlich müsste er froh darüber sein, dass der Job vorbei ist, schließlich konnte man ihm stets ansehen wie genervt er von den Fotoshootings und Dreharbeiten ist. Zu Beginn der Szene, setzt er sich in ein Taxi um zum Flughafen zu fahren. In seinem Gesicht ist derselbe melancholische Blick zu erkennen, den er auch schon 90 Minuten zuvor hatte. Doch dieses Mal aus einem anderen Grund. Er weiß, dass die wertvolle Begegnung mit der jungen Charlotte ihr Ende gefunden hat. Während das Taxi durch die Straßen Tokios fährt sieht er in einer Seitenstraße eine junge blonde Frau von hinten. Er bittet den Taxifahrer stehen zu bleiben und steigt aus. Es könnte den Zuschauer jetzt das Klischee einer typischen Romanze erwarten: Er läuft auf die Sie zu und tippt Sie von hinten an, die blonde Frau dreht sich um und Bob stellt fest, dass es gar nicht Charlotte ist, sondern nur jemand, der ihr ähnlich sieht. In diesem Fall IST es Charlotte. Sie hat Tränen in ihren Augen. Wahrscheinlich, weil sie weiß, dass sie Bob nie wieder sehen wird und dass es wahrscheinlich „…nie mehr so lustig…“ sein wird, wie sie an einer Stelle des Films feststellt. Nun stehen sie da, mitten auf der Straße um sie herum laufen tausende Menschen auf und ab. Er blickt ihr in die Augen ohne ein Wort zu sagen und nimmt sie dann in den Arm. Die laute Geräuschkulisse der Menschenmasse wird auf eine dumpfe Lautstärke heruntergedreht. Hier wird klar, dass diese Moment alleine ihnen gehört. Daraufhin passiert etwas, das diese Szene so einzigartig macht. Er neigt ihren Kopf zur Seite und flüstert ihr, für den Zuschauer unverständliche Worte ins Ohr. Es heißt, dieser Satz wäre so gar nicht im Drehbuch gestanden, Bill Murray hätte ihn angeblich improvisiert. Weiß man darüber Bescheid, wird die Intensität und Intimität dieses Augenblicks umso wertvoller. Im Internet kursieren verschiedene Theorien darüber, was Bob Charlotte ins Ohr geflüstert hat. Aber eigentlich ist es auch völlig egal. Oder eher: Es sollte jedem egal sein. Dieser Moment gehört Bob und Charlotte. Und er gehört Bill Murray und Scarlett Johansson ganz alleine. An dieser Stelle verschmelzen in gewisser Weise Realität und Fiktion. Die Chemie, die zwischen beiden Figuren im Film herrscht wird eins mit dem vertrauten Verhältnis, das beide Schauspieler auch abseits der Leinwand teilen. Es ist der eigentliche Höhepunkt des Films.

Als sich beide aus der Umarmung lösen, küssen sie sich. Es ist der Kuss, dem sie den ganzen Film über ausgewichen sind. So, als wüssten beide eigentlich gar nicht, wie es um sie steht. Schließlich sind beide mit anderen Partnern verheiratet. In diesem Moment können sie aber gar nicht mehr anders. Diese Szene gehört ihnen allein. Ihre Partner werden davon wohl nie erfahren.

Ein letztes Mal „Bye“ und beide gehen sie in die entgegengesetzte Richtung. Im Hintergrund beginnt der Song „Just Like Honey“ von The Jesus and Mary Chain zu spielen. Bob geht ein paar Schritte rückwärts. Man sieht ihn zum aller ersten Mal von ganzem Herzen lächeln. Er gibt Charlotte das Lächeln zurück, das sie ihm bei ihrem aller ersten Blickwechsel im Fahrstuhl des Hotels gab. Als er wieder in sein Taxi steigt, ist Bob wie verwandelt. Der zuvor melancholische Gesichtsausdruck ist verschwunden. Stattdessen sieht man darin eine Art Erleichterung darüber, dass er sich von seiner Seelenverwandten richtig verabschiedet hat. Gleichzeitig wird ihm klar, dass er Charlotte wahrscheinlich nie wieder sehen wird. Doch was beide nun wissen ist, dass sie nicht alleine sind auf dieser Welt. Wer hätte gedacht, dass sie dafür in eine so fremde Stadt wie Tokio reisen mussten?


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