Game of Thrones: Wie das Fantasy-Epos die Welt erobert hat

06.04.2019 - 15:08 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
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Wenn Game of Thrones mit Staffel 8 seinen Abschluss feiert, endet auch ein Stück Fernsehgeschichte. Westeros ist längst elementarer Bestandteil der Popkultur, doch wie kam es dazu?

"Ich werde das Rad nicht anhalten. Ich werde es zertrümmern." Wenn Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) ihrem Berater Tyrion (Peter Dinklage) entschlossen ihr politisches Programm erläutert, läuft einem direkt ein Schauer über den Rücken.

Diese Königin, die gerade ihre Kontrahenten um die Krone mit den Speichen eines Rads gleichsetzt, macht keine halben Sachen. In Game of Thrones gilt das für niemanden, ebenso wenig trifft man in der Fantasyserie auf strahlende Helden oder die Stereotypen, die wir vielleicht gerne sehen würden. Game of Thrones wird trotzdem geschaut, die 7. Staffel allein in den USA von über zehn Millionen Menschen.

Mehr als 300 Auszeichnungen verzeichnet die Serie mittlerweile. Eine Geschichte mit fantastischen Elementen wohlgemerkt. Auf den ersten Blick ein sehr spezieller Stoff: Drachen, Ritter, Riesen. Eine "Märchenwelt" mit fiktiven Sprachen wie Valyrisch und komplizierten Dynastien. Wie gemacht für Nerds also, trotzdem wird eine enorme Zuschauerschaft erreicht. Hinter so einem komplexen Phänomen muss ein ebenso komplexes Rezept stecken.

Game of Thrones durchdringt alle Lebensbereiche

Auf dem fantastischen Kontinent Westeros weilt ein blutiger Krieg voller Intrigen und Verrat. Das von den einstigen Schriftstellern David Benioff und D.B. Weiss erschaffene Werk, das mit der kommenden 8. Staffel seinen Abschluss findet, ist nicht einfach eine aufgeladene Fantasy-Oper für Erwachsene.

Game of Thrones hat sich im Laufe seines achtjährigen Bestehens zu einem regelrechten Kulturgut entwickelt, von dem wir sogar eine Menge lernen können. Es durchdringt alle Lebensbereiche und ist das Gesprächsthema Nummer eins, ob in der Mittagspause oder sogar im Auditorium einer Universität.

Wie etwa bei Britta Colligs, für sie gehört die Analyse der fiktiven Welt Westeros zum Beruf. Die Literaturwissenschaftlerin und Anglistin forscht für ihren Doktorabschluss an Fantasystoffen wie den Werken von Herr der Ringe-Schöpfer J.R.R. Tolkien oder George R.R. Martins Buchreihe Das Lied von Eis und Feuer.

Letztere ist bekanntlich die literarische Blaupause für Game of Thrones und dient sogar für ein Seminar, das Colligs an der Universität Trier hält. Wie die Anglistin uns im Gespräch erzählt, war die Nachfrage der Teilnehmer so hoch, dass nicht alle interessierten Studenten zur Vorlesung zugelassen werden konnten.

"Game of Thrones hat auf jeden Fall Einzug erhalten in den akademischen Rahmen", so Colligs. "Bisher wurde dieses Genre aber in der universitären Landschaft noch relativ wenig behandelt." Wenn es um den Wert von Fantasyliteratur geht, hofft Colligs, dass Werke wie die von Martin schon bald nicht mehr nur als solche bezeichnet werden.

Die Akademikerin zeigt sich sogar recht zuversichtlich, dass sich Das Lied von Eis und Feuer in Zukunft unter anerkannte Literatur einreiht. Die Serienadaption Game of Thrones könnte den entscheidenden Beitrag dazu leisten.

Während auf dem wissenschaftlichem und bildenden Niveau die gewisse Resonanz noch fehlt, hat die Buchverfilmung in anderen Bereichen schon längst ihre Spuren hinterlassen. HBOs wertvollstes Serien-Schwergewicht seit den Sopranos hat mittlerweile nicht nur Millionen von Anhängern gewonnen, sondern eine ganze Branche verändert. Der Einfluss reicht bis nach Hollywood und darüber hinaus.

Die HBO-Serie ist ein absolutes Massenphänomen

Fernsehen wird nicht mehr mit Seifenopern und Sitcoms assoziiert. Ausnahmeerscheinungen wie HBO’s The Wire, die vielleicht beste Serie überhaupt, oder Breaking Bad Bad gab es zwar schon vorher - der Anspruch auf Fernsehen mit Kinoaufwand stieg allerdings vor allem durch Game of Thrones. Episoden wie The Battle of the Bastards können plötzlich mit dem Erlebnis Kino mithalten, ihm sogar das Wasser reichen.

Hollywood hat das auch schon gemerkt und verpflichtet die Gesichter der Serie für große Titel wie Star Wars, X-Men und Fast & Furious. Ob Kit Harington, Peter Dinklage oder Sophie Turner: Vor Game of Thrones kannte sie niemand, jetzt kennt sie die ganze Welt.

Die realen Drehorte der Show wie Island, Malta oder Kroatien werden zugleich zu Touristenmagneten. Und Memes, Twitter-Reaktionen, Fan-Theorien und Serien-Recaps bekommen fast schon eine gänzlich neue Bedeutung. Kurzum: Game of Thrones ist ein absolutes Massenphänomen. Benioff und Weiss schufen mit insgesamt 73 Episoden ein Format, das zwar auf einer Fantasy-Buchreihe basiert, aber dennoch den Begriff Eventfernsehen nachhaltig prägte. Wie konnte eine solche Genreverfilmung eigentlich so populär werden?

Das Lied von Eis und Feuer: Viel mehr als nur Sex und Gewalt

Das fragt sich auch Luise Checchin. In der Süddeutschen Zeitung  äußert die Journalistin deutliche Kritik und bezeichnet Game of Thrones als „Aneinanderreihung von sexistischem und gewaltverherrlichendem Schund”.

In diversen Kreisen heißt es, die Fantasyserie sei nur wegen ihres überdurchschnittlich hohen Gewaltgrades und den zahlreichen Nacktszenen so beliebt. Sex, Blut und Totschlag gab es aber auch schon zuvor in Formaten wie Rom oder True Blood. Und im 2010 gestarteten Zombie-Hit The Walking Dead sterben die Hauptfiguren ebenfalls wie die Fliegen, doch lässt sich Game of Thrones wirklich nur auf Blut und nackte Haut reduzieren?

Sind zum Beispiel die Anschuldigungen von Checchin berechtigt? Ist Game of Thrones wirklich sexistisch? "Die erste Staffel ist noch relativ stereotypisch in diesem Bezug", erläutert uns Britta Colligs:

Das sind klassische Ideen des Mittelalters, wo die Frau klare bestimmte Rollen hat und teilweise nur als Objekt dient und mit Gewalt konfrontiert wird. Das ändert sich zunächst nur sehr langsam. In den späteren Staffeln zeigen die Frauen dann viel mehr Eigeninitiative und bekommen viel mehr eigene Handlungsmöglichkeiten.

Ob Daenerys Targaryen, die mit sich Fortschritt und Umbruch nach Westeros bringen will, Brienne von Tarth (Gwendoline Christie), quasi der Gegenentwurf zum Ritter-Klischee, das wir mit dem Mittelalter verbinden oder Sansa Stark (Sophie Turner), die aus der einst naiven Prinzessin als Lady von Winterfell hervorgeht - im Laufe der Show entwickeln gerade die Frauen ein erstaunliches Selbstbewusstsein und handeln autonom wie souverän. Aber nicht nur Frauen bekommen große Auftritte in der Show.

Für Britta Colligs haben gerade die kleinen Charaktere wie die Bastarde in Form von Jon Snow (Kit Harington) oder Ramsay und der kleinwüchsige Tyrion hier eine Stimme und setzen sich zur Wehr. "Natürlich stammen diese Beispiele aus adeligen und privilegierten Kreisen, aber es gibt ja auch Figuren wie die Unsullied", so die Akademikerin zu uns.

Da haben wir den Sklaven Greyworm, der später zum Offizier aufsteigt. Auch der kleine Mann kann also zu etwas Großem kommen. Ich glaube, das hat ebenso einen sehr großen Einfluss auf diese Popularität.

Das Publikum dürfte also wohl eher nicht den Fernseher einschalten, um nur die eigenen "niederen voyeuristischen Triebe zu befriedigen", wie Checchin in der Süddeutschen schreibt.

Vielleicht sind Game of Thrones-Zuschauer dafür umso angeregter von der teils exzessiven Gewalt, die in diesem Epos um sich schlägt? So findet man grausame Gestalten wie Gregor Clegane, der passenderweise vom offiziell  stärksten Menschen der Welt (Hafþór Júlíus Björnsson) verkörpert wird und seinen Feinden manchmal mit bloßen Händen den ganzen Kopf zermalmt.

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