Wie Basti zu Bastian wurde, erzählt die neue Amazon Prime-Dokumentation Schweinsteiger: Memories - Von Anfang bis Legende. Der titelgewordene Albtraum von Wortspielallergikern vereint den Fußballweltmeister Bastian Schweinsteiger mit dem hiesigen Filmmagnaten und Facebook-Nutzer Til Schweiger.
Zwei der erfolgreichsten deutschen Stars hat sich der Streaming-Dienst geangelt in einer Zeit, in der neue Filmunterhaltung besonders rar ist. Doch die Fußball-Doku über das Leben von Bastian Schweinsteiger erreicht in Spielfilmlänge maximal die Tiefe einer 15-sekündigen Instagram-Story.
Neue Einblicke in Schweinsteigers Leben und Persönlichkeit gibt es kaum. Wer einen Nostalgie-Flash von Sommermärchen, Champions League-Sieg und Weltmeisterschaft in seinem Leben braucht, liegt bei dieser Doku richtig. Bayern München-Skeptiker sollten Sicherheitsabstand wahren.
Til Schweiger produziert die Amazon-Doku über Bastian Schweinsteiger
Wer mehr erwartet hat, ist andererseits wohl selbst schuld. Die Erinnerungen und damit auch die Verklärung stecken schon im Titel. Die Doku nähert sich kaum dem Alltag des Fußballers an, der seine Karriere im Oktober 2019 beendete.
Schaut euch den Trailer für Schweinsteiger: Memories an:
Meist wird die Distanz durch die Interview-Situation gewahrt. Der umgängliche Schweinsteiger und zahlreiche Gefährten zeichnen seinen Weg vom fußballverliebten Knirps beim FV Oberaudorf zum Star bei Bayern München und in der Nationalmannschaft nach. Eine Rahmung bilden die Stunden vor seinem letzten Spiel als Profi-Fußballer in Chicago.
Schweinsteiger sei ein Held, meint Produzent Til Schweiger, der sich einen Auftritt als Interview-Gast natürlich nicht nehmen lässt. Die Heldengeschichte von Schweinsteiger: Memories bietet allerdings wenige Hürden und verdient ihre Spannung höchstens mithilfe des Replays von Elfmetern. Das liegt auch an der Machart der Fußball-Doku von Regisseur Robert Bohrer. Der Schweiger-Touch ist nämlich unübersehbar.
Til Schweigers Fußball-Doku bei Amazon: Eigentlich alles wie immer
Ein Blick in den Abspann genügt: Auch in der Schweinsteiger-Doku kommt ein Song von One Republic vor. Seit Keinohrhasen stattet Schweiger seine Projekte mit der Art Popgedudel aus, dessen Einsatzgebiet irgendwo zwischen Fahrstuhl, Einkaufszentrum und Dusche liegt. Musik zum Halbhinhören begleitet einen Film zum Halbhinschauen.
Die Flutlicht-Atmo der Interviews und die Farbgebung des dauerhaft bewölkten Chicago heben Schweinsteiger: Memories von öffentlich-rechtlichen Äquivalenten ab. Auch das gehört zum Schweiger-Stil. Irgendwie "nach mehr" sehen die Filme aus, nur eben nicht nach "etwas bestimmten".
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Kumpelhaft kommt dieser filmgewordene Klopfer auf die Schulter daher, in dem Oliver Kahn seinen früheren Team-Kollegen Schweinsteiger martialisch als Krieger bezeichnet. So wird an das schmerzhafte Finale der Fußball-Weltmeisterschaft erinnert, das unser Held damals mit dem Fazit zusammenfasste: "Die Beine sind natürlich im Arsch, aber es hat sich rentiert.“
Woher Ehrgeiz und Leidensfähigkeit von "Blutkrieger" (Die Welt) und "Boss" (Die Zeit) Schweinsteiger kommen, ergründet die Doku kaum. Dieser Mann war offenbar zum Helden geboren und damit hat sich's. Til Schweigers eigene Figurentypen kann man in der Darstellung von Schweinsteiger ebenfalls wiedererkennen.
Auf dem Boden geblieben, nicht auf den Mund gefallen und zupackend - so könnte man den hier präsentierten Schweinsteiger beschreiben. Der gibt sich allerdings wesentlich schüchterner als Schweigers Figurentyp (und Schweiger selbst). Ein "Kämpfer" und "Kumpeltyp", der als Basti berühmt wurde und über die Jahre zum Bastian gereift ist. Darin erschöpfen sich die Erkenntnisse über Schweinsteigers Persönlichkeit.
Fußball bei Amazon Prime: Jetzt mit Schweini veredelt
Wenn schon kein Seelenporträt, dann hätte Schweinsteiger: Memories wenigstens das Zeug zur mitreißenden Sport-Doku anpacken können. In den letzten Jahren haben unterschiedlichste Ansätze das Genre befruchtet, etwa in Form der Action-Soap (Formel 1: Drive to Survive), als Gesellschaftsporträt (O.J.: Made in America), Audienz beim König (The Last Dance) oder pulsierende Erfahrung (Senna).
Statt sich allerdings ins Spiel von Schweinsteiger zu vertiefen, seinem Fußball-IQ in Archivaufnahmen nachzuspüren oder sich anderweitig mit der Besonderheit seiner Präsenz auf dem Platz zu beschäftigen, strotzt die Amazon-Doku vor Trivialitäten.
Wenn Uli Hoeneß von einem Schwank aus dem Knast erzählt, dürfte das noch den ein oder anderen Bayern-Fan rühren. Bei der ausführlichen Integration von Handyvideos der Ice Bucket Challenge - wer erinnert sich nicht? - gerät die Doku jedoch an die Grenzen der Kritikerbelastbarkeit.
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Die wenigen authentisch berührenden Augenblicke der Amazon-Doku finden sich erst in den letzten Minuten von Schweinsteiger: Memories. Da nähert sich der Fußballer seinem Karriereende und muss die Entscheidung seinem Team mitteilen. Ungefiltert lugt ein Schweinsteiger hervor, dessen Lebensmittelpunkt unter seinen Füßen bröckelt. Ein Mensch steht da, kein "Kumpel," "Held" oder "Krieger".
Schweinsteiger: Memories steht ab heute, 5. Juni 2020, im Katalog von Amazon Prime Video zum Abruf bereit.
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Werdet ihr euch die Schweinsteiger-Doku anschauen?