Ich ertrage Folterszenen und die Selbstverstümmelungen in der Saw-Reihe. Aber so richtig speiübel wird mir nur in einer - sogar sehr beliebten - Sequenz in Guardians of the Galaxy Vol. 2.
Yondus großer Moment: Um diese Guardians of the Galaxy 2-Szene geht es
Es gibt wahrscheinlich Momente in der knapp zwölfjährigen Geschichte des MCU, in der der Bodycount höher war, wobei ich mir auch da nicht ganz sicher bin. So oder so sind die Minuten, in denen Yondu mit seinem fliegenden Pfeil eine komplette Schiffsbesatzung abschlachtet, die grausamsten des Film-Universums.
Yondu tut das aus Rache. Die Crew meuterte und tötete langjährige Verbündete. Aber dieser Umstand entschuldigt längst nicht das Ausmaß des folgenden Gemetzels, auch nicht bei diesem ohnehin recht kurzluntigen Menschenschlag.
Selbst für das MCU ungewöhnlich: Warum mich die Szene so anwidert
Yondu schickt seinen Yaka Arrow los, den er via Pfeifen steuern kann. In einer dreiminütigen Sequenz stirbt ein Meuterer nach dem anderen.
Und ja, die sind alle tot, auch wenn es nicht immer so aussieht. Die Toten mögen kriminelle, eher schlichte Geister gewesen sein. Sie haben keine hübschen Gesichter. Aber sie hatten Träume, Gedanken, Gefühle, womöglich Familien. Sie sind morgens aufgestanden, haben sich gesagt, "das wird ein guter Tag, heute meutern wir und unter Taserface wird alles besser."
Die Outtakes in Guardians of the Galaxy Vol. 2 sind witziger
Es gibt überhaupt keine Veranlassung dafür, wirklich jedes einzelne Crewmitglied zu töten. Es würde auch vollkommen genügen, den Yaka-Pfeil den Meuternden durch den Oberschenkel oder die Achillessehne zu jagen. Kollektive Bewegungsunfähigkeit würde die Feinde ausreichend demoralisieren. Yondu kann bestimmt gut genug zielen, er entscheidet sich aber für die Massenexekution.
Der Pfeil schnellt durch Oberkörper und Köpfe. Blutfontänen ergibt das natürlich nicht. Die Körper scheinen stattdessen mit Staub gefüllt, als würde Yondu Sandsäcke durchbohren und keine Lebewesen.
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Damit wir auch gar nicht erst auf die Idee kommen, das hier womöglich gerade eine ganz kranke Scheiße abgeht, unterlegt Regisseur James Gunn den Massentod mit dem Gute-Laune-Hit Come A Little Bit Closer von Jay & The Americans. Ein Tanz auf dem Leichenberg.
So eklig läuft die Massentod-Szene in Guardians of the Galaxy 2 ab
In einem Raum mit Überwachungskameras stellen wir sicher, dass bestimmt kein untreues Besatzungsmitglied davonkommt. Toll! Der Yondu ist wirklich gründlich.
Oh, hat er den Biertrinker vergessen?
Haha, nein! Der Pfeil kommt nochmal zurück und erledigt seinen Job. Klasse, auf den ist Verlass.
Ich habe mal versucht, die Tode zu zählen, aber irgendwann aufgegeben, als die Körper in Zeitlupe von den Geländern regnen wie tote Vögel in einem Katastrophenfilm. Der wohl widerlichste Moment der Sequenz.
Und zum Abschluss noch mal das Spektakel aus der Vogelperspektive mit einem hübschen rosa Schleifchen.
Das ist kein fairer Kampf wie etwa der zwischen Thanos, Iron Man, Spider-Man in Infinity War. Wir beobachten hier eine hinterlistige Hinrichtung.
Warum diese Art der Gewaltinszenierung zutiefst fehlerhaft ist
Guardians-Regisseur James Gunn ist berühmt für seinen höhnischen Ton, die Vermischung von Makabrem und Albernem. Das hat er sich abgeguckt von Quentin Tarantino, sozusagen der Hollywood-Pionier in Sachen "Brutalität mit witziger Musik kontrastieren". Aber Tarantino zeigt uns den um sein Ohr erleichterten Polizisten in Reservoir Dogs , er lässt uns seine Schreie hören, den Schock und den Schmerz des Gefolterten spüren.
Guardians 2 hat witzige Musik, entsetzlich kalte Brutalität, sogar eine ästhetische Inszenierung. Aber am Ende hält Mr. Blonde kein blutiges Ohr in der Hand, bildlich gesprochen.
Der Brutalität fehlt Tragweite und Tiefe, sie ist platt, dumpf, leer. Gewalt dieses Ausmaßes sollte ein Echo in ihren Betrachtenden auslösen. Gunn verhindert das und ich bin mir gar nicht so sicher, ob er das irgendwie anders gemacht hätte bei einem Film ohne Disney-Banner.
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Guardians 2 hat dasselbe Problem wie alle Marvel-Filme - löst es aber falsch
Schwierigkeiten bei der Darstellung von Gewalt haben heute viele Blockbuster. Das Publikum fragt Schlachten und spektakuläre Kampfsequenzen nach. Um eine Altersfreigabe ab 12 zu erreichen, können Regisseur/innen sie aber nicht immer authentisch darstellen, zumindest nicht in Blockbustern, die 800 Millionen US-Dollar einspielen sollen oder mehr.
In Marvel-Filmen müssen die Held/innen ja irgendwas zu tun kriegen. Auch Hawkeye und Black Widow mit ihren bodenständigen Fähigkeiten. Das MCU erschafft für solche Massentode gesichtslose Bauernopfer. In Avengers 1 flitzen komische Schergen über den Himmel von New York. In Infinity War stürmen blutrünstige Hundewesen Wakanda.
Yondus Gefühllosigkeit: Es geht auch anders
Yondu aber tötet zumindest menschenähnliche Wesen. Es sind ehemalige Crewmitglieder von ihm, Untergebene. Er kennt sie, er hat mit ihnen gearbeitet. Dass er diese Personen tötet, ohne mit der Wimper zu zucken, ist nicht bewundernswert oder lustig. Es ist erschreckend.
In Austin Powers gibt es eine großartige Szene , die unsere Empathie für gesichtslose Handlanger um 180 Grad dreht. Austin tötet im Finale einen Mitarbeiter von Doctor Evil. Dann kommt der Schnitt zu seiner Ehefrau, die die Nachricht von dem Tod in einem kleinen Haus mit Garten empfängt. Gerade kommt der Stiefsohn nach Hause. Beide trauern gemeinsam. Yondus Opfer in Guardians of the Galaxy hatten auch solche Geschichten.
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Wie habt ihr die Szene wahrgenommen?