Im Juli 2007, etwa zur Halbzeit am Das Geheimnis der Flamingos -Set, gaben die Regisseure Matthew Aeberhard, Leander Ward und Autorin Melanie Finn in ihrem Basislager am Ufer des Natronsees ein Interview zu ihrem Film. Sie sprachen über die Entstehung des Projekts, die besonderen Herausforderungen einer Naturdokumentation, bereichernde Erfahrungen und darüber, was sie sich von dem fertigen Film erhoffen.
Wann haben Sie alle den Natronsee und seine Flamingos zum ersten Mal besucht, und wie war Ihr erster Eindruck?
Matthew Aeberhard: Ich habe 1995 den (Ol Doinyo) Lengai bestiegen und den Natronsee zum ersten Mal gesehen, während ich mit Hugo van Lawick (Naturforscher und Filmemacher) arbeitete. Hugo hatte immer von dem See gesprochen, dass man ihn – nach der Serengeti – unbedingt sehen müsse. Mir erschien er buchstäblich wie aus einer anderen Welt, allein schon wegen seiner unvergleichlichen Farben.
Melanie Finn: Ich kam im Mai 2001 mit Matt hierher. Es war eines unserer ersten Dates und ich schleppte seine Kamera den ganzen Weg den Berg hinauf – ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Es war Regenzeit, saftiges Grün und Wildblumen überall, und dann die Flamingos … Stellen Sie sich vor, Gnus wären pink! Es ist, als würde man eine Million rosa Gnus vorbeiziehen sehen – nur sehr, sehr wenige Menschen haben das jemals gesehen. Wirklich eine beeindruckende Landschaft…
Matthew Aeberhard: Was mich daran besonders fasziniert, ist, dass bisher kaum jemand hier war. Es waren mehr Menschen auf dem Mond als hier in den Feuchtgebieten, wo die Flamingos ihre Brutkolonie haben.
Leander Ward: Ich komme immer noch nicht über diesen Panoramablick hinweg. Das ist ganz großes Kino – wie IMAX. Von meinem Banda („kleines Haus“ auf Suaheli) aus blicke ich nordwärts über den See. Ich wache also auf und blicke hinüber nach Kenia, ich sehe, wie das Wasser steigt und fällt und wie sich mit den Jahreszeiten die Farben verändern. Du siehst den Vulkan und denkst: Was hat sich hier in einer Million Jahre verändert? Diese Landschaft ist biblisch und futuristisch zugleich.
Melanie Finn: Interessant ist auch, dass der Natronsee zum Rift Valley gehört. Gar nicht weit weg von hier finden sich Fußabdrücke von Menschen, die vor 3,5 Millionen Jahren durch Schlamm und Asche gegangen sind. Ich hatte immer das Gefühl, dass wir hier zum ersten Mal wahre Schönheit erlebt und schätzen gelernt haben. Vielleicht haben wir sogar erst hier einen Sinn für Religion und den Glauben an ein Leben danach gefunden. Jeder, der hierher kommt, scheint sich gleich aufgehoben zu fühlen – als wäre diese Landschaft in unserem Unterbewusstsein verankert.
Da der Natronsee offenbar eine so starke Wirkung auf Sie hatte, lag die Entscheidung, hier einen Film zu drehen, wohl nahe?
Matthew Aeberhard: Zunächst wollten wir einen Film über den See selbst drehen. Ich hatte hier einen deutschen Freund, Stefan Hoecherl. Er ist Pilot und hat Luftbilder von dem See gemacht, zu allen erdenklichen Jahres- und Tageszeiten. Die ursprüngliche Idee war, irgendwas mit diesen Fotos anzustellen.
Leander Ward: Unsere Reaktion auf seine Bilder war dieselbe: schlicht „Wow!“ Wir waren so hingerissen von der Landschaft und den Farben, wussten aber nicht, wie der Film dazu aussehen sollte. Dieses Kaleidoskop der Natur war wirklich eindrucksvoll – denn so sieht der See von oben betrachtet aus. Und auf einigen von Stefans Fotos flogen diese großen rosa Flamingos durchs Bild, wie in der Luft erstarrte Bälle. Es war abstrakt, wie eine fantastische Kunstinstallation.
Schließlich beschlossen Sie, sich nicht auf den See, sondern vorrangig auf die Flamingos zu konzentrieren. Wie kam es dazu?
Leander Ward: Unser Film sollte von diesem vergessenen Flecken Erde handeln, einer Vulkanlandschaft wie auf dem Mars. Aber er brauchte eine Richtung, einen roten Faden. So nahm die Geschichte allmählich Form an, und bald wurde uns klar, dass die Flamingos die idealen Protagonisten waren.
Was macht gerade Flamingos so interessant?
Matthew Aeberhard: Ihre Farbenpracht, ihre Dynamik und die faszinierenden Lebensräume, in denen sie sich bewegen. Die Jungvögel sind allerdings braun, tollpatschig und eher hässlich, bevor sie diese herrliche rosa Farbe bekommen. Die Küken sind niedlich, aber sie sehen auch ziemlich schräg aus: Sie haben diesen komisch geformten Schnabel und kleine Klauen an den Flügeln. Ihre natürlichen Feinde – Marabus, Fischadler, Hyänen, Schakale – sorgen für zusätzliche Spannung. Das Gruppenverhalten dieser Unmengen von Flamingos liefert regelrechte Action-Szenen, die nach flotter Musik verlangen. Und dann müssen sie sich auch noch in dieser ungnädigen Umgebung behaupten, in all dem Salz und der Hitze. Leben und Tod liegen hier sehr nahe beieinander.
War Das Geheimnis der Flamingos immer als Kino- und nicht als TV-Film geplant? Wollten Sie Pionierarbeit leisten?
Melanie Finn: Von den Fotos und unserem Besuch hier wussten wir gleich, dass dieser Ort unmöglich in einen Kasten passt – dafür ist er zu groß. Also fanden wir, es sollte ein Kinofilm werden.
Leander Ward: Und ja, sicher, wir wollten etwas anderes schaffen als die üblichen Tierfilme. Ich wollte Regisseur werden, als ich „Baraka“ sah: einfach wunderschöne Bilder mit Musik unterlegt, sehr emotional. Das ist der Stil, der uns auch für Das Geheimnis der Flamingos vorschwebte.
Leander, die Musik scheint bei Ihrer Vision des Films eine große Rolle zu spielen.
Leander Ward: Erst die Musik erweckt den Film zum Leben. Als Matt und ich die ersten Aufnahmen sahen, wussten wir sofort, dass sie mit Musik untermalt werden müssen. Ich hoffe, dass unser Film nicht nur eine Bilderreise ist, sondern auch eine akustische. Der Soundtrack zu Das Geheimnis der Flamingos soll als Album für sich stehen können. Vielleicht hören sogar einige Leute zuerst die Musik und sehen sich daraufhin den Film an, weil sie ihr Interesse geweckt hat. Das wäre großartig. Jedenfalls ist Musik ein Weg, das Genre des Naturfilms aufzulockern und das Ganze weniger konventionell anzugehen.
Apropos mit Konventionen brechen: War es immer Ihr Ziel, die Natur nicht nur von ihrer idyllischen Seite zu zeigen?
Matthew Aeberhard: Ja. Auch wenn die Jagd der Marabus auf die Flamingojungen viele abschrecken mag. Es ist brutal. Wir haben beobachtet, wie sich ein einziger Marabu eines Morgens 15 Küken geschnappt hat. Oftmals fressen sie sie nicht mal. Sie hacken auf sie ein und lassen sie zum Sterben liegen. Es ist ziemlich blutig und verstörend, aber ich finde, man muss auch das Schlimme in ungeschönter Form zeigen. Denn so sieht die Wirklichkeit nun mal aus.
Trotzdem hat man zunächst den Eindruck, dies sei das Paradies, ein letzter Garten Eden…
Leander Ward: Es ist wunderschön hier, aber auch hart. Wenn Sie eine Weile hier leben, stellen Sie fest, wie grausam die Natur sein kann. Es gibt Stechfliegen, Tiere, die Sie fressen wollen, Gebüsch, durch das Sie nur mit der Machete hindurchkommen. Für die Menschen hier ist es mühsam, sich zu versorgen. Das gilt genauso für die Tiere: Es gibt nur Jäger und Beute.
Zurück zur Geschichte des Films. Mel, Sie sind die Autorin. Es wird manchen erstaunen, dass eine Dokumentation überhaupt eine Drehbuchautorin braucht. Erläutern Sie uns Ihre Rolle bei dem Projekt?
Melanie Finn: Die Leute scheinen tatsächlich zu glauben, bei einem Tierfilm bräuchte man einfach nur schöne Aufnahmen, um sie dann im Schneideraum sinnvoll zusammenzufügen. Aber das wäre ein katastrophaler Ansatz. Wer einen Film machen will, sollte vorher wissen, was er drehen muss. Denken Sie nur an Al Gore s Dokumentarfilm Eine unbequeme Wahrheit oder an „Supersize Me“: Da hat auch keiner gedacht, diese Filme wären auf dem Hosenboden im Schneideraum entstanden. Am Anfang war jemand mit einem Standpunkt, er hat recherchiert und dann ist er losgegangen und hat gefilmt – das ist den Leuten schon klar. Und genauso sind auch wir vorgegangen. Aber natürlich sind die Dreharbeiten zu einer Doku auch ein Stück weit unberechenbar. Wir brauchten z. B. einen Fischadler auf der Jagd. Haben wir noch nicht im Kasten, okay, dafür aber eine Hyäne auf der Jagd. Aus manchen Sequenzen wird eben nichts. Stattdessen gelingen Aufnahmen, von denen man nie zu träumen gewagt hätte, also arbeitet man damit. Aber immer im Dienst der Kerngeschichte, die man erzählen möchte.
Matthew Aeberhard: Man muss flexibel sein, offen für Unerwartetes. Einfach losmarschieren und ein Tier verfolgen, ist keine besonders effiziente Arbeitsweise und zudem riskant. Wenn was Aufregendes passiert, halt drauf! Was ist denn die Kerngeschichte, die Sie erzählen möchten?
Melanie Finn: Wir wollten keinen Film über das Verhalten von Vögeln, also nahmen wir uns Mythen und Archetypen vor. Die zentralen Themen waren immer Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt. Wir wollten von Anfang an eine Geschichte über den Kreislauf des Lebens erzählen. Das ist vielleicht keine besonders originelle Idee, aber die stärkste. Schließlich gehen wir alle durch dieses Leben.
Wenn man so viel Zeit mit den Flamingos verbringt wie Sie, stellt man dann irgendwann verschiedene Persönlichkeiten bei den Vögeln fest?
Matthew Aeberhard: Sie sind auf jeden Fall Individuen, und es gibt da draußen wirklich ein paar schräge Vögel. Manche Flamingos sitzen auf ihren Eiern oder ihren Küken, stehen auf, setzen sich wieder hin. Nur einen Meter weiter rühren sich andere den ganzen Tag nicht vom Fleck. Und das hat nichts mit der Brutzeit oder äußeren Umständen zu tun: Wir haben aus nächster Nähe Vögel beobachtet, die nur einen Tag versetzt ihre Eier ausgebrütet haben, ihr Verhalten war dabei aber völlig unterschiedlich.
Melanie Finn: Wir möchten zeigen, dass Tiere ein geheimes Leben führen, das mit unserem nichts zu tun hat. Und dieses Leben ist wahrscheinlich komplexer, als wir es uns vorstellen können. Ich erhoffe mir, dass die Leute das Kino mit einem Gefühl der Faszination verlassen, ohne dass diese Vögel erschöpfend erklärt und entzaubert worden sind.
Um zu den handwerklichen Aspekten des Drehs zu kommen: Was macht das Filmen von Flamingos so schwierig?
Matthew Aeberhard: Zunächst einmal, dass sie recht klein sind. Filmt man auf 35 Millimeter, muss man entsprechend nah an sie heran. Oder man benutzt Weitwinkelobjektive. Das bringt allerdings Probleme mit sich: Das Bild kann leicht verwackeln, und man ist abhängiger vom Licht. Es läuft also doch darauf hinaus, nah genug heranzukommen. Und das lassen sie im Allgemeinen nicht zu.
Wie ist es Ihnen dann gelungen?
Matthew Aeberhard: Auf den Salzbänken haben wir Unterstände mit Blenden benutzt. Wir haben sie über mehrere Tage in Stellung gebracht und uns dann Stück für Stück herangepirscht. Wir sind bis auf 7,6 Meter herangekommen, eine gute Entfernung für ein Weitwinkelobjektiv. So konnten wir sogar ein Küken im Nest filmen. Außerdem haben wir ein kleines Luftkissenfahrzeug, das ist überaus nützlich. Es ist zwar sehr laut, aber das scheint die Vögel überhaupt nicht zu stören, so dass wir einigermaßen nah an sie herankommen. Der See ist größtenteils so flach – oft nur 50 Zentimeter –, dass das Luftkissenfahrzeug einfach einsinkt und uns so ein tolles, stabiles Podest bietet.
Leander Ward: Wir mussten uns kreative Lösungen einfallen lassen. Wir haben im Salz auch Schneeschuhe eingesetzt. Eigentlich effektiv, aber die Plastikhalterung der Sohlen war schnell durchgescheuert. Die Salzkristalle des Sees sind wie Sandpapier.
Der Ornithologe Leslie Brown, einer der Ersten, die den Natronsee erkundet haben, soll beinahe seine Beine verloren haben, als er in den See fiel. Ist das Wasser wirklich so scharf?
Leander Ward: Es ist heiß, beißend, übelriechend, ätzend – und es dringt überall durch. Du gehst ein paar Stunden hinein und kommst ganz weiß zurück, mit einer Salzschicht bedeckt. Noch dazu ist es extrem heiß. An manchen Stellen hat der See 60 Grad Celsius.
Matthew Aeberhard: Ich bin ein paar Mal hineingefallen oder -gesprungen. Das Wasser ist wirklich sehr warm – manchmal heiß wie eine Tasse Kaffee. Hat man Kratzer und Schrammen, brennt es. Und bekommt man unterwegs Salz in die Stiefel, kann das ganz schön schmerzhaft scheuern. Bisher war das aber höchstens lästig. Wenn Sie auf Ihren Teint achten, ist das hier jedenfalls nicht der richtige Ort für Sie. Und wenn Sie lange genug ohne Wasser hier draußen bleiben, kriegen Sie mit Sicherheit einen Hitzestich. Verlaufen möchte man sich hier nicht. Und dass das Luftkissenfahrzeug den Geist aufgibt, auch nicht.
Diese Umstände sind vermutlich ein Grund dafür, dass der Natronsee und die Flamingos so wenig erforscht sind.
Matthew Aeberhard: Ja, diese unwirtliche Umgebung hält wohl viele ab. Außerdem ist es sehr einsam. Wir sind sieben Autostunden von der nächsten Stadt, Arusha, entfernt. Und obwohl die Straßen verbessert worden sind und der Rucksacktourismus allmählich Einzug hält, ist es immer noch ganz schön abgeschieden.
Haben Sie neue Erkenntnisse über die Vögel oder über ihr Verhalten gewonnen?
Matthew Aeberhard: Ihr Speiseplan ist gut erforscht, die Struktur ihres Gefieders und ihr Brutverhalten, ebenso Vorkommen und Anzahl. Aber ich glaube, es hat noch nie jemand dagesessen und sie beobachtet, wie wir es tun. Und einige wichtige Fragen sind nach wie vor offen. Warum sie von See zu See ziehen etwa, welche Entfernungen sie zurücklegen und woher sie wissen, wann Brutzeit ist. Stattdessen konnten wir beobachten, wie gefährlich die Marabus ihnen werden können. Dass sie Flamingos angreifen, ist bekannt. Aber wir haben miterlebt, was nur ein paar Marabus innerhalb weniger Wochen in einer Kolonie von 100.000 Flamingos anrichten. Sie vertreiben die erwachsenen Vögel – viele werden ihre Küken nie wiederfinden.
Melanie Finn: Bislang kannte wohl auch niemand das Phänomen, das wir „die Küken-Armada“ nennen. Am Morgen verlassen all die kleinen Küken die Salzbänke und schwimmen zum Ufer hinüber, dicht gedrängt wie auf einem kleinen Floß. Kurz vor dem Ufer stellen sie sich in Reihen auf, wie bei einer Polonäse, Küken in allen Größen rennen hierhin und dahin. Am Abend sammeln sie sich wieder und schwimmen zurück.
Welche Aufnahme war bislang am schwierigsten einzufangen?
Matthew Aeberhard: Bis vor kurzem haben wir uns über die Brüter die Haare gerauft.
Leander Ward: Eigentlich beginnt die Brutzeit im Frühjahr. Doch dann gingen im November unfassbare Regenfälle nieder, die die Nester zerstörten. Eine Zeitlang konnten wir also nur beten und warten, dass sie doch noch brüten. Zu dem Zeitpunkt hatten wir nämlich keine echte Story.
Melanie Finn: Wenn bei den Tieren etwas vorgeht und dazu auch noch das Licht stimmt, schätze ich mich glücklich. Das kommt wirklich nicht oft vor.
Sprechen wir ein bisschen über Ihr Leben hier. War es schwer, ein geeignetes Camp aufzubauen? Welche Annehmlichkeiten genießen Sie und welche vermissen Sie?
Melanie Finn: Wir hatten Glück, dass wir dieses Haus gefunden haben. Es wurde von Missionaren aus Oregon gebaut, aber jetzt ist es verlassen. Heute gehört es Tanzania Game Trackers Safaris, einer Agentur in Arusha, die Safaris für Touristen organisiert. Sie waren uns eine große Hilfe, wir müssen nicht einmal Miete bezahlen. Im Gegenteil: Man ist froh, dass wir hier sind, weil es Wilderer abschreckt. Es ist ein sehr stabiles Haus. Wir haben neue Scheiben in die Fenster eingesetzt und einen großen Teil des Dachs repariert. Wir mussten streichen, die separaten Hütten bauen, eine Toilette buddeln, einen Satelliten und Solarzellen installieren. Wir haben zwar kein fließendes Wasser. Aber die Quellen versorgen uns mit so viel frischem Wasser, dass das gar kein Problem ist.
Der Natronsee und seine 1,5 Millionen Flamingos sind eines der größten unbekannten Naturschauspiele. Steht es eigentlich unter Naturschutz? Werden sich auch künftige Generationen noch daran erfreuen können?
Matthew Aeberhard: Nein, der Natronsee ist kein Naturreservat. Immerhin steht er unter dem Schutz von Ramsar. Das ist ein unverbindliches staatsübergreifendes Abkommen, wichtige Feuchtgebiete zu erhalten. Aber es ist eben kein bindender Vertrag, das Thema bleibt also sensibel.
Man könnte meinen: Na gut, es gibt hier immerhin 1,5 Millionen Vögel, sie scheinen also nicht gerade bedroht zu sein. Wie sehen Sie das?
Matthew Aeberhard: Im Moment gibt es hier in der Tat sehr viele Zwergflamingos, das heißt jedoch nicht, dass ihre Zukunft hier gesichert ist. Denn sie sind von diesem Ort völlig abhängig: Soviel wir wissen, ist der Natronsee der einzige Platz, an dem sie in nennenswerter Anzahl nisten. Und trotzdem gibt es Jahre, in denen sie gar nicht brüten. Flamingos sind gesellige Tiere, die im Kollektiv gedeihen. Wenn also bei einigen Vögeln der Hormonschub einsetzt, ahmen ihre Artgenossen sie quasi nach. Das markiert den Beginn der Brutzeit. Doch schon kleinste Veränderungen könnten große Auswirkungen auf sie haben. Vielleicht betreibt eine Firma hier eines Tages Bergbau, der Wasserstand könnte sich ändern oder das Salzverhältnis. Eine Fabrik mit 300 Angestellten und der Abfall, den sie verursachen, würde Aasfresser wie Marabus das ganze Jahr durchfüttern.
Haben Sie je daran gedacht, dass Ihr Film sogar eine Bedrohung für den See darstellen könnte? Wenn ihn genug Leute sehen, könnten hier bald viele Touristen einfallen.
Matthew Aeberhard: Es ist paradox. Natürlich wäre es nicht gut, wenn auf einmal tausende Touristen hier auftauchen würden. Aber es werden unweigerlich Veränderungen kommen, auch der Tourismus – und sagen wir mal so: Es könnte Schlimmeres passieren.
Leander Ward: Richtig. Wenn die Menschen hierher reisen, um die Flamingos zu sehen, könnte uns das ebenso gut dazu verpflichten, sie zu schützen. Vielleicht ruft das ja den Naturschutz auf den Plan.
Melanie Finn: Das Thema Tourismus ist sicher heikel. Allein in den letzten fünf Jahren hat er um 30 bis 40 Prozent zugenommen. Man kann also nur hoffen, dass sich Mittel und Wege finden, die Einheimischen davon profitieren zu lassen und die Umwelt nicht zu sehr zu belasten.
Sie hoffen also, das Publikum wird das Kino mit einem geschärften Bewusstsein für Umweltschutz verlassen?
Leander Ward: Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ein Film dein Leben verändern kann, deine Einstellung und deine Ziele. Ich hoffe, dass unser Film genau diese Wirkung hat. Es wäre großartig, wenn die Leute einfach ein bisschen mehr darüber nachdenken würden, wie sie mit unserem Planeten und der Natur umgehen.
Melanie Finn: Es ist so ähnlich wie damals, als Galileo erkannte, dass sich die Sonne nicht um die Erde dreht, sondern die Erde um die Sonne. Die Menschen wollten einfach nicht glauben, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Wir erkennen, dass wir nicht über diesen Planeten herrschen. Und der einzige Weg, wie wir ihn retten können, ist Demut. Wir müssen begreifen, dass die Natur um ihrer selbst willen existiert und nicht zu unserem Vergnügen oder damit wir aus ihr Kapital schlagen können. Die Prioritäten verschieben sich, und vielleicht kann dieser Film einen kleinen Teil dazu beitragen.
Matthew Aeberhard: Wir alle müssen uns um die Welt um uns herum kümmern, egal wo wir sind. Deshalb wäre es schön, wenn unsere Zuschauer sich durch den Film wieder stärker mit der Natur verbunden fühlten. Wir haben nur diese eine, und wir brauchen sie. Das hier ist der Himmel auf Erden, im Hier und Jetzt. Wir sollten unsere Augen aufmachen und das erkennen.
Mit Material von Disney.
Das Geheimnis der Flamingos startet am 03. Dezember 2009 im Kino. Schaut doch in unser Kinoprogramm und sucht euch eine Vorstellung in eurer Nähe.