Heinrich Breloer über seine Buddenbrooks

21.12.2008 - 08:00 Uhr
Buddenbrooks
Warner Bros. Ent.
Buddenbrooks
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Regisseur und Drehbuchautor Heinrich Breloer spricht über seine Arbeit an den Buddenbrooks.

Mit Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe haben Sie Ihren ersten Kinofilm realisiert – was hat das für Sie bedeutet?
Ich bin sowohl mit der Welt des Kinos als auch mit der des Fernsehens groß geworden. Im Kino habe ich Reisen in eine andere Welt unternommen, habe mich dort aufgeladen mit Träumen. Das Kino der 50er Jahre war teilweise auch das Medium der Stigmatisierten, der Außenseiter, die am Nachmittag stundenlang im Kino saßen, um der Realität ein Stück weit zu entgehen. Am Abend gab es dann das Fernsehen, das war das Aufklärungsmedium, das dich nicht wegträumen lässt, das direkt ins Wohnzimmer spricht und die Zuschauer mit dem Weltgeschehen konfrontiert.

Das Fernsehen war für mich tatsächlich ein Fenster in die Welt. Es ließ uns direkt teilnehmen an den Ereignissen, die auch weit entfernt gerade in diesem Augenblick abrollten, und es bot den aufgeklärten Blick in die Vergangenheit. Diese Art von informativer Fernsehunterhaltung habe ich immer für sehr wichtig gehalten und die Mischung aus Kino und Fernsehdokumentation hat die Entwicklung des Dokudramas in meiner Arbeit sehr geprägt. Das haben wir ja deutlich vorangetrieben. Jetzt darf ich zurück in den großen Kinosaal, wo wir die Zuschauer auf eine Reise mitnehmen mit Bildern, die Weite haben, mit Musik, die er- greift, mit einer anderen Erzählweise, die nicht so vieler Worte bedarf, wie sie das Fernsehen haben kann. Wo die Leute konzentriert sitzen und ein besonderer Zauber entsteht zwischen der Leinwand und dem Publikum.

Gibt es bei der Vorbereitung und bei den Dreharbeiten Unterschiede zwischen einem Kinofilm und dem Fernsehen?
Nicht in der Intensität, nicht bei der Genauigkeit der Arbeit. Ich habe ja das gleiche Team wie bei den Manns oder bei Speer und Er. Aber das Kino verlangt eine besondere Tiefe der Räume, es wünscht sich Landschaften in der Totalen, die im Fernsehen nicht die Wirkung haben wie im Kino. Die große Leinwand verlangt besondere Bilder. Deshalb bin ich auf meiner Recherchereise mit dem Kameramann Gernot Roll zu jedem Motiv gefahren, und wir haben uns überlegt, welche Einstellungen wir für das Kino gewinnen könnten. Wir haben vorher festgelegt, wie die Stadt Lübeck zu erzählen sei.

Sie haben ja nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben, gemeinsam mit Horst Königstein…
Horst Königstein sitzt als mein Co-Autor in Hamburg. Ich schreibe, schicke ihm Szenen, er korrigiert, macht Vorschläge, sodass ich, wenn ich die Geschichte entwickle, immer ganz eng mit ihm verbunden bin. Über das Telefon, über den Computer läuft das, als ob wir an einem Schreibtisch sitzen. So arbeiten wir schon seit Jahrzehnten, und ich bin froh, einen solchen Freund zu haben, auf dessen Urteil ich setzen kann. Begleitet werden wir dabei vor allem von Barbara Buhl, die für den WDR schon bei der Entstehung der Drehbücher in unserer Nähe ist und bei allen Schwierigkeiten im Sender, der so einen Film ja mitfinanzieren muss, der Schutzengel der Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe ist.

Wie wichtig war es Ihnen, mit diesen Schauspielern, mit diesem Ensemble zu arbeiten?
Armin Mueller-Stahl war die zentrale Figur, die die Klammer gesetzt hat zwischen dem Film Die Manns, wo er Thomas Mann gespielt hat, und den Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe, wo er den Konsul Jean Buddenbrook spielt, eine Figur, die auch Elemente vom Vater und Großvater Thomas Manns in sich trägt. Nun mussten wir ja eine Familie zusammenstellen, also Schauspieler finden, die als Familie von der Ähnlichkeit her eine gewisse Glaubwürdigkeit haben und den Herausforderungen der einzelnen Rollen gewachsen sind.

Wir standen vor der Aufgabe, einen jungen 30-jährigen Mann zu finden, der dieses leicht Steife und Gefasste von Thomas Buddenbrook spielen kann. Einen Mann, der zu Beginn noch attraktiv jugendlich wirkt und dann in einer Altersmaske seine Schwäche und die Sehnsucht nach dem Unter – gang fast dreißig Jahre später glaubhaft verkörpert. Ich hatte Mark Waschke an der Schaubühne in dem Stück “Die Katze auf dem heißen Blechdach” gesehen; wie er dort die Rolle des starken und schwachen Brick gespielt hat, hat mich überzeugt. Dazu und dagegen brauchten wir einen leben – digen, quirligen Bruder, Christian, diesen Bruder Liederlich, der weder die Rolle des Kaufmanns spielen kann noch die Kraft hat, als Künstler außerhalb der bürgerlichen Ordnung zu leben und zu arbeiten. Das konnte nur August Diehl sein, der hat eine besondere Begabung für Rollen wie diese.

Jessica Schwarz als Tony. Wir mussten eine Schauspielerin finden, die die Figur über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren tragen kann, ohne maskiert zu wirken. Tony ist am wenigsten “von des Gedankens Blässe angekränkelt” und überlebt deshalb auch zwei Ehen. Jessica bringt eine große Vitalität mit und kann über die Kamera eine große Lebendigkeit mitteilen. Wie sie die Figur über den langen Zeitraum der Filmerzählung zusammenhält und zu Ende führt, ist schon eine große Leistung.

Iris Berben als Konsulin Bethsy hat großen Mut bewiesen, in diese Charakterrolle einzuwilligen. Ich habe sie gefragt, ob sie bereit ist, eine Frau zu spielen, die nicht alt werden will, sich immer noch pflegt und schminkt, aber unter der Perücke graue Haare hat und vor ihrem Tod ein deutliches Bild von Verfall abgibt. Das interessierte sie sofort, sie hatte keine Angst davor. Sie bewies auch hier wieder, welch’ großartige Schauspielerin sie ist. Sie alle sind während der Arbeit zu einem Ensemble, zur Familie Buddenbrook zusammengewachsen.

Ebenso die schwierigen Rollen wie der Kaufmann Grünlich, den Justus von Dohnányi spielt – weit weg vom Klischee, wie auch der bayerische Tony-Ehemann Permaneder, den Martin Feifel niemals der Lächerlichkeit preisgibt. Besonders glücklich war ich darüber, auch hierzulande unbekannte Schauspieler in dieses Ensemble einzufügen, wie Fedja van Huêt aus Amsterdam in der Rolle des jungen Hagenström, Léa Bosco aus Paris für die Rolle der musikbegeisterten Thomas-Gemahlin Gerda, Krijn ter Braak, ebenfalls aus Amsterdam, der ihren Vater gibt. Aber auch junge, hoch begabte deutsche Schauspieler wollte ich dabei haben. Maja Schöne als Blumenmädchen Anna – die vital sinnliche Gegenfigur zu Gerda, ebenso wie der junge Alexander Fehling als Student Morten, in den sich Tony verliebt.

Wie schön, dass Sunnyi Melles mit Josef Ostendorf das seltsam exzentrische Paar von Frau und Herrn Senator Möllendorpf spielt. Oder dass der großartige Tonio Arango für eine kleine Rolle als Kistenmaker zu uns gekommen ist. Die vielen kleinen, aber starken Figuren, die Thomas Manns Roman so viel Tiefenschärfe und Humor verleihen, mussten einfach stark besetzt werden. Schauspieler wie André Hennicke als Gosch oder Sylvester Groth mit dem meckernden Lachen des Bankiers Kesselmeyer sind in Sekunden präsent.

Sie haben oft gesagt, dass die Zusammenarbeit mit dem Kameramann Gernot Roll eine große Bereicherung für Sie ist.
Gernot Roll hat über hundert Filme gedreht. Dabei hat er 24 mit vielen wichtigen Regisseuren unserer Zeit zusammengearbeitet. Das Projekt ist nicht ohne ihn zu denken. Ich arbeite seit zehn Jahren mit Gernot zusammen, und aus einer Arbeitsgemeinschaft ist eine Freundschaft geworden. Manchmal, wenn man uns gemeinsam vor dem Monitor sitzen sieht, heißt es: “Dort sitzt das Ehepaar Roll /Breloer”, weil wir uns ausgezeichnet ergänzen.

Da ist ein blindes Verständnis und Respekt von beiden Seiten, weil wir uns nichts vorzumachen brauchen. Für solche Bilder, wie wir sie für Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe brauchten, hat Gernot Roll die besten Voraussetzungen. Er hat große Erfahrung mit solchen Stoffen und versteht seine Arbeit als ein Handwerk. Für ihn sollte eine Szene erst einmal ordentlich erzählt werden. Doch dann ist er sofort dabei, wenn es gilt, für eine Szene eine ungewöhnliche Einstellung zu gewinnen. Bilder, die stark von der Stimmung der Handlung erzählen und den Zuschauer ins Geschehen hineinsaugen.

Auch mit Szenenbildner Götz Weidner und Kostümbildnerin Barbara Baum verbindet Sie eine lange, erfolgreiche Zusammenarbeit.
Mit Götz und Barbara habe ich schon bei den Manns und bei Speer und Er zusammengearbeitet. Beide haben ja große Erfahrungen bei bedeutenden Kinofilmen gesammelt, Götz hat unter anderem Das Boot, Die unendliche Geschichte sowie zahlreiche US-Produktionen mit gestaltet. Eine besonders interessante Aufgabe war es für Götz Weidner, das Buddenbrookhaus mit allen Stockwerken, dem Garten und der gegenüberliegenden Marienkirche als Bühnenbild in den Kölner MMC-Studios aufzubauen. Ein Bühnenbild mit einer Stahlkonstruktion, sodass wir mit fünfzig Darstellern im zweiten Stock Hochzeit feiern konnten. Dieser Bau mit einer Höhe von 20 Metern war eine wichtige Vorentscheidung.

Es gab ja keine Chance, in Lübeck im sogenannten Buddenbrookhaus zu drehen. Das heutige Buddenbrookhaus ist ein Museum. Es ist das Haus von Thomas Manns Großvater und war nur in Teilen das Vorbild für das Buddenbrookhaus im Roman. Ich war mir mit Götz Weidner sehr schnell einig, dass wir das Haus aus dem Roman aufbauen mussten. So konnten wir die Spielfläche gewinnen, die uns den Reichtum und das Lebensgefühl dieser Patrizier miterleben lassen.

Und Barbara Baum?
Barbara Baum blickt auf eine lange und erfolgreiche Kinokarriere zurück. Sie ist eine große Kostümbildnerin alten Schlages, die Menschen durch ihre Kleider inszeniert. Dabei setzt sie sich mit jedem Charakter auseinander, findet für jeden eine eigene Linie bis ins Detail, setzt entsprechend jeder Szene farbliche Akzente. Ihre Kostüme machen nicht nur die Zeit der Handlung gegenwärtig, sondern erzählen wie eine zweite Haut auch vom Inneren, vom Charakter der Menschen.

Wir haben uns bei der Vorbereitung tagelang durch Berge von Kostümbildern, Stoffen und Fotos gearbeitet. So haben wir die Entscheidungen für die Farben und Schnitte der Kostüme durch die Epochen der Buddenbrooks festgelegt. Barbara hat viele Kleider für die Hauptdarsteller selber entworfen und schneidern lassen. Um dieses Univer – sum zu schaffen, ist sie viel gereist, zu den Kostümhäusern in Berlin, zu Cosprop und Sands Film nach London und zu Tirelli in Rom, wo Teile der Kostüme von Viscontis Der Leopard zugänglich sind – für uns die richtige Adresse.

Wie haben Sie den Dreh in Lübeck erlebt?
Eine Stadt dreht einen Film – das war schon bald mein Eindruck, so begeistert haben die Bürger der Stadt Lübeck uns bei den Dreharbeiten unterstützt. Wenn wir nachts in den Straßen drehten, haben die Anwohner uns Kerzen in die Fenster gestellt, um unsere Laternen als Lichtquellen zu verstärken. Und es waren lärmige Zeiten, das haben wir gelernt: So eine Kutsche mit ein oder zwei Pferden auf dem Kopfsteinpflaster hört man von weitem und das scheppert noch lange nach. Aber die Lübecker haben sich irgendetwas in die Ohren gestopft und für diese Nacht das 19. Jahrhundert ertragen. Alles in Allem: Vom Bürgermeister bis zum Statisten haben wir nur Unterstützung erfahren. Buddenbrooks spielen jetzt in Lübeck und wir haben die Figuren in die Stadt zurück gebracht, in der Thomas Mann sie gefunden hat.

Quellen: Mit Material von Warner Bros. Ent.

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