Hintersinnige Spannung im Psychohorror The Invitation

15.04.2016 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Trailer zu The Invitation – Die EinladungPandastorm Pictures
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The Invitation ist, was man gern Geheimtipp nennt – ein Film ganz ohne Stars, aber voller Überraschungen. Hintersinnig erzählt er eine Geschichte, bei der schon kleinste Details nachhaltig irritieren. Wir verlosen DVDs und Blu-rays zum Heimkinostart.

Die Eröffnungsszene sticht heraus, weil es die einzige ist, an dem der Film seinen alleinigen Spielort verlässt bzw. noch nicht erreicht hat. Ein Paar befindet sich auf dem Weg zu einer Dinnerparty, die Frau hält die Einladung in den Händen ("Wir haben euch vermisst", behaupten Großbuchstaben), der Mann sitzt gedankenverloren am Steuer. Zwei Jahre sei dessen neu verheiratete Ex-Partnerin verschwunden gewesen, erklärt er, und ganz plötzlich habe sie sich mit der Bitte um ein großes Wiedersehen gemeldet. Den beiden steht die Unlust darüber ins Gesicht geschrieben. Sie könnten jederzeit umkehren, schlägt die Frau ihrem Freund vor, als die Unterhaltung abrupt endet – der Mann hat einen Kojoten angefahren und muss das verletzte Tier töten. Ein Augenblick der Unaufmerksamkeit, ein Irritationsmoment: Für Kira (Emayatzy E. Corinealdi) und Will (Logan Marshall-Green) wird es an diesem Abend mit alten Freunden und alten Wunden nicht der letzte bleiben.

Irritationsmomente, davon gibt es reichlich in The Invitation. Sonderbare Details, Ungereimtheiten, kleine Dinge, die nicht ins Bild passen wollen. Ein Freund vergreift sich im Ton und kassiert von Gastgeberin Eden (Tammy Blanchard) eine Backpfeife, ein anderer Freund, der eigentlich zuerst da sein sollte, lässt lang auf sich warten. Will ist das Befremden über die Situation anzumerken. Er sieht, wie Edens Ehemann David (Michiel Huisman) die Türen verriegelt, weil es in der Nähe mehrere Einbrüche gegeben haben soll, und beobachtet eine halbnackte Frau, die sich als neue Bekanntschaft der Gastgeber herausstellt. Glaubt man seinen unruhigen Blicken, ist die freundliche Stimmung dieser Dinnerparty eine verlogene: Zwei Jahre Sendepause, die nun mit Wein und Kuchen vergessen gemacht werden sollen. Aber es bleibt zunächst unklar, ob Will hier tatsächlich Störfaktoren vernimmt – oder ob nicht vielleicht er selbst ein solcher ist.

Mehr über den Film zu verraten, hieße dessen hintersinnige Spannung vorwegzunehmen. Geschickt nämlich spinnt Regisseurin Karyn Kusama eine Komplizenschaft mit dem Publikum, bei der schon ein harmloses Lächeln die nächste Irritation auslösen könnte. Man hat nach Æon Flux und Jennifer's Body keinen Film von ihr erwarten dürfen, der zumindest über zwei Drittel hinweg derart meisterlich auf seine atmosphärische Fragilität vertraut. Sie weiß genau, dass die unheimlichsten Geschichten solche sind, die keine Eile brauchen, und reizt das selbst in einfachen Worten und Bewegungen der Figuren gesäte Unbehagen über den zu erwartenden Knall so gekonnt aus wie es zuletzt nur einem Ti West gelang. Weil der Film dem Publikum mit Logan Marshall-Green zudem einen Hauptdarsteller an die Hand gibt, dessen einnehmendes Spiel sich ebenso wenig in die Karten schauen lässt wie seine intelligente Regie, geht man ihm bereitwillig auf den Leim.

Die Kunst des slow burn-Erzählens besteht darin, den Blick für das vermeintlich Unscheinbare zu schärfen. So lange ein Film sich seiner selbst sicher ist, kann er auch unwahrscheinlichste Details sorgfältig erzählen. Dass viele Slow-Burn-Thriller auf engem Raum spielen, mag damit zu tun haben, dass eine simple Prämisse dort besonders effektiv umgesetzt werden kann. Gerade deshalb sind tonale Unstimmigkeiten auch zwingend, wenn man sich nicht den Limitierungen des Genres unterwerfen möchte: The Invitation ist Psychohorror, Familiendrama und in seinen besten Momenten doch nichts von beidem, weil Karyn Kusama ästhetische Beschränkungen zu umgehen versucht. Heute empfindet man so etwas als Abwechslung vom Einheitsbrei und labelt es Geheimtipp, meint aber eigentlich nur einen schlicht sehr guten Film – von dem das amerikanische Independentkino derzeit so viele produziert wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

The Invitation ist ab dem 15. April 2016 auf DVD, Blu-ray und über VOD erhältlich.

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